
Nein, diejenigen, die bei der NSA für die Auswertung der Datenflut zuständig sind, sind nicht zu beneiden. Eigentlich sind sie sogar regelrecht zu bedauern für all das belanglose Gedöns, das sich Tag für Tag vom Bildschirm in ihren Kopf bohrt. Denn ganz gleich, ob abgegriffen oder durch hyperkooperative Internetdienstleister, befreundete Dienste und im Nachhinein völlig überraschte Bündnispartner bereitgestellt: Da wird schon eine Menge wahnwitziger Schrott dabei sein, den sie konsumieren müssen und über dessen gesundheitliche Spätfolgen es noch keinerlei relevante Studien gibt. Wer weiß, vielleicht ist das Ganze am Ende tatsächlich gefährlich.
Mein Mitleid mit den Damen und Herren hält sich dennoch in Grenzen. Zu groß ist die Abscheu, die ich vor dem PRISM-Programm empfinde, in dessen Rahmen sie ihre Schnüffeleien verrichten. Dabei geht es nicht um die bloße Existenz dieses Programms. Den Gedanken, dass sich Geheimdienste an Informationen bedienen, die ohnehin weitestgehend offen vor ihnen liegen, dürfte auch der letzte, nur mäßig begabte Verschwörungstheoretiker schon einmal gewälzt haben. Dass Telefonate abgehört werden könnten, hat sich der eine oder andere sicher auch vorstellen können – wenn auch nicht im mittlerweile bekannten Umfang. So weit, so geschenkt. Was mir an der Geschichte besonders bitter aufstößt, ist die Haltung, die hinter PRISM und Co steht: Jeder ist per se verdächtig. Und weil das so ist, kann im Namen der Gefahrenabwehr gleich ein ganzer Haufen an Bürger- und Persönlichkeitsrechten über Bord gekippt werden. Längst ist aus dem Gedanken der Terrorprävention eine ausgewachsene Paranoia geworden, die sich zudem wie eine Seuche verbreitet.
Innenminister Friedrich wirbt um Verständnis für PRISM, der BND möchte 100 Millionen Euro in Online-Überwachung investieren und überhaupt schreien alle Sicherheitsarchitekten dieses Landes bei jeder nur erdenklichen Gelegenheit nach Vorratsdatenspeicherung. Regelrecht bizarre Blüten treibt der Kontroll-Wahnsinn in Großbritannien. Der dortige Geheimdienst errichtete während eines G20-Gipfels Fake-Internet-Cafes, um Diplomaten anderer Länder beim Kommunizieren über die Schultern schauen zu können. Seit kurzem weiß man zudem von US-amerikanischen Wanzen, mit deren Hilfe EU-Diplomaten angezapft worden sind. Alle misstrauen offenbar allen. Auch im zwölften Jahr nach dem Einschlag der Flugzeuge sind Angst und Schrecken noch derart präsent, dass wir unsere Idee von Gesellschaft nach ihnen richten. Wenn das die Zukunft sein soll, hätten die 9/11-Terroristen ihr Ziel, der westlichen Welt nachhaltig zu schaden, tatsächlich erreicht.