A night, a lifetime

Pale live im Kölner Gloria am 2.3.2023

Seit mitt­ler­wei­le sechs Tagen keh­re ich gedank­lich immer wie­der zum ver­gan­ge­nen Don­ners­tag zurück. Mehr als zwei Stun­den lang bin ich an die­sem Abend auf einem gefühl­ten Klas­sen­tref­fen mit einem Saal vol­ler Freund:innen, Bekann­ter und gleich­ge­sinn­ten Frem­den durch das letz­te Vier­tel­jahr­hun­dert gereist. Durch einen wich­ti­gen Teil mei­nes Lebens. Und der Stim­mung im rap­pel­vol­len Glo­ria zufol­ge, nicht nur mei­nes Lebens. Zusam­men mit den Leu­ten auf der Büh­ne haben wir alle gesun­gen, getanzt, gelacht und … ja, auch geweint.

Aachen, Alter!

Die Leu­te auf der Büh­ne, das war die Band Pale aus mei­ner Hei­mat­stadt Aachen. Irgend­wann Mit­te der Neun­zi­ger habe ich die Jun­gens ken­nen­ge­lernt. Etli­che Male habe ich sie ab 1996 live gese­hen. Ich war nach dem Bekannt­wer­den der Band­tren­nung beim letz­ten Kon­zert 2009 im Aache­ner Jakobs­hof und auch beim aller­letz­ten Auf­tritt 2012 auf der Burg Wilhelmstein.

Und auch wenn Pale nicht gera­de tour­te, stan­den wir in Kon­takt. Eine Zeit lang hat sich »mei­ne« Band mit ihnen einen Pro­be­raum geteilt. Wir haben zusam­men der Ale­man­nia die Dau­men gedrückt, haben selbst regel­mä­ßig Bolz­plät­ze in und um Aachen zer­pflügt oder uns an der Car­rera-Bahn gegen­sei­tig aus der Kur­ve geballert.

Schon immer hat mich eine inter­es­san­te emo­tio­na­le Mischung mit Pale ver­bun­den: Die Band habe ich als Fan betrach­tet, mit Plat­ten und T‑Shirts kau­fen, Lie­der mit­sin­gen und allem Pipa­po. Sicher auch unter­füt­tert durch den Stolz eines ansons­ten eher sel­ten lokal­pa­trio­ti­schen Öcher Jongs. Für ihre Mit­glie­der emp­fand und emp­fin­de ich vor allem Freund­schaft. Dass mit Chris­ti­an im Mai 2021 eines die­ser Mit­glie­der ver­stor­ben ist, hat mir einen schwe­ren Schlag ver­setzt. In den Wochen und Mona­ten vor sei­nem Tod haben die ande­ren Band­mit­glie­der so viel Zeit mit ihm ver­bracht, wie nur mög­lich war.

»The Night, The Dawn And What Remains«

Sie haben sogar wie­der gemein­sam Musik gemacht. Die damals ent­stan­de­nen Auf­nah­men bil­de­ten das Fun­da­ment für das Album »The Night, The Dawn And What Remains«, das im ver­gan­ge­nen Herbst erschie­nen ist. Das Kon­zert am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag war dann eine größt­mög­li­che Par­ty in Erin­ne­rung an Christian.

Und wie groß die gewor­den ist. Mit etli­chen Gäs­ten auf der Büh­ne. Höhe­punkt dabei war sicher­lich Span­dau-Bal­let-Saxo­pho­nist Ste­ve Nor­man, der mit »Gold« den Rie­sen­hit sei­ner Band mit­ge­bracht hat­te. Vor mei­nem inne­ren Auge habe ich Chris­ti­an sein schel­mischs­tes Grin­sen grin­sen gese­hen. Er lieb­te die­sen Song. Und nicht weni­ger lieb­te er es, wenn der­art abstru­se Coups gelan­gen, wie der Auf­tritt Ste­ve Norm­ans nun­mal einer war. Ich war bei wei­tem nicht der ein­zi­ge, der däm­lich aus der Wäsche geguckt hat, als der Mann tat­säch­lich die Büh­ne betrat.

All killer, no filler

Mal mit, mal ohne Star­gäs­te ging es zwei Stun­den und 15 Minu­ten lang quer durchs Pale-Plat­ten­re­gal. 27 Songs umfass­te die Set­list. Alle Hits waren dabei. Und fol­ge­rich­tig auch etli­che mei­ner Lieb­lings­lie­der wie etwa die­ses 25 Jah­re alte Schätzchen:

Pale – Six shi­ning Minu­tes at the Air­port – Glo­ria – Köln – 02.03.2023
Direk­ter Link: https://www.youtube.com/watch?v=ervm0N2gJGw
(Video: grzmz)

Ruhi­ge Töne gab es auch, etwa die Pas­sa­ge, die Sän­ger Hol­ger allein mit Pia­nist Jonas bestritt. Und auch Kloß-im-Hals-Momen­te waren dabei. »Big­ger Than Life« – der Song des Albums, der Chris­ti­an gewid­met ist – wur­de mit einer Video­pro­jek­ti­on vol­ler Chris­ti­an-Momen­te unter­malt. Hol­gers in man­chen Ansa­gen kip­pen­de Stim­me zeig­te, wie nah ihm das alles ging. Natür­lich. Wie unglaub­lich stark, dass die sons­ti­ge Ram­pen­sau den­noch nie ins über­bor­dend Pathe­ti­sche rutsch­te. Statt­des­sen blieb er immer der fast stil­le Ver­mitt­ler zwi­schen Publi­kum und dem See­len­le­ben der Band.

Für mich waren es ohne­hin die eher lei­sen Din­ge und Zwi­schen­tö­ne, die von der behut­sa­men und respekt­vol­len Erin­ne­rungs­kul­tur zeug­ten, die Pale für den ver­stor­be­nen Freund pflegt. Wäh­rend des gesam­ten Auf­tritts stand Chris­ti­ans blaue, halba­kus­ti­sche Gitar­re auf der Büh­ne, ohne gespielt zu wer­den. Chris­ti­ans mar­kan­te Back­ground-Gesangs­parts und für Pale typi­sche Spo­ken-Words-Ein­spreng­sel wur­den nicht ersetzt. Statt­des­sen unter­strich die Stil­le in die­sen Song­mo­men­ten, dass hier einer fehlt. Die Lie­der, bei denen er den Haupt­part gesun­gen hat­te, wur­den auf meh­re­re Gast­mu­si­ker ver­teilt. Sei­ne Gitar­ren­li­ni­en über­nahm mit Phil­ip und Peter ein sich abwech­seln­des Duo. Kei­ne Fra­ge: Das Vaku­um, das Chris­ti­an hin­ter­las­sen hat­te, konn­te und soll­te kei­ne Ein­zel­per­son füllen.

Goodbye, lucky thing

Zum Abschluss des üppi­gen Zuga­ben­teils gab es dann noch ein­mal ordent­lich Viva 2 erprob­tes Upt­em­po: Mit »Teenage Hea­ven« und »Good­bye Trou­ble« zogen die bei­den ver­meint­lich größ­ten Erfol­ge Pales einen Strich unter das aller-aller­letz­te Kon­zert. Der Rest war eine Mischung aus Jubel und Trau­rig­keit, aus Umar­mung und ewig lan­gen Ova­tio­nen. Die­se Band hat sehr vie­len Men­schen eine gan­ze Men­ge bedeu­tet. Wir blei­ben Hil­ly Ultras 4 life!

Pale live im Kölner Gloria am 2.3.2023

Ein­mal mehr Dan­ke, Pale. Die­ser Abend wird für immer hängenbleiben.

Das ein­ge­bet­te­te Video habe ich nicht selbst auf­ge­nom­men, son­dern bei You­Tube ent­deckt. Auf dem zuge­hö­ri­gen Kanal gibt es noch wei­te­re Lie­der die­ses Abends. Auch von der »Vor­grup­pe« Thees Uhl­mann und Mar­kus Wiebusch.

4 Kommentare zu “A night, a lifetime”

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