Achtung, jetzt kommt wieder so ein Fußball-Nostalgieding. Der Anlass ist aber auch ein guter: Auf den Tag vor zehn Jahren bestieg mein kleiner Inzwischen-Viertligist für etwa 19 Stunden die Pole Position des deutschen Profifußballs. Ein 3:1 auswärts in Mainz machte uns – also die Alemannia, mich und noch ein paar andere Leute – von Freitagnacht bis Samstagnachmittag zum Tabellenführer der Fußball-Bundesliga.
Ich war damals vor Ort, kann von dem Spiel dennoch nicht mehr alles rekonstruieren. Konnte ich nie. Obwohl stocknüchtern, habe ich schlichtweg nicht alles mitbekommen. Insgesamt 2.500 Alemanniafans hatten den Gästebereich am Mainzer Bruchweg bis an die Belastungsgrenze gefüllt. Schulter an Schulter wogten wir durch den dadurch nicht mehr ganz so kühlen Herbstabend. Ständig war der Kopf eines Vorder- oder Nebenmannes im Blickfeld. Eine relativ blinde Plexiglasscheibe am Ende des Blocks tat ihr Übriges. Das 2:1 von Sascha Rösler habe ich erst gesehen, als der Ball einschlug. Überraschend abgezogen und dann von mir aus auch noch jenseits dieses Plexiglas-Dings: Ich hatte nie eine Chance, diesen Kracher auf meine Festplatte zu bannen. Mainz-Keeper Dimo Wache aber auch nicht. Und der war deutlich näher dran.
In der zweiten Halbzeit wurde die Sicht ein wenig besser. Zwar flog hin und wieder immer noch ein Fan durchs Bild, aber immerhin spielte die Alemannia nun auf das unmittelbar vor uns stehende Tor. Und dort markierte Marius Ebbers gut zehn Minuten vor Schluss den Endstand. Mainz hatte gedrängt, Alemannia hatte einige Male gekontert, jetzt flippte unser Block einfach aus.
Alles kugelte durcheinander, was vorher noch einigermaßen geordnet ablief, war plötzlich nur noch wunderschönes Chaos. In diesen Momenten fiel wenige Schritte oberhalb von meinem Standort einer der schönsten Sätze, den ich je bei einem Alemannia-Auswärtsspiel gehört habe. In allem Gewoge und Gewaber ließ ein hörbar Sturzbetrunkener seiner Freude freien Lauf:
»Alter! Ich seh nix, aber et Spiel is schön!«
Bis heute zitieren die damals mit mir Angereisten diese Weisheit, wenn es auswärts mal wieder hoch hergeht. Zugegebenermaßen passiert das in Liga Vier jedoch relativ selten. Was sogar noch seltener vorkommt, ist eine explizite Begrüßung per Zuganzeiger bei der Rückkehr am Aachener Hauptbahnhof. Damals sah das so aus:
Ein bisschen mehr zum Spiel selbst hat Lutz damals auf seiner Seite geschrieben. In dem Text blickt auch er kurz mal exakt zehn Jahre zurück. Bedeutet also, dass wir heute vor 20 Jahren 1:1 in Ahlen gespielt haben. Letztes Wochenende haben wir eben dieses Ahlen 3:1 besiegt. Morgen geht es am Abend nach Verl. Wir könnten über Nacht Tabellenzweiter werden. Yeah!