Seit mittlerweile sechs Tagen kehre ich gedanklich immer wieder zum vergangenen Donnerstag zurück. Mehr als zwei Stunden lang bin ich an diesem Abend auf einem gefühlten Klassentreffen mit einem Saal voller Freund:innen, Bekannter und gleichgesinnten Fremden durch das letzte Vierteljahrhundert gereist. Durch einen wichtigen Teil meines Lebens. Und der Stimmung im rappelvollen Gloria zufolge, nicht nur meines Lebens. Zusammen mit den Leuten auf der Bühne haben wir alle gesungen, getanzt, gelacht und … ja, auch geweint.
Aachen, Alter!
Die Leute auf der Bühne, das war die Band Pale aus meiner Heimatstadt Aachen. Irgendwann Mitte der Neunziger habe ich die Jungens kennengelernt. Etliche Male habe ich sie ab 1996 live gesehen. Ich war nach dem Bekanntwerden der Bandtrennung beim letzten Konzert 2009 im Aachener Jakobshof und auch beim allerletzten Auftritt 2012 auf der Burg Wilhelmstein.
Und auch wenn Pale nicht gerade tourte, standen wir in Kontakt. Eine Zeit lang hat sich »meine« Band mit ihnen einen Proberaum geteilt. Wir haben zusammen der Alemannia die Daumen gedrückt, haben selbst regelmäßig Bolzplätze in und um Aachen zerpflügt oder uns an der Carrera-Bahn gegenseitig aus der Kurve geballert.
Schon immer hat mich eine interessante emotionale Mischung mit Pale verbunden: Die Band habe ich als Fan betrachtet, mit Platten und T‑Shirts kaufen, Lieder mitsingen und allem Pipapo. Sicher auch unterfüttert durch den Stolz eines ansonsten eher selten lokalpatriotischen Öcher Jongs. Für ihre Mitglieder empfand und empfinde ich vor allem Freundschaft. Dass mit Christian im Mai 2021 eines dieser Mitglieder verstorben ist, hat mir einen schweren Schlag versetzt. In den Wochen und Monaten vor seinem Tod haben die anderen Bandmitglieder so viel Zeit mit ihm verbracht, wie nur möglich war.
»The Night, The Dawn And What Remains«
Sie haben sogar wieder gemeinsam Musik gemacht. Die damals entstandenen Aufnahmen bildeten das Fundament für das Album »The Night, The Dawn And What Remains«, das im vergangenen Herbst erschienen ist. Das Konzert am vergangenen Donnerstag war dann eine größtmögliche Party in Erinnerung an Christian.
Und wie groß die geworden ist. Mit etlichen Gästen auf der Bühne. Höhepunkt dabei war sicherlich Spandau-Ballet-Saxophonist Steve Norman, der mit »Gold« den Riesenhit seiner Band mitgebracht hatte. Vor meinem inneren Auge habe ich Christian sein schelmischstes Grinsen grinsen gesehen. Er liebte diesen Song. Und nicht weniger liebte er es, wenn derart abstruse Coups gelangen, wie der Auftritt Steve Normans nunmal einer war. Ich war bei weitem nicht der einzige, der dämlich aus der Wäsche geguckt hat, als der Mann tatsächlich die Bühne betrat.
All killer, no filler
Mal mit, mal ohne Stargäste ging es zwei Stunden und 15 Minuten lang quer durchs Pale-Plattenregal. 27 Songs umfasste die Setlist. Alle Hits waren dabei. Und folgerichtig auch etliche meiner Lieblingslieder wie etwa dieses 25 Jahre alte Schätzchen:
Ruhige Töne gab es auch, etwa die Passage, die Sänger Holger allein mit Pianist Jonas bestritt. Und auch Kloß-im-Hals-Momente waren dabei. »Bigger Than Life« – der Song des Albums, der Christian gewidmet ist – wurde mit einer Videoprojektion voller Christian-Momente untermalt. Holgers in manchen Ansagen kippende Stimme zeigte, wie nah ihm das alles ging. Natürlich. Wie unglaublich stark, dass die sonstige Rampensau dennoch nie ins überbordend Pathetische rutschte. Stattdessen blieb er immer der fast stille Vermittler zwischen Publikum und dem Seelenleben der Band.
Für mich waren es ohnehin die eher leisen Dinge und Zwischentöne, die von der behutsamen und respektvollen Erinnerungskultur zeugten, die Pale für den verstorbenen Freund pflegt. Während des gesamten Auftritts stand Christians blaue, halbakustische Gitarre auf der Bühne, ohne gespielt zu werden. Christians markante Background-Gesangsparts und für Pale typische Spoken-Words-Einsprengsel wurden nicht ersetzt. Stattdessen unterstrich die Stille in diesen Songmomenten, dass hier einer fehlt. Die Lieder, bei denen er den Hauptpart gesungen hatte, wurden auf mehrere Gastmusiker verteilt. Seine Gitarrenlinien übernahm mit Philip und Peter ein sich abwechselndes Duo. Keine Frage: Das Vakuum, das Christian hinterlassen hatte, konnte und sollte keine Einzelperson füllen.
Goodbye, lucky thing
Zum Abschluss des üppigen Zugabenteils gab es dann noch einmal ordentlich Viva 2 erprobtes Uptempo: Mit »Teenage Heaven« und »Goodbye Trouble« zogen die beiden vermeintlich größten Erfolge Pales einen Strich unter das aller-allerletzte Konzert. Der Rest war eine Mischung aus Jubel und Traurigkeit, aus Umarmung und ewig langen Ovationen. Diese Band hat sehr vielen Menschen eine ganze Menge bedeutet. Wir bleiben Hilly Ultras 4 life!
Einmal mehr Danke, Pale. Dieser Abend wird für immer hängenbleiben.
Das eingebettete Video habe ich nicht selbst aufgenommen, sondern bei YouTube entdeckt. Auf dem zugehörigen Kanal gibt es noch weitere Lieder dieses Abends. Auch von der »Vorgruppe« Thees Uhlmann und Markus Wiebusch.
it’s me.
it’s you.
on a perfect scene.
Danke!
I … would only add … some music to it.
It’s so good to be back home…
#thereisnobettertimethannow