In Form einer digitalen Spurensuche erfährt eine Ausstellung des Deutschen Museums Bonn aktuell ihre Ausweitung in das Stadtbild Bonns. Was man dazu braucht: Neugier und ein Smartphone.
Zwischen Kaiserplatz und Hofgarten, unmittelbar vor den Fenstern des Kunsthistorischen Instituts steht seit Ende April ein geheimnisvolles Schild am Wegesrand. Darauf zu sehen ist das verschwommene Porträt eines Bärtigen, verbunden mit einer schlichten Frage: Wer kennt diesen Mann? Und in schöner Regelmäßigkeit fühlen sich Passanten von dieser Frage angesprochen. »Friedrich Nietzsche«, hört man sie vor dem Bild mutmaßen, oder: »Bonnie ‚Prince’ Billy«. »Falsch«, lautet die Antwort, und: »Total falsch!« Einen eindeutigen Vorteil beim munteren Drauflosspekulieren haben derweil Besitzer eines Smartphones. Auf der Tafel findet sich auch ein so genannter QR-Code, eines dieser schwarz-weiß gesprenkelten Quadrate, wie sie seit einiger Zeit oft in der Werbung verwendet werden. Statt Reklame geht es bei diesem Code jedoch um Wissensvermittlung. Wer ihn mit einer entsprechenden App seines Mobiltelefons ausliest, erfährt mehr über den Gesuchten, warum das Schild gerade da steht – und hat damit den ersten Schritt einer digitalen Schnitzeljagd getan.
Die »HzCachingTour«, so der zunächst nicht minder geheimnisvolle Name dieser Schnitzeljagd, fungiert als Ergänzung zu einer Sonderausstellung, die aktuell im Deutschen Museum Bonn gezeigt wird. In dieser widmet sich das Museum einem berühmten Wissenschaftler, der einstmals in Bonn tätig war. Nachdem bereits der Astronom Friedrich Wilhelm Argelander und der Chemiker August Kekulé mit einer solchen Ausstellung bedacht worden waren, ist derzeit der Physiker Heinrich Hertz an der Reihe. Noch bis zum 13. Januar 2013 wird unter dem Titel »Vom Funkensprung zur Radiowelle« das Leben und Wirken des Entdeckers der elektromagnetischen Wellen dokumentiert. Die dazugehörige Caching Tour trägt die Ausstellung zudem aus den Räumen des Deutschen Museums in die Straßen von Bonn. Insgesamt sieben Schilder stehen an markanten Orten innerhalb der Stadt – dort, wo Hertz, gelebt, gelehrt und geforscht hat. Auf jeder Tafel findet sich ein QR-Code, hinter dem sich weiterführende Informationen verbergen.
Geschlossene Kreise
Einmal eingescannt führen die Codes zu akribisch recherchierten Essays, die in Form eines Blogs zusammengefasst worden sind. Illustriert mit zeitgenössischen Fotos und Karten, ergänzt durch Tagebucheinträge und Zitate aus Briefen von Heinrich Hertz und versehen mit Links zu weiteren Texten oder Audioschnipseln zum Thema, bieten diese Aufsätze ein ganzes Sammelsurium an Wissen rund um Hertz. Nebenbei erhält der interessierte Leser auch noch einen hervorragenden Eindruck von Bonn am Ende des 19. Jahrhunderts. Da ist von einem Innenhof des Uni-Hauptgebäudes die Rede, der bis zum ersten Stock mit Erde aufgefüllt und bepflanzt war, von der Wiese am Alten Zoll, auf der seinerzeit das feudale »Hotel Kley« stand, oder von der Sternwarte in der Südstadt, die damals noch nicht von Häusern umgeben war. Am Ende eines jeden Essays findet sich ein Hinweis auf das nächste Schild, an dem die Spurensuche fortgesetzt werden kann.
»Ohne die Entdeckung der elektromagnetischen Wellen, gäbe es keine Smartphones und somit auch nicht die Möglichkeiten, eine solche digitale Schnitzeljagd durchzuführen.«
Erdacht und umgesetzt wurde dieses Konzept von Helge David. Seit längerem beschäftigt sich der promovierte Kunsthistoriker mit der Ausweitung des Kunstraums ins Digitale. Für seine Idee hatten die Kuratoren der Heinrich-Hertz-Ausstellung, Ralph Burmester und Jörg Bradenahl, ein offenes Ohr. Die aus der Zusammenarbeit des Trios resultierende »HzCachingTour« ist eines der deutschlandweit ersten Projekte dieser Art. »Die Ausstellung zu Heinrich Hertz bot sich dazu regelrecht an«, erklärt David. »Ohne dessen Entdeckung der elektromagnetischen Wellen, gäbe es die Kommunikationstechnologie in ihrer heutigen Form nicht. Es gäbe keine Smartphones und somit auch nicht die Möglichkeiten, eine solche digitale Schnitzeljagd durchzuführen.« Und damit sich nicht nur dieser Kreis schließt, führt die Jagd an ihrem Ende zum Deutschen Museum Bonn. Schild Nummer Sieben steht unmittelbar vor dessen Eingang. Im Inneren heben zahlreiche Exponate und Dokumente das während der Tour Gelesene zurück in den realen Raum. Unter anderem werden dort die originalen und von Hertz selbst gefertigten Versuchsaufbauten gezeigt. Eine eigens für die Ausstellung eingerichtete Amateurfunkstation präsentiert eine weitere der vielen Kommunikationsmöglichkeiten, die Hertz und seine Wellen der Nachwelt hinterlassen haben. Und quasi zwischen den Zeilen wird der Unterschied zwischen digital und real verdeutlicht: Anders als das Blog und seine Essays ist das Museum nicht rund um die Uhr zugängig. Mit den Öffnungszeiten im Hinterkopf kann ein Blick auf die Uhr während der Schnitzeljagd also nicht schaden.
Ursprünglich erschien dieser Artikel in der Juliausgabe des Bonner Stadtmagazins »Schnüss«.
1 Kommentar zu “Dem Wellenmann auf der Spur”