Was am 15. Mai abends im Kunstmuseum Bonn passierte, hatte das Haus und die gesamte Bonner Museenlandschaft noch nicht erlebt: ein Museums-TweetUp.
Ein Medienwandel ist in vollem Gange. Wer es heutzutage darauf anlegt, kann dank Internet immer und überall seine Netzwerke pflegen, auch über einige Entfernung in Echtzeit kommunizieren oder Informationen austauschen. Seit geraumer Zeit beschäftigt sich der Bonner Kunsthistoriker Helge David mit der Frage, welche Möglichkeiten daraus für die Kultur erwachsen. Wie man gerade Museumsinhalte in die digitale Welt erweitern kann. 2012 hatte der Gründer von openmuseum.de bereits eine Heinrich-Hertz-Ausstellung des Deutschen Museums Bonn mittels Smartphone-Schnitzeljagd in das Stadtbild der Bundesstadt transportiert.
Mit dem Kunstmuseum Bonn hat er Ende April einen Partner für sein nächstes Projekt gefunden: ein Museums-TweetUp. Bei einem solchen geführten Museumsbesuch ist es den Teilnehmern ausdrücklich gestattet, die eigenen Eindrücke unmittelbar per Twitter zu schildern. Ob augenzwinkernd oder bierernst, ob Kurztext oder Foto: Erlaubt ist, was gefällt. Und was sonst in einem solchen Kontext verpönt ist. Das Ganze geschieht unter einem gemeinsamen Hashtag und ist somit auch für Außenstehende gebündelt zu verfolgen. Weltweit erfreut sich dieses Konzept zunehmender Beliebtheit. Seit Mitte Mai gehört Bonn nun also auch zu den deutschen Städten, in denen Hochkultur und neue Medien auf diese Art miteinander verknüpft werden. Rund 30 Kulturinteressierte waren Davids Einladung zur Première im Kunstmuseum Bonn gefolgt.
Dort erwartete sie eine äußerst spannende einstündige Führung durch die aktuelle Ausstellung »HEIMsuchung«, deren Titel auch gleich als Hashtag fungierte. Während die beiden Kuratoren Volker Adolphs und Stephan Berg die einzelnen Exponate und Installationen näher erläuterten, schwirrten die Gedanken, Empfindungen oder Fotos ihrer Zuhörer im Dutzend hinaus ins Netz, wo sie von Neugierigen zuhauf angeschaut wurden. Und um das einmal explizit zu erwähnen: TweetUps sind mitnichten nur Bespaßungsmaßnahmen für internetaffine Kulturfreunde oder Daueronliner. Die insgesamt 199 Tweets, die alleine während der Stunde im Museum abgesetzt wurden, fanden in ganz Deutschland Gehör. Insgesamt verfügten die Teilnehmer zum Zeitpunkt der Besichtigung über 46.950 Follower. Eine Reichweite, die derlei Veranstaltungen zu einem interessanten, zukunftsfähigen Marketingkonzept für Museen und andere kulturelle Einrichtungen macht. Rückmeldungen trafen während des Abends und im Laufe der nächsten Tage aus dem gesamten Bundesgebiet ein – natürlich ebenfalls per Twitter. Am Ende kamen rund 400 Tweets zusammen, die tausendfach gelesen wurden und der »#HEIMsuchung« dadurch im Netz einige Aufmerksamkeit verschafften. Manch ein Abwesender bekundete sein Interesse, die Ausstellung dank des Gelesenen unbedingt besuchen zu wollen. Auch ein Großteil der Teilnehmer selbst gab am Ende des Abends zu Protokoll, die Ausstellung »noch einmal in Ruhe anschauen« zu wollen.
Denn bei allem Spaß, den ein solches TweetUp bereitet: Mit Ruhe hat es selbst für geübte Multitasker nichts zu tun. Eingabe, Verarbeitung, Ausgabe funktionieren nicht gleichzeitig. Zumindest nicht über einen längeren Zeitraum. Dass man darum nicht alle Details der Führung mitbekommt, konnten und können die meisten TweetUpper dennoch verschmerzen. Denn zum einen gehört das zu ihrer selbst gewählten Rolle während einer solchen Veranstaltung: Statt normaler Besucher ist man für kurze Zeit stellvertretendes Ohr und Auge für die Welt da draußen und vor allem seine Follower. Und zum anderen kann man alles Verpasste später noch einmal bei Twitter nachlesen. Danke, Internet!
(Ich bitte darum, die vergleichsweise pixelige Bildqualität zu entschuldigen. Die Lichtverhältnisse während des TweetUps haben entweder meine Kamera oder mich überfordert. Wahrscheinlich sogar uns beide.)
Hab es sehr bedauert, dass ich erst spät davon erfuhr und dann leider schon verplant war.
Danke für den informativen Bericht darüber.
Gern geschehen. Weil es schon zur Première eine recht große Resonanz gab, gehe ich mal davon aus, dass es ähnliche Folgeveranstaltungen geben wird. Und vielleicht ist dann ein Termin dabei, der für Dich passt.