Von ASCII-Kunst über Rage Faces und Harlem-Shake bis #aufschrei: Ihre Erscheinungsformen sind vielfältig. Ihre Lebensdauer variiert zwischen wenigen Minuten und einigen Jahren. Wohl kaum jemand, der im Internet unterwegs ist, hat sich noch nie am Weitertragen eines Internet-Mems beteiligt – am Teilen von Texten, Bildern und Videos, die sich viral per E‑Mail, über Blogs, Web-Foren und das Social Web verbreiten. Ein Emoticon und schon bist Du dabei. Durch die Masse kreiert und verbreitet, lässt sich anhand von Internet-Meme die digitale Kultur eben dieser Masse und des Netzes beleuchten. Soweit die Prämisse von ehrlemann (Nils Dagsson Moskopp) und plomlompom (Christian Heller), die sich dieses Phänomens in einem Buch angenommen haben. Vor kurzem ist »Internet-Meme – kurz & geek« beim O’Reilly-Verlag erschienen. I can haz Book-Review? Klar.
Eines vorweg: Wer auf der Suche nach einem Buch ist, das Internet-Gags witzig nacherzählt, sollte getrost weitersuchen. Hier wird er nicht fündig. »Internet-Meme – kurz & geek« [Partnerlink] ist eine ernsthafte, 236-seitige Auseinandersetzung mit der Thematik. Und auch wenn die Autoren ihr Werk bescheiden als erste Einführung in die Welt der Internet-Meme bezeichnen, hat der Genuss des Ganzen doch deutlich mehr als abendfüllenden Charakter – vor allem, wenn man allen weiterführenden Links in den insgesamt 642(!) Fußnoten folgt.
Merkmale von Internet-Ökosysteme
Der systematische Aufbau des Buchs holt Leser am Ort ihres jeweiligen Wissenstandes ab. Wer ganz bei Null anfängt, bekommt von plomlompom und ehrlemann erst einmal eine Einführung in die Memetik, sowie eine Arbeitsdefinition für den Begriff »Internet-Meme« geboten. Mit der Medienvorgeschichte vom Telegrafen bis zum frühen Web und den Merkmalen von Internet-Ökosystemen wird weiteres Basiswissen vermittelt, ehe es in Sachen Meme in die Vollen geht. Mittels etlicher Beispiele, teils aus ferner Vergangenheit, werden Bild‑, Sprach‑, Microblogging- und Multimedia-Memetik auseinanderklamüsert, die Entstehungen der jeweiligen Meme skizziert und die Biotope, in denen sie vorkommen oder ‑kamen, dargestellt. Dabei belassen es die Autoren bei einer zumeist strikt beschreibenden Sprache, die bisweilen von Einordnungen unterbrochen wird. Mit einem Fazit und einem sehr hilfreichen Stichwortverzeichnis endet das Buch.
Insgesamt hält »Internet-Meme – kurz & geek« eine unglaubliche Fülle an Informationen bereit. Und das nicht nur zum Thema selbst: Quasi im Vorbeigehen werden Begriffe wie Trolling und Rickrolling hergeleitet oder Replies, Retweets und Hashtags bei Twitter erklärt. Natürlich hilft dies vor allem Lesern weiter, die gänzlich neu im Thema sind. Doch auch weitaus bewandertere Leser dürften in dem Werk Aspekte finden, die sie noch nicht kannten – oder schon längst wieder vergessen haben.
Ein gutes Stück Netzkulturgeschichte
Mit ihrem Buch haben ehrlemann und plomlompom ein gutes Stück Netzkulturgeschichte verschriftlicht und dabei auch die dunklen Seiten nicht vergessen. Das Morbide und Schockierende ist ebenfalls ein Teil dieser Kultur und findet darum seinen angemessenen Raum. Gerade an diesen Stellen hilft die staubtrocken-akademische Sprache, das gerade Gelesene zu verdauen. Sofern man bei so etwas Verdauungsstörungen hat, wird hiermit also eine Triggerwarnung ausgesprochen. Ansonsten sei das Buch jedem ans Herz gelegt, der sich mit dem Thema Internet-Meme beschäftigt oder künftig beschäftigen möchte.
P.S. für besonders Interessierte: Von Zeit zu Zeit halten die Autoren auch Vorträge zu Geschichte und Forschungsstand des Themas, etwa bei der re:publica 2013 oder der SIGINT 2013.
Der im Text mit [Partnerlink] markierte Verweis wurde von mir im Rahmen meiner Teilnahme am Partnerprogramm der Amazon EU S.à r.l. gesetzt. Weitere Hinweise dazu finden sich im Impressum dieser Seite.
Ich glaube, das hilft vor allen Dingen Lesern weiter, die eine Uni-Arbeit im Medienbereich schreiben :D