Zuschuss streichen, Vertrag kündigen, Mietvertrag nicht verlängern: Im Mai 2015 beschloss der Rat der Stadt Bonn faktisch das Ende der hiesigen Dependance des Deutschen Museums. Wie ist es zwölf Monate später um das Haus in der Ahrstraße bestellt? Hat es eventuell doch eine Zukunft?
Es klingt fast wie eine technische Sensation: Wenn es nach dem Willen der Bonner Stadträte geht, wird im kommenden Jahr wirklich ein Transrapid durch deutsche Lande fahren. Hierzulande entwickelt, hat die Magnetschwebebahn außerhalb von Shanghai nie irgendeine Form von Regelbetrieb aufgenommen. Zugegebenermaßen bliebe das auch künftig so. Die 2017er-Fahrt würde ein ebenso einmaliges wie kostspieliges Vergnügen werden, das der Transrapid nicht einmal aus eigener Kraft bewältigen könnte. Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die vermeintliche Sensation also als handfeste Enttäuschung – nicht zuletzt für den Wissenschaftsstandort Bonn.
Denn wenn sich die Bahn tatsächlich auf den Weg machte, wäre das Aus des Deutschen Museums Bonn (DMB) besiegelt. Mit dem Wahrzeichen und größten Ausstellungsstück des Hauses würden auch alle übrigen Exponate ins Mutterhaus nach München geschafft werden. Und während die Rechnung für diesen Mammut-Transport ins Bonner Rathaus flatterte, würde die Museumsmeile auf Museums-500-Yards zusammenschrumpfen und das naturwissenschaftlich-technische Puzzleteil ihres Ausstellungsverbundes verlieren. Wer je auf der Suche nach einer klassischen Lose-Lose-Situation war: Bitteschön.
Konstruktive Auseinandersetzung
Im Museum selbst ist nichts zu spüren vom Damoklesschwert Schließung, das über dem Haus schwebt. Vor wenigen Wochen erst ist der Ausstellungsbereich Atom- und Teilchenphysik neu gestaltet worden. Kurz darauf wurde im DMB der Start von »Technik schafft Zukunft!« gefeiert, einer Kooperation mit dem Verband der Elektrotechnik, dem Verein Deutscher Ingenieure und dem Förderverein für Bildung und Innovation im Rheinland.
Zudem befinden sich die Vorbereitungen einer Leonardo-da-Vinci-Ausstellung in der heißen Finalphase. Klarer Fall von »Business as usual«? »Wir führen fort, was wir bereits begonnen haben, und das ist nicht wenig«, betont Leiterin Andrea Niehaus. Doch im letzten Jahr ist ein unerfreulicher Punkt auf der To-Do-Liste hinzugekommen: die Auseinandersetzung mit der drohenden Schließung.
Statt großem Lamento oder protestierender Verweigerungshaltung haben sich die Menschen des DMB für konstruktiveren Weg entschieden. Andrea Niehaus: »Wir führen ständig Gespräche und Verhandlungen mit Beteiligten und möglichen Unterstützern. Etliche lose Enden halten wir mittlerweile in Händen, die es nun möglichst zeitnah miteinander zu verknüpfen gilt.« Die Hoffnung auf einen Erhalt ihres Hauses haben sie und ihre Mitarbeiter längst noch nicht fahren lassen.
Wie so oft im Kultur- und Bildungsbereich braucht es finanzielle Mittel. Im Lauf der Monate hat sich ein Förderverein zusammengefunden, der seine Mittel allerdings nur projektbezogen einsetzen kann. Für das große Ganze, die Förderung des grundsätzlichen Museumsbetriebs kommt derweil nur die öffentliche Hand in Frage. Und die ginge ohnehin nicht völlig unbelastet aus der Schließung des Museums heraus.
Neben den Kosten für den Transport der Exponate nach München müsste die Stadt Bonn gemäß einer vertraglichen Regelung auch für die Personalkosten für die drei Planstellen des Hauses aufkommen. Kostenpunkt: rund 300.000 Euro pro Jahr. Aktuell schießt die Stadt rund 830.000 Euro pro Jahr zu. Das Einsparpotenzial gestaltet sich also überschaubarer als auf den ersten Blick gedacht. Irgendwo in diesem Wust aus sechsstelligen Zahlen, so die Hoffnung der DMB-Verantwortlichen, muss sich doch eine Lösung finden lassen, eine Möglichkeit weiterzubestehen.
Signale bis zum Sommer
Gerade für die Kinder und Jugendlichen Bonns und der Region wäre das ein riesiger Gewinn. Sie machen seit jeher etwa die Hälfte der Besucherschaft im DMB aus. Hier werden ihnen die schwierigen MINT-Fächer schmackhaft gemacht. Seit die Schließungspläne im vergangenen Jahr publik wurden, melden sich immer wieder hochrangige, teils international mit Preisen dekorierte Wissenschaftler, Unternehmer, Bildungspolitiker und Journalisten wie Ranga Yogeshwar zu Wort. Manche von ihnen sind schon als Kinder im Deutschen Museum gewesen, haben hier Feuer gefangen für Technik und Naturwissenschaften.
»Als Teil eines der größten Technikmuseen weltweit sind wir ein Pfund, mit dem die Wissenschaftsregion Bonn wuchern könnte.«
Andrea Niehaus
So unschön der Anlass für derlei Wortmeldungen ist, so sehr freuen sich Andrea Niehaus und die Belegschaft des DMB über sie und alle anderen Solidaritätsadressen, nehmen sie als Motivation und Ansporn für die Lösungssuche. Das in der Bevölkerung kursierende Unverständnis über die geplante Einsparung ausgerechnet bei der Bildung malt für sie ein dickes Ausrufezeichen hinter den Stellenwert ihres Museums.
»Nicht nur für Schulen sind wir ein wichtiger Baustein in der naturwissenschaftlich-technischen Bildung. Schließlich agieren wir auch im Dreiklang mit Universität und Forschungseinrichtungen. Und als Teil eines der größten Technikmuseen weltweit mit einzigartigen und häufig nobelpreisprämierten Exponaten sind wir ein Pfund, mit dem die Wissenschaftsregion Bonn wuchern könnte.«
Dafür bräuchte es aber recht bald erste Knoten in den losen Enden. Im Juni startet mit insgesamt 25 Modellen eine interaktive Ausstellung zum Wirken da Vincis. Ab Herbst reiht sich das DMB in die Aktivitäten zum Wissenschaftsjahr 2016 ein. Die entsprechende Ausstellung zur Meeresforschung läuft bis ins Frühjahr 2017 hinein. Und dann? Andrea Niehaus: »Weiter können und wollen wir aktuell nicht planen. Um folgende Ausstellungen im gewohnten Rahmen vorbereiten zu können, bräuchten wir spätestens im Sommer erste Signale. Bleiben diese aus, werden wir unsere Projekte stoppen müssen.« Der Zug wäre dann endgültig abgefahren. Und als nächstes machte sich der Transrapid auf den Weg.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Mai-Ausgabe des Bonner Stadtmagazins Schnüss. Die Fotos wurden mir vom Deutschen Museum Bonn zur Verfügung gestellt.
Am Sonntag, 29. Mai, findet das diesjährige Museumsmeilenfest statt. Auch das Deutsche Museum Bonn beteiligt sich an den Feierlichkeiten.
Hallo, sind die Ausstellungen der Gründerjahre der BRD noch zugänglich ? oder wird noch umgebaut.
In welchem Umfang kann das Museum besichtigt werden?
Mit freundlichem Gruß
Heinz Laws
Hallo Heinz, thematisch klingt das nach dem Haus der Geschichte. Laut dessen Homepage (https://www.hdg.de) wird das Glasdach des Museums noch bis Mitte Dezember erneuert. Inwieweit da Ausstellungen betroffen sind, würde ich mit Ansprechpartnern klären, die zum Haus der Geschichte gehören. Das trifft auf mich leider nicht zu. (für das Deutsche Museum Bonn im Übrigen auch nicht)