Lara Beckmann beschäftigt sich gerne mit Menschen – mit realen, aber auch fiktiven. Seit ihrem sechzehnten Lebensjahr arbeitet sie als Schauspielerin. Die aktuelle Spielzeit ist ihre zweite am Theater Aachen.
Man muss nicht zwingend ins Theater gehen, um Lara Beckmann in Aktion zu sehen. Ein aufmerksamer Blick in die Fernsehzeitung genügt – oder ein Besuch auf der Website ihrer Schauspielagentur. Hier wird haarklein vermerkt, wenn eines der filmischen Frühwerke der Schauspielerin ausgestrahlt wird. Zumeist sind es Krimis, in denen sie dann auf einem der Kanäle des ZDF zu sehen ist. Von Stuttgart bis Leipzig hat sie bei sämtlichen Fernseh-Sonderkommissionen schon im Verhörraum gesessen. Ganz in Gothic-Schwarz gekleidet, hat sie einmal sogar den Inbegriff des deutschen TV-Privatermittlers auf Trab gehalten: Josef Matula rettete ihr das Leben.
Es empfiehlt sich trotzdem unbedingt, ins Theater zu gehen, um Lara Beckmann in Aktion zu sehen. Wenn die 29-Jährige heute im Theater Aachen auf der Bühne agiert, ist sie dieselbe, die seinerzeit vor der Kamera stand – und doch eine völlig andere. Die klassische Ausbildung des Schauspielstudiums hat ihrem schon immer vorhandenen Talent eine Richtung gegeben. Lara Beckmann verkörpert die ihr zugedachten Rollen nicht einfach, sie füllt sie mit Leben; sie singt, sie tanzt, sie ist präsent, ohne den anderen Menschen auf der Bühne den Raum zu nehmen. In jeder Sekunde strahlt sie aus, wie sehr sie ihren Beruf genießt.
Vom Hocker gehauen
Dabei sind ihre Anfänge in diesem Beruf vor allem dem Zufall geschuldet. Die gebürtige Schwäbin war 16 Jahre alt, als sie in den Fokus der Filmakademie Baden-Württemberg mit Sitz in Ludwigsburg geriet. Auf der Suche nach Jugendlichen für ein Casting wurden Studierende in der Theater-AG des dortigen Gymnasiums fündig – eben in Lara Beckmann, die an der AG eigentlich nur teilgenommen hatte, um »mit Freunden ein bisschen Quatsch zu machen«, wie sie selbst in der Rückschau sagt. Am Ende ihrer ersten Dreharbeiten landete sie zunächst in der Darsteller-Kartei der Filmakademie, bald darauf in der einer Kölner Schauspielagentur. Eben noch Quatsch gemacht, wurden ihr plötzlich Film- und Fernsehrollen angetragen.
»Eigentlich bin ich kein Mensch, der viele Pläne macht«, sagt Lara Beckmann über sich selbst. »Warum auch? Man hat zwar kurz das Gefühl, alles im Griff zu haben. Aber meistens kommt dann doch alles anders.« Wie zum Beispiel der Plan, den sie in jener Frühphase ihrer Karriere fasste: Mit der Idee, nach dem Studium auf die Kinoleinwand zu klettern, bewarb sie sich an verschiedenen Schauspielschulen. Am Ende mehrerer Vorspielrunden gehörte sie zu den acht Bewerbern ihres Jahrgangs, die aus hunderten Kandidaten an der Staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart angenommen wurden. Und schon nach wenigen Monaten an der Hochschule legte sie den Plan von der Zukunft als Filmschauspielerin zu den Akten.
»Im Rahmen des Studiums habe ich viele Vorstellungen im Staatstheater Stuttgart gesehen. Vor allem die Inszenierungen von Karin Henkel haben mich total vom Hocker gehauen. Die haben mich emotional ganz anders ergriffen als das ein Kinofilm je könnte.« Dieses Erlebnis führte Lara Beckmanns Karriereidee weg von der Leinwand, hin zur Bühne. In Bezug auf das Theater spricht sie von Liebe. Auch heute besucht sie Schauspielhäuser von Zeit zu Zeit als Zuschauerin, um sich von den Darbietungen »flashen« zu lassen – auch um zu sehen, was die Kolleginnen und Kollegen so machen. »Bis jetzt habe ich ›Der Meister und Margarita‹ hier in Aachen zweimal gesehen. Und jedesmal habe ich gedacht: Ich will sofort auf die Bühne und mitmachen!«
Wendepunkte freilegen
Auch wenn ihr dieser Wunsch verwehrt bleibt, trägt sie in anderen Produktionen ihren Teil dazu bei, dass Inszenierungen das Publikum vom Hocker hauen. Die Proben im Vorlauf eines jeden Stücks beschreibt sie als Entdeckungsreise. »Es passiert unheimlich viel zwischen den Schauspielern und der Regie. Wir entwickeln Ideen, verwerfen sie auch wieder und sind manchmal selbst überrascht, was auf Grundlage der Texte alles möglich ist.« Die persönliche Auseinandersetzung mit dem Text geht dabei über blosses Auswendiglernen weit hinaus. In jeder Szene gibt es Wendepunkte, die freigelegt werden wollen – Situationen, die dafür sorgen, dass eine Figur anders herauskommt als sie hineingegangen ist. »Sonst passiert ja nix!«
»Natürlich ist die Person da auf der Bühne auch von dem geprägt, was ich bin und empfinde.«
Lara Beckmann
Es gilt, die Denkweise der eigenen Figur zu durchdringen, die Beweggründe ihrer Handlungen zu verstehen, sich ihr zu nähern und im Idealfall mit den eigenen Erfahrungen zu vermengen. »Natürlich ist die Person da auf der Bühne auch von dem geprägt, was ich bin und empfinde«, sagt Lara Beckmann. »Schließlich sind wir Schauspieler neben Kostümen und Bühnenbild das einzige Material, das uns zur Verfügung steht.« Sofern es sich bei der Entwicklung einer Rolle als schlüssig erweist, ist sie auch bereit, Veränderungen an sich selbst vorzunehmen, die dann zurück in ihr Leben jenseits der Bühne strahlen. Für die Lars-von-Trier-Adaption »Manderlay« hat sie erst vor wenigen Wochen Haare gelassen. »Wir waren uns alle einig, dass eine Kurzhaarfrisur besser zu Grace passen würde. Dann bin ich halt zum Friseur gegangen.«
Vom Süden in den Westen
Wenn es sich richtig anfühlt, wird es gemacht. Das konsequente Verfolgen von Ideen gehört zum Wesen von Lara Beckmann. Mal betrifft es die Frisur, mal die Lebensplanung. Nach Abschluss des Studiums und mit dem Schauspieldiplom in der Tasche sammelte sie erste Erfahrungen an der Württembergischen Landesbühne Esslingen. Zwei Spielzeiten gehörte sie dort zum Ensemble, avancierte zum Publikumsliebling und wurde zur »besten Schauspielerin 2012÷13« gekürt. Zum Ende ihrer Zeit in Esslingen reifte in ihr der Entschluss, die schwäbische Heimat mit dem nächsten Karriereschritt zu verlassen. Ihr Weg führte sie nach Aachen, wo sie sich auf Anhieb willkommen fühlte.
Bald zwei Jahre lebt und arbeitet Lara Beckmann nun in Deutschlands westlichster Großstadt, hat sich längst mit der sehr eigenen Öcher Interpretation von Zischlauten vertraut gemacht. »Am Anfang dachte ich echt: Krass, hier haben aber viele Leute einen Sprachfehler.« Die Menschen in Aachen empfindet sie als sehr offen. Einen großen Freundeskreis hat sie gewonnen, der auch aus Menschen besteht, die nichts mit dem Theater zu tun haben. Die Pflege dieser Freundschaften erweist sich nicht immer als einfach. »Unter der Woche probe ich von 10 bis 14 Uhr und von 18 bis 22 Uhr. Am Wochenende spiele ich abends. Wenn die meisten frei haben, arbeite ich also. Und umgekehrt.«
Die Energie, die sie aufbringt, um ihre Freunde dennoch zu sehen, schreibt sie einer Art Überlebensinstinkt zu. »Ich kann nicht alleine in der Bude sitzen. Ich brauche Leute um mich.« Gerade in Momenten, in denen sie ein wenig gedanklichen Abstand von der Arbeit braucht, tun ihr die theaterfernen Kontakte gut. Und wie schon damals in der Ludwigsburger Theater-AG geht es ihr nicht zuletzt um gemeinsames Quatschmachen. Lara Beckmann lacht viel und gerne. Humor ist für sie eine enorm wichtige Eigenschaft.
Neugier und Unbefangenheit
Manchmal sitzt sie auch einfach nur herum, beobachtet Passanten und denkt sich kleine Geschichten zu ihnen aus. »Menschen interessieren mich sehr. Vor allem versuche ich zu verstehen, warum Leute wie agieren.« Hätte das mit der Schauspielerei nicht funktioniert, so ist sie sich sicher, hätte sie einen sozialen Beruf ergriffen, in dem diese Neugier ihren Mitmenschen gegenüber zum Tragen gekommen wäre. »Im Grunde mache ich als Schauspielerin ja jetzt auch nichts anderes. Nur dass die Personen, mit denen ich mich beschäftige, fiktiv sind.« Eine Traumrolle hat sie nicht. Unbefangen lässt sie sich auf alle Figuren ein, die ihr zugedacht werden. Grundsätzlich hätte sie die Möglichkeit, Rollen abzulehnen. Dass sie jemals davon Gebrauch machen würde, bezweifelt sie stark. »Man kann aus jeder Figur etwas Spannendes herausholen. Und gerade ohne vorgefertigtes Bild ist das total reizvoll.«
Im Sommer endet ihre zweite Spielzeit in Aachen. Für eine dritte wird sie auf jeden Fall noch in der Stadt bleiben. Was dann kommt, steht in den Sternen. Dass sie hier mittlerweile ansatzweise Heimatgefühle verspürt, würde einen Abschied nicht unbedingt leicht machen. Verhindern lassen wird sich der nächste Karriereschritt dadurch aber nicht. »Ich bin einfach noch nicht in dem Alter, in dem Schauspieler sesshaft werden. Aber meine Arbeit hier wird wertgeschätzt, ich darf interessante Rollen spielen und habe tolle Freunde. Das kann man doch den einen oder anderen Moment lang genießen.« Und danach das machen, das sich richtig anfühlt.
Aktuell ist Lara Beckmann in »Manderlay« und »Kaspar Häuser Meer« zu sehen. Für »Peinliche Lieblingssongs« lässt sie in Sachen Musikgeschmack die Hosen runter. Zudem feiert »Der nackte Wahnsinn« am 25.4. Première.
Dieses Porträt erschien ursprünglich in Ausgabe 17 der Aachener Stadtzeitung »Klenkes NEO«. Meine Kollegin Christina war beim Gespräch mit Lara Beckmann dabei, hat unter anderem fotografiert und mir zwei dieser Bilder zur Verfügung gestellt. Vielen Dank dafür.