Mit Poppy Ackroyd kommt am 23.2. eine Künstlerin in die Bundeskunsthalle, die zu den kommenden großen Namen der Neo-Klassik gehört. In ihren Kompositionen erfindet sie für Piano und Geige bislang nicht gekannte Klangwelten.
Ihre ersten bemerkenswerten Schritte als Musikerin hat Poppy Ackroyd quasi im Verborgenen unternommen – zumindest dem Namen der Formation nach. Bis heute ist sie Teil des Hidden Orchestra, kreiert mit dem Ensemble um den britischen Bassisten Joe Acheson vor allem live musikalische Weiten zwischen moderner Klassik und Elektronik. Wer jedoch über derart viel kreative Energie verfügt wie die in Brighton lebende gebürtige Londonerin, kommt mit »nur« einem Weg nicht aus, diese Energie in Klang zu verwandeln. Folgerichtig pflegt Poppy Ackroyd noch verschiedene andere Kooperationen, komponiert Filmmusik oder untermalt Tanzperformances und Theaterproduktionen mit Musik.
Vor allem aber unterhält sie seit der Veröffentlichung ihres Debüts »Escapement« im Jahr 2012 eine Solo-Karriere, die mit jedem neuen Album an künstlerischer Weite zunimmt. Spätestens mit dem Anfang Februar erschienenen »Resolve« ist sie in die Top-Liga der experimentellen Neo-Klassik vorgestoßen. Getrost darf man sie in einem Atemzug mit Hauschka, Olafur Arnalds oder Nils Frahm nennen.
Komposition als Schichtarbeit
Die vielfältigen Möglichkeiten der Musik hat sie schon in ihrer Kindheit kennengelernt. Daheim in London lief von Bob Dylan bis Schubert, von Chopin bis zu den Rolling Stones ein immer wieder wilder Mix. Ackroyds Interesse war geweckt. Intensivem Unterricht an Klavier und Geige als Teenagerin folgte ein Pianostudium an der University of Edinburgh, nach dessen Ende sie sich dem Hidden Orchestra anschloss. Eine Möglichkeit, eigene Ideen und Vorstellungen umzusetzen, fand sie jedoch vornehmlich im alleinigen Arbeiten. Schon ihre erste Platte überraschte durch ihren absolut eigenständigen Sound und hohen Wiedererkennungswert. Seither hat Poppy Ackroyd den Horizont ihrer Klangwelt immer weiter geöffnet, ohne die Eigenständigkeit zu verwässern.
Was ihre Art zu komponieren angeht, ist die Britin eine sehr besondere Sorte von Schichtarbeiterin. Mittels elektronischer Dopplung und Overdubs lagert sie Klang auf Klang. Diese Klänge selbst wiederum stellt sie vornehmlich auf eben Piano und Geige her. Und das mit einer immensen Experimentierfreude. Am Ende fungieren ihre beiden Vorzeigeinstrumente (neben Spinett und Harmonium) ebenso als melodiegebende Instrumente, wie als Rhythmuswerkzeuge.
Plektren, Drumsticks, die aus der Box zurückschlagende Schwingung: Mit allem, was zweckmäßig erscheint, bearbeitet und manipuliert Poppy Ackroyd Saiten oder Korpus, lässt den dabei entstehenden Klang verfremden, durch Loops laufen oder mit anderen, bereits kreisenden Sounds ein Wechselspiel eingehen. Schicht auf Schicht auf Schicht entsteht so der Ackroydsche Trademark-Klang.
Wortlose Erzählgewalt
Erstaunlich eingängig ist das, was sie auf diesem Wege kreiert. Bei allem analogen und elektronischen Basteln steht letztlich doch die Vermittelbarkeit der Musik im Fokus. Und live dann auch ein wenig das Verwöhnen des Auges. Bei ihren Konzerten lässt Ackroyd ihre Musik häufig von Installationen des Lichtkünstlers Tom Newell optisch verstärken.
Im Zusammenspiel zwischen den Klangwelten Ackroyds und dem Lichterspiel Newells, der unter dem Künstlernamen Lumen firmiert, entwickelt sich eine immense Erzählgewalt, die völlig ohne Worte auskommt und wie ein Tor zu einer anderen Dimension funktioniert. Wer sich darauf einlässt, kann sich komplett einsaugen lassen und zumindest für die Dauer eines Konzerts dem Stress entkommen. Ende Februar böte sich dafür auch in Bonn die Gelegenheit. Am 23. Februar ist Poppy Ackroyd zu Gast in der Bundeskunsthalle.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Februarausgabe des Bonner Stadtmagazins Schnüss. Das Foto von Poppy Ackroyd entstammt dem Pressematerial zur Veröffentlichung ihres aktuellen Albums.