Lara Beckmann: Die Menschenfreundin

NEO 17, Seite 6

Lara Beck­mann beschäf­tigt sich ger­ne mit Men­schen – mit rea­len, aber auch fik­ti­ven. Seit ihrem sech­zehn­ten Lebens­jahr arbei­tet sie als Schau­spie­le­rin. Die aktu­el­le Spiel­zeit ist ihre zwei­te am Thea­ter Aachen.

Man muss nicht zwin­gend ins Thea­ter gehen, um Lara Beck­mann in Akti­on zu sehen. Ein auf­merk­sa­mer Blick in die Fern­seh­zei­tung genügt – oder ein Besuch auf der Web­site ihrer Schau­spiel­agen­tur. Hier wird haar­klein ver­merkt, wenn eines der fil­mi­schen Früh­wer­ke der Schau­spie­le­rin aus­ge­strahlt wird. Zumeist sind es Kri­mis, in denen sie dann auf einem der Kanä­le des ZDF zu sehen ist. Von Stutt­gart bis Leip­zig hat sie bei sämt­li­chen Fern­seh-Son­der­kom­mis­sio­nen schon im Ver­hör­raum geses­sen. Ganz in Gothic-Schwarz geklei­det, hat sie ein­mal sogar den Inbe­griff des deut­schen TV-Pri­va­termitt­lers auf Trab gehal­ten: Josef Matu­la ret­te­te ihr das Leben.

Super­punk – Matu­la hau mich raus
Super­punk – »Matu­la hau mich raus!«
Direk­ter Link: https://www.youtube.com/watch?v=hPkP10Mnn3Y

Es emp­fiehlt sich trotz­dem unbe­dingt, ins Thea­ter zu gehen, um Lara Beck­mann in Akti­on zu sehen. Wenn die 29-Jäh­ri­ge heu­te im Thea­ter Aachen auf der Büh­ne agiert, ist sie die­sel­be, die sei­ner­zeit vor der Kame­ra stand – und doch eine völ­lig ande­re. Die klas­si­sche Aus­bil­dung des Schau­spiel­stu­di­ums hat ihrem schon immer vor­han­de­nen Talent eine Rich­tung gege­ben. Lara Beck­mann ver­kör­pert die ihr zuge­dach­ten Rol­len nicht ein­fach, sie füllt sie mit Leben; sie singt, sie tanzt, sie ist prä­sent, ohne den ande­ren Men­schen auf der Büh­ne den Raum zu neh­men. In jeder Sekun­de strahlt sie aus, wie sehr sie ihren Beruf genießt.

Vom Hocker gehauen

Dabei sind ihre Anfän­ge in die­sem Beruf vor allem dem Zufall geschul­det. Die gebür­ti­ge Schwä­bin war 16 Jah­re alt, als sie in den Fokus der Film­aka­de­mie Baden-Würt­tem­berg mit Sitz in Lud­wigs­burg geriet. Auf der Suche nach Jugend­li­chen für ein Cas­ting wur­den Stu­die­ren­de in der Thea­ter-AG des dor­ti­gen Gym­na­si­ums fün­dig – eben in Lara Beck­mann, die an der AG eigent­lich nur teil­ge­nom­men hat­te, um »mit Freun­den ein biss­chen Quatsch zu machen«, wie sie selbst in der Rück­schau sagt. Am Ende ihrer ers­ten Dreh­ar­bei­ten lan­de­te sie zunächst in der Dar­stel­ler-Kar­tei der Film­aka­de­mie, bald dar­auf in der einer Köl­ner Schau­spiel­agen­tur. Eben noch Quatsch gemacht, wur­den ihr plötz­lich Film- und Fern­seh­rol­len angetragen.

»Eigent­lich bin ich kein Mensch, der vie­le Plä­ne macht«, sagt Lara Beck­mann über sich selbst. »War­um auch? Man hat zwar kurz das Gefühl, alles im Griff zu haben. Aber meis­tens kommt dann doch alles anders.« Wie zum Bei­spiel der Plan, den sie in jener Früh­pha­se ihrer Kar­rie­re fass­te: Mit der Idee, nach dem Stu­di­um auf die Kino­lein­wand zu klet­tern, bewarb sie sich an ver­schie­de­nen Schau­spiel­schu­len. Am Ende meh­re­rer Vor­spiel­run­den gehör­te sie zu den acht Bewer­bern ihres Jahr­gangs, die aus hun­der­ten Kan­di­da­ten an der Staat­li­chen Hoch­schu­le für Musik und dar­stel­len­de Kunst Stutt­gart ange­nom­men wur­den. Und schon nach weni­gen Mona­ten an der Hoch­schu­le leg­te sie den Plan von der Zukunft als Film­schau­spie­le­rin zu den Akten.

Cover-Shooting Lara Beckmann
Foto: Chris­ti­na Rinkens

»Im Rah­men des Stu­di­ums habe ich vie­le Vor­stel­lun­gen im Staats­thea­ter Stutt­gart gese­hen. Vor allem die Insze­nie­run­gen von Karin Hen­kel haben mich total vom Hocker gehau­en. Die haben mich emo­tio­nal ganz anders ergrif­fen als das ein Kino­film je könn­te.« Die­ses Erleb­nis führ­te Lara Beck­manns Kar­rie­reidee weg von der Lein­wand, hin zur Büh­ne. In Bezug auf das Thea­ter spricht sie von Lie­be. Auch heu­te besucht sie Schau­spiel­häu­ser von Zeit zu Zeit als Zuschaue­rin, um sich von den Dar­bie­tun­gen »fla­shen« zu las­sen – auch um zu sehen, was die Kol­le­gin­nen und Kol­le­gen so machen. »Bis jetzt habe ich ›Der Meis­ter und Mar­ga­ri­ta‹ hier in Aachen zwei­mal gese­hen. Und jedes­mal habe ich gedacht: Ich will sofort auf die Büh­ne und mitmachen!«

Wendepunkte freilegen

Auch wenn ihr die­ser Wunsch ver­wehrt bleibt, trägt sie in ande­ren Pro­duk­tio­nen ihren Teil dazu bei, dass Insze­nie­run­gen das Publi­kum vom Hocker hau­en. Die Pro­ben im Vor­lauf eines jeden Stücks beschreibt sie als Ent­de­ckungs­rei­se. »Es pas­siert unheim­lich viel zwi­schen den Schau­spie­lern und der Regie. Wir ent­wi­ckeln Ideen, ver­wer­fen sie auch wie­der und sind manch­mal selbst über­rascht, was auf Grund­la­ge der Tex­te alles mög­lich ist.« Die per­sön­li­che Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Text geht dabei über blos­ses Aus­wen­dig­ler­nen weit hin­aus. In jeder Sze­ne gibt es Wen­de­punk­te, die frei­ge­legt wer­den wol­len – Situa­tio­nen, die dafür sor­gen, dass eine Figur anders her­aus­kommt als sie hin­ein­ge­gan­gen ist. »Sonst pas­siert ja nix!«

»Natür­lich ist die Per­son da auf der Büh­ne auch von dem geprägt, was ich bin und empfinde.«

Lara Beck­mann

Es gilt, die Denk­wei­se der eige­nen Figur zu durch­drin­gen, die Beweg­grün­de ihrer Hand­lun­gen zu ver­ste­hen, sich ihr zu nähern und im Ide­al­fall mit den eige­nen Erfah­run­gen zu ver­men­gen. »Natür­lich ist die Per­son da auf der Büh­ne auch von dem geprägt, was ich bin und emp­fin­de«, sagt Lara Beck­mann. »Schließ­lich sind wir Schau­spie­ler neben Kos­tü­men und Büh­nen­bild das ein­zi­ge Mate­ri­al, das uns zur Ver­fü­gung steht.« Sofern es sich bei der Ent­wick­lung einer Rol­le als schlüs­sig erweist, ist sie auch bereit, Ver­än­de­run­gen an sich selbst vor­zu­neh­men, die dann zurück in ihr Leben jen­seits der Büh­ne strah­len. Für die Lars-von-Trier-Adap­ti­on »Man­der­lay« hat sie erst vor weni­gen Wochen Haa­re gelas­sen. »Wir waren uns alle einig, dass eine Kurz­haar­fri­sur bes­ser zu Grace pas­sen wür­de. Dann bin ich halt zum Fri­seur gegangen.«

Vom Süden in den Westen

Wenn es sich rich­tig anfühlt, wird es gemacht. Das kon­se­quen­te Ver­fol­gen von Ideen gehört zum Wesen von Lara Beck­mann. Mal betrifft es die Fri­sur, mal die Lebens­pla­nung. Nach Abschluss des Stu­di­ums und mit dem Schau­spiel­di­plom in der Tasche sam­mel­te sie ers­te Erfah­run­gen an der Würt­tem­ber­gi­schen Lan­des­büh­ne Ess­lin­gen. Zwei Spiel­zei­ten gehör­te sie dort zum Ensem­ble, avan­cier­te zum Publi­kums­lieb­ling und wur­de zur »bes­ten Schau­spie­le­rin 2012÷13« gekürt. Zum Ende ihrer Zeit in Ess­lin­gen reif­te in ihr der Ent­schluss, die schwä­bi­sche Hei­mat mit dem nächs­ten Kar­rie­re­schritt zu ver­las­sen. Ihr Weg führ­te sie nach Aachen, wo sie sich auf Anhieb will­kom­men fühlte.

Klenkes NEO, Ausgabe 17

Bald zwei Jah­re lebt und arbei­tet Lara Beck­mann nun in Deutsch­lands west­lichs­ter Groß­stadt, hat sich längst mit der sehr eige­nen Öcher Inter­pre­ta­ti­on von Zisch­lau­ten ver­traut gemacht. »Am Anfang dach­te ich echt: Krass, hier haben aber vie­le Leu­te einen Sprach­feh­ler.« Die Men­schen in Aachen emp­fin­det sie als sehr offen. Einen gro­ßen Freun­des­kreis hat sie gewon­nen, der auch aus Men­schen besteht, die nichts mit dem Thea­ter zu tun haben. Die Pfle­ge die­ser Freund­schaf­ten erweist sich nicht immer als ein­fach. »Unter der Woche pro­be ich von 10 bis 14 Uhr und von 18 bis 22 Uhr. Am Wochen­en­de spie­le ich abends. Wenn die meis­ten frei haben, arbei­te ich also. Und umgekehrt.«

Die Ener­gie, die sie auf­bringt, um ihre Freun­de den­noch zu sehen, schreibt sie einer Art Über­le­bens­in­stinkt zu. »Ich kann nicht allei­ne in der Bude sit­zen. Ich brau­che Leu­te um mich.« Gera­de in Momen­ten, in denen sie ein wenig gedank­li­chen Abstand von der Arbeit braucht, tun ihr die thea­ter­fer­nen Kon­tak­te gut. Und wie schon damals in der Lud­wigs­bur­ger Thea­ter-AG geht es ihr nicht zuletzt um gemein­sa­mes Quatsch­ma­chen. Lara Beck­mann lacht viel und ger­ne. Humor ist für sie eine enorm wich­ti­ge Eigenschaft.

Neugier und Unbefangenheit

Manch­mal sitzt sie auch ein­fach nur her­um, beob­ach­tet Pas­san­ten und denkt sich klei­ne Geschich­ten zu ihnen aus. »Men­schen inter­es­sie­ren mich sehr. Vor allem ver­su­che ich zu ver­ste­hen, war­um Leu­te wie agie­ren.« Hät­te das mit der Schau­spie­le­rei nicht funk­tio­niert, so ist sie sich sicher, hät­te sie einen sozia­len Beruf ergrif­fen, in dem die­se Neu­gier ihren Mit­men­schen gegen­über zum Tra­gen gekom­men wäre. »Im Grun­de mache ich als Schau­spie­le­rin ja jetzt auch nichts ande­res. Nur dass die Per­so­nen, mit denen ich mich beschäf­ti­ge, fik­tiv sind.« Eine Traum­rol­le hat sie nicht. Unbe­fan­gen lässt sie sich auf alle Figu­ren ein, die ihr zuge­dacht wer­den. Grund­sätz­lich hät­te sie die Mög­lich­keit, Rol­len abzu­leh­nen. Dass sie jemals davon Gebrauch machen wür­de, bezwei­felt sie stark. »Man kann aus jeder Figur etwas Span­nen­des her­aus­ho­len. Und gera­de ohne vor­ge­fer­tig­tes Bild ist das total reizvoll.«

Lara Beckmann im Gespräch
Foto: Chris­ti­na Rinkens

Im Som­mer endet ihre zwei­te Spiel­zeit in Aachen. Für eine drit­te wird sie auf jeden Fall noch in der Stadt blei­ben. Was dann kommt, steht in den Ster­nen. Dass sie hier mitt­ler­wei­le ansatz­wei­se Hei­mat­ge­füh­le ver­spürt, wür­de einen Abschied nicht unbe­dingt leicht machen. Ver­hin­dern las­sen wird sich der nächs­te Kar­rie­re­schritt dadurch aber nicht. »Ich bin ein­fach noch nicht in dem Alter, in dem Schau­spie­ler sess­haft wer­den. Aber mei­ne Arbeit hier wird wert­ge­schätzt, ich darf inter­es­san­te Rol­len spie­len und habe tol­le Freun­de. Das kann man doch den einen oder ande­ren Moment lang genie­ßen.« Und danach das machen, das sich rich­tig anfühlt.

Aktu­ell ist Lara Beck­mann in »Man­der­lay« und »Kas­par Häu­ser Meer« zu sehen. Für »Pein­li­che Lieb­lings­songs« lässt sie in Sachen Musik­ge­schmack die Hosen run­ter. Zudem fei­ert »Der nack­te Wahn­sinn« am 25.4. Première.

Die­ses Por­trät erschien ursprüng­lich in Aus­ga­be 17 der Aache­ner Stadt­zei­tung »Klen­kes NEO«. Mei­ne Kol­le­gin Chris­ti­na war beim Gespräch mit Lara Beck­mann dabei, hat unter ande­rem foto­gra­fiert und mir zwei die­ser Bil­der zur Ver­fü­gung gestellt. Vie­len Dank dafür.

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