The Notwist beim »Kulturfestival X«: Planlose Klangtüftler

The Notwist_Foto Patrick Morarescu
Foto: Patrick Morarescu

Für vie­le der Inbe­griff einer deut­schen Indie-Band und für noch mehr eines der bes­ten Live-Erleb­nis­se über­haupt: In bald drei Jahr­zehn­ten haben sich The Notwist in mehr­fa­cher Hin­sicht eine Son­der­stel­lung erarbeitet.

Nein, einem Plan, so ließ Mar­kus Acher erst neu­lich ver­lau­ten, einem wirk­li­chen Plan sind sie noch nie gefolgt; er, sein Bru­der Micha und die gemein­sa­me Band. »Wenn über­haupt, war der ein­zi­ge Plan, Plat­ten zu machen, die wir uns selbst ger­ne anhö­ren wür­den.« Seit ihrer Grün­dung im Jahr 1989 sind The Notwist in die­sem Sin­ne unter­wegs: immer dem musi­ka­li­schen Bauch­ge­fühl nach, dem Gespür für das, was gera­de genau rich­tig ist. Ganz am Anfang waren das noch schroff bal­lern­de Gitar­ren zwi­schen Hard­core-Punk und Metal.

Doch schon bald kamen klang­li­che Ver­fei­ne­run­gen dazu, elek­tro­ni­sches Grund­rau­schen, melo­di­sche Anlei­hen aus dem Pop, aber auch Ele­men­te aus dem Jazz. Die Elek­tro­nik nahm ab der Jahr­tau­send­wen­de sogar noch wei­ter zu, wäh­rend sich die Gitar­ren zumin­dest in Sachen Laut­stär­ke mehr und mehr zurücknahmen.

Voll­kom­men orga­nisch ent­wi­ckel­te sich so über die Jah­re eine unver­kenn­ba­re Klang­welt, die sich in ihrer gren­zen­lo­sen Expe­ri­men­tier­freu­de mit Gen­res kaum noch fas­sen lässt: Ein­an­der umspie­lend, bil­den die küh­le Tech­nik und die war­me Gitar­re das Fun­da­ment auf dem sich alle ande­ren Instru­men­te bewe­gen – mal das Vibra­phon, mal die Strei­cher. Ein wenig ver­han­gen liegt Mar­kus Achers Stim­me als fina­le Schicht über die­ser stän­dig im Fluss befind­li­chen, sym­pho­ni­schen Col­la­ge. Voi­là, der Notwist-Sound.

KulturRegion März-Juli 2017, Seite 7

Jedes der mitt­ler­wei­le sie­ben Stu­dio­al­ben stellt in der Ent­wick­lung hin zu die­sem Sound einen neu­en Mei­len­stein dar – und gleich­zei­tig eine Doku­men­ta­ti­on des Bauch­ge­fühls, das die Band zum jewei­li­gen Zeit­punkt der Ent­ste­hung hat­te. Ein wohl sehr mit­rei­ßen­des Gefühl. Spä­tes­tens seit »Neon Gol­den«, die­sem Meis­ter­werk aus dem Jahr 2002, schaut und lauscht die Musik­sze­ne ins bay­ri­sche Weil­heim, dem Hei­mat­ort der Band und ihres Sounds. Von hier aus sen­den Notwist sich und ihre Musik in die Welt.

Ame­ri­ka, Asi­en, Euro­pa sowie­so: Wohin eine Tour­nee auch führt, über­all fül­len sich seit Jah­ren die Säle bis zum letz­ten Platz. Auch was ihre Liv­e­per­for­mance angeht, hat sich die Band mitt­ler­wei­le eine Aus­nah­me­stel­lung erar­bei­tet. Dort oben auf der Büh­ne zeigt sich erst, mit welch groß­ar­ti­gen Vir­tuo­sen man es bei hier zu tun hat. Aktu­ell als Sex­tett unter­wegs, den­ken und spie­len Notwist die Stu­dio­ver­sio­nen ihrer Songs kon­se­quent wei­ter, ent­fal­ten sie mit aus­la­den­den Instru­men­tal­pas­sa­gen zu vol­ler Schön­heit und for­mu­lie­ren sie in völ­lig neue Dar­stel­lungs­for­men um.

Da wird aus der ruhi­gen Indie­tro­nic-Num­mer ein schwer raven­des Biest, aus dem gitar­ren­las­ti­gen Früh­werk ein Big-Beat-Stück mit pas­sen­den Samples vom Plat­ten­spie­ler. Die Stü­cke der ers­ten Alben blei­ben bei den Kon­zer­ten kei­nes­wegs links lie­gen. Ganz natür­lich fügen sie sich ins Set. Weil sie Teil einer inzwi­schen 28 Jah­re wäh­ren­den, natür­li­chen Ent­wick­lung sind. Und weil Mar­kus Acher, sein Bru­der Micha und der Rest der Band sie immer noch ger­ne anhören.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich in der dies­jäh­ri­gen Früh­lings­aus­ga­be der »Kul­tur­Re­gi­on«, eines Kul­tur-Maga­zins für die Städ­te­re­gi­on Aachen. Anlass war (und ist) das Kon­zert, das Notwist am 24.6. in Stol­berg spie­len wer­den. Das Bild­ma­te­ri­al ent­stammt dem band­ei­ge­nen Pressematerial.

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