Pro und Contra: Jeden Monat hauen sich Kollegin Gitta und ich zu einem meist aktuellen Thema im Bonner Stadtmagazin »Schnüss« die Argumente um die Ohren. Im Dezember ging es um das Ausreißen und Verreisen vor und zu Weihnachten. Und weil es so gut passte, haben wir unser Pro und Contra diesmal in Gedichtform gebracht. Gitta war so freundlich, mich auch ihre Zeilen hier veröffentlichen zu lassen. Danke schön und bitte sehr.
Alle Jahre fieser
(von Gitta List)
Wenn allüberall auf den Tannenspitzen
silberne, goldene Lichtlein blitzen –
dann möchte ich in der Südsee sitzen.
Dann möchte ich, ungestört von Chören
Nur wilde Wellen rauschen hören
Mich an Flamingos delektieren
Statt Gänsebraten zu servieren.
Fern der Heimat will ich weilen
Statt das Gehör mir zu verbeulen
Mit Jingle Bells und Let it snow.
Mit Hosianna, nun seid froh,
mit Loops in dulce jubilo.
Himmelblau statt Tannengrün:
Lasst mich zum Pazifik ziehn!
Lasst mich die Weihnacht dort verbringen
Wo garantiert keine Englein singen.
Wo kein Rentier mich bedrängt,
An Palmen kein Lametta hängt,
Kein Glühwein kocht, kein Glöcklein bimmelt –
Und wo es nicht vor Menschen wimmelt.
Kein Christmasmob wogt, kein Schwitzgedränge
Kein Kampf in wütender Kaufrauschmenge
Keine Kassenschlange, kein Bratapfelduft:
Nur echte Sterne und Meeresluft.
Einmal im Jahr eine stille Nacht
lamettafrei am Meer verbracht
welch schöner Traum, welch köstliches Ziel,
nur liegt es so fern. Und kostet so viel.
Wenn auch nur im Traum
(von Christoph Löhr)
Ach, was muss man doch von bösen
Menschen hören oder lesen,
die, statt den Heiland zu lobpreisen,
lieber in die Ferne reisen.
Sie packen ihre sieben Sachen,
um sich flott davon zu machen.
Goodbye Krippe, tschüss Ihr Stollen,
weil sie Richtung Süden wollen.
Im Grunde kann man’s nachvollzieh’n,
warum sie all dem Mist entflieh’n.
Heilig Abend? Einheitsbrei!
Weiße Weihnacht? Längst vorbei!
Schnee gab’s lang nicht mehr zu sehen.
Ja, man kann sie schon verstehen.
Noch ein kurzer Blick zurück.
Aus dem Trubel rein ins Glück.
Wenn es denn so einfach wär.
Doch Urlaub von Weihnacht: bloße Mär.
Gelandet, dann Taxi, dann eingecheckt,
und kurz darauf hab’n sie entdeckt.
Auch hier spielt man ganz laut und munter
die Weihnachtscharts rauf und wieder runter.
Wham und Chris Rea, Feliz Navidad,
grad diese Mucke hatten sie doch so satt.
Es gibt Kokos statt Wal, doch Nuss bleibt Nuss.
Lametta ist wohl auch in Kakteen ein Muss.
Der Robinson-Club der Weihnachtsverächter?
Nach längstens zwei Tagen nur irres Gelächter.
Und ungefähr dann steht das Fazit der Reise:
Anderswo ist’s nur anders Scheiße.
Ene mene mürick, hier kommt Lyrik.
Wunderbar, jetzt kann Weihnachten kommen. Velen Dank für diesen schmackhaften Dominostein in Versform.…
Ach so: Ich bleib da (zumindest bis Weihnachten).…