Es gibt Ideen, auf die hätte man auch selber kommen können. Auf die hätte man eigentlich auch selber kommen wollen. Und über die freut man sich, wenn jemand anders auf sie kommt. Ian Doescher hatte eine solche Idee, die einen als Schreiber ein wenig neidisch, als Leser dafür aber mehr als ein wenig glücklich macht. Doescher hat einen der größten Epen der Popkultur so aufbereitet, als stamme es aus der Feder eines der größten Epenerzähler der Weltliteratur.
Im Jahr 2013 erschien »William Shakespeare’s Star Wars« – der allererste »Krieg der Sterne«-Film (alias: »Episode IV«) in Form eines Fünfakters voller Verse in schönstem elisabethanischen Englisch. Durchsetzt von wundervoll detailreichen Zeichnungen im Stile alter Radierungen und mit choralen Zwischenstücken und Regieanweisungen, die so sicher auch im altehrwürdigen Globe Theatre in London funktioniert hätten. Unfassbar natürlich fließen die relativ junge Geschichte und die alte Sprache ineinander. Liebe, Verrat, der Kampf des Guten gegen das Ur-Böse, Freundschaft und beizeiten eine Prise Humor: Star Wars hat aber auch wirklich alles, was einen echten Shakespeare ausmacht.
»Darth Vader, only thou couldst be so bold«, faucht Prinzessin Leia da gleich zu Beginn des Stücks, als ihr Schiff vom Imperium aufgebracht wird. »When first my ship was under siege, I knew ’twas thee who had this peaceful vessel sack’d.« Und es ist ein großer Spaß, den weiteren Irrungen, Wirrungen und Intrigenspinnereien der Geschichte zu folgen, während man die Filmszenen klammheimlich vor dem inneren Auge ablaufen lässt.
»I am thy father.« »Nay, ’tis not true!«
Natürlich hat es Ian Doescher nicht bei diesem einen Werk belassen. Nur wenige Monate nach »Star Wars« erschien »The Empire striketh back«. Selbes Prinzip, selber großer Spaß. Mit Meister Yoda, der auch im Elisabethanischen jenseits aller Grammatik spricht. Und mit dem Duell zwischen Vader und Luke als Höhepunkt: »I am thy father.« »Nay, ’tis not true! It is impossible!« Kurz darauf stürzt Luke in die Tiefe, um dann doch gerettet zu werden. (Gibt es eigentlich Leute, die die Trilogie noch nicht gesehen haben und darum jetzt hier »Spoiler!« rufen könnten?)
Pünktlich zur Mitte des Shakespeare-Jahres 2014 – dem Jahr seines 450. Geburtstags – ist nun das große Finale: »The Jedi doth return« [Partnerlink] erschienen. Jabba the Hut kommt ins Spiel, die Ewoks auch. Der Imperator dreht noch einmal mächtig auf und am Ende … steht da »Exeunt omnes«. Der Vorhang fällt und es wird stehende Ovationen geben. Ovationen für eine Idee, die jeder Schreiber wohl gerne selbst gehabt hätte.
Die Episoden I bis III, sowie ab VII aufwärts darf Ian Doescher gerne ungeshakespeart lassen. Kein Mensch, zumindest niemand, den ich kenne, möchte Jar-Jar Bings und Konsorten auf der Bühne des Globe Theatre sehen.
Diese Rezension erschien ursprünglich in der Juliausgabe des Bonner Stadtmagazins »Schnüss«.
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