Tubes & Wires beim Jazzfest Bonn: Tanz der Texturen

Tubes & Wires_Foto Ulla C Binder
Foto: Ulla C. Binder

Mit Tubes & Wires kommt eine Band zum Jazz­fest Bonn, die sich in viel­fa­cher Hin­sicht im Schwe­be­zu­stand befin­det: zwi­schen Jazz und Rock, zwi­schen Sound- und Melo­die­ori­en­tie­rung, zwi­schen Kom­po­si­ti­on und Impro­vi­sa­ti­on, zwi­schen ana­log und elek­tro­nisch, zwi­schen Röh­ren und Kabeln.

Kei­ne Fra­ge, Niels Klein ist Jazz­mu­si­ker. Und was für einer. Als Saxo­pho­nist hat der gebür­ti­ge Ham­bur­ger Prei­se wie den Echo oder den Euro­päi­schen Kom­po­nis­ten­preis der Stadt Ber­lin gewon­nen. Gemein­sam mit sechs wei­te­ren bril­lan­ten, jun­gen Jaz­zern hat der heu­te 38-Jäh­ri­ge im Herbst 2010 in sei­ner Wahl­hei­mat Köln das Kol­lek­tiv Klaeng gegrün­det, das seit­her als Label und Kon­zert­ver­an­stal­ter dazu bei­trägt, die Stadt zu einer der Zen­tra­len der deut­schen Jazz-Sze­ne zu machen. Klein spielt in etli­chen For­ma­tio­nen, trägt seit 2011 die Ver­ant­wor­tung für das Bun­des­ju­gend­jazz­or­ches­ter und hält seit ver­gan­ge­nen Herbst eine Pro­fes­sur für Jazz­sa­xo­phon an der Hoch­schu­le für Musik und Tanz in Köln inne. Niels Klein prägt den deut­schen Jazz auf vie­len Ebenen.

Immer wieder befreiend

Da gibt es aber noch einen ande­ren musi­ka­li­schen Teil in ihm – einen, der mit Jazz zumin­dest auf den ers­ten Blick nichts zu tun hat. In sei­nem Plat­ten­re­gal fin­den sich auch Bands wie Radio­head, Sigur Rós oder Bon Iver. Bands also, die unter dem Label »Alter­na­ti­ve« fir­mie­ren und dabei klang­lich einen sehr eigen­stän­di­gen Weg beschrei­ten. Und Niels Klein ist zu sehr Musi­ker, als dass ihn die Frei­heit unin­spi­riert zurück­lie­ße, die sich Thom Yor­ke, Jón­si und Co beim Sound­tüf­teln gön­nen. Im Jahr 2014 grün­de­te er Tubes & Wires, um sei­nen Ideen in die­sem Bereich einen Raum zur Ent­fal­tung zu bie­ten. Die Band hat sich für ihn seit­her zu einem Ort ent­wi­ckelt, an dem er auch mal Fün­fe gera­de sein las­sen kann. »Da ich eigent­lich ein ziem­lich kon­trol­lier­ter Typ bin ist ist das immer wie­der sehr befrei­end«, sagt er selbst.

Vom Set­ting her bewe­gen sich Tubes & Wires im Rock­be­reich. Wegen des Back­grounds der ein­zel­nen Mit­glie­der tun sie dies aber mit der Hal­tung gestan­de­ner Jaz­zer: Mit Jonas Burg­win­kel sitzt ein eben­falls viel­fach preis­ge­krön­ter Mann am Schlag­zeug, der schon mit gro­ßen Namen des Jazz wie John Sco­field, Lee Konitz oder jüngst Lar­ry Gre­na­dier auf Augen­hö­he inter­agier­te. Je nach­dem, was der jewei­li­gen Song­idee mehr ent­spricht, spielt Han­no Busch mal Bass, häu­fi­ger jedoch Gitarre.

Niels Klein Tubes & Wires – Per­pe­tu­al Waves feat. Fried­rich Para­vici­ni – Ondes Martenot
Direk­ter Link: https://www.youtube.com/watch?v=ntUBh0BYwv8

Von Rho­des­pia­no über Ana­log­syn­the­si­zer bis hin zum Har­mo­ni­um spielt Lars Dupp­ler alles, was sich an Tas­ten­in­stru­men­ten in den Klang­kos­mos von Tubes & Wires fügt. Und weil ihr kla­rer, linea­rer Klang bes­ser passt, tauscht Niels Klein sein Saxo­phon in die­ser Band gegen ein gan­zes Sam­mel­su­ri­um an Kla­ri­net­ten. Die­se jagt er dann durch diver­se Effekt­ge­rä­te, so dass am Ende der Wham­mys, Delays und wie sie alle hei­ßen bis­wei­len der Ein­druck ent­steht, es mit einem gan­zen Kla­ri­net­ten­or­ches­ter zu tun zu haben – ver­viel­facht und ver­frem­det, einem Kla­ri­net­ten­or­ches­ter from outer Space.

Spacig und energiegeladen

»Ich suche mir har­mo­ni­schen Ele­men­te, Rhyth­men und Klänge, die mir gut gefal­len, und ver­su­che sie dann mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren.« (Niels Klein)

Rock, Jazz, Sci-Fi-Jazz, Avant­gar­de, Tra­di­ti­on, wha­te­ver: Letz­ten Endes geht es Niels Klein nicht um das Bedie­nen von Schub­la­den. »Ich suche mir ein­fach irgend­wel­che har­mo­ni­schen Ele­men­te, Rhyth­men und Klänge her­aus, die mir gut gefal­len, und ver­su­che sie dann mit­ein­an­der zu kom­bi­nie­ren«, erklärt er die Grund­aus­rich­tung hin­ter Tubes & Wires. Und tat­säch­lich tre­ten hier nicht nur die Instru­men­te mit­ein­an­der in den Dia­log, wie sie es im Jazz seit jeher tun. Bei die­ser Band tan­zen auch die ver­schie­de­nen Tex­tu­ren mit­ein­an­der, die Klang­flä­chen, die aller­lei elek­tro­ni­sche Ver­frem­dun­gen aus den Instru­men­ten herausholen.

Tubes & Wires_ Foto Lutz Voigtländer
Foto: Lutz Voigtländer

Impro­vi­sa­ti­on und Inter­ak­ti­on mit Sounds, mal klas­sisch ent­lang von Akkord­fol­gen, dann wie­der nahe­zu frei, nur mit ein­fa­chen rhyth­mi­schen Vor­ga­ben. Dem ste­hen auf dem aktu­el­len Album laut Niels Klein »die ein­fachs­ten Melo­dien« gegen­über, »die ich je geschrie­ben habe.« Denn bei allem Fün­fe-gera­de-sein-Las­sen ist der kom­po­si­to­ri­sche Anteil an der Musik schon rela­tiv groß. In Sum­me ergibt sich so ein spa­ci­ges Klang­bild, wie es kei­ne zwei­te For­ma­ti­on zu bie­ten hat. Und eine Ener­gie, die den Zuhö­rer schon nach weni­gen Tak­ten kom­plett auf­saugt. Mit Tubes & Wires hat Niels Klein etwas sehr Beson­de­res geschaffen.

Tubes & Wires gehö­ren in die­sem Jahr zum Line-Up des Jazz­fest Bonn. Am 14.5. wer­den Niels Klein und sei­ne Band Teil eines Dop­pel­kon­zerts sein. Die ande­re Hälf­te des Abends in der Aula der Uni­ver­si­tät Bonn gehört der nor­we­gi­schen Sän­ge­rin Rebek­ka Bak­ken und ihrer über drei Okta­ven rei­chen­den Stimme.

Das Jazz­fest läuft in die­sem Jahr vom 12. bis 27. Mai. Das kom­plet­te Pro­gramm fin­det sich nach dem Klick.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich in der Mai-Aus­ga­be des Bon­ner Stadt­ma­ga­zins »Schnüss«. Das Foto von Lutz Voigt­län­der ent­stammt dem Pres­se­ma­te­ri­al des Jazz­fest Bonn. Das Foto von Ulla C. Bin­der wie­der­um wur­de mir von Tubes & Wires zur Ver­fü­gung gestellt.

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