Seit dem Frühjahr ist Andreas Beitin Direktor des Ludwig Forums. »Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA« ist die erste Ausstellung, die er in dieser Funktion kuratiert. Ein kurzes Gespräch zum Start.
Herr Beitin, spüren Sie so etwas wie Lampenfieber?
»Total! Es ist immer besonders aufregend, in einem noch etwas ungewohnten Rahmen eine Ausstellung zu organisieren. Aber ich freue mich sehr auf die Herausforderung. Und ich habe ein tolles und engagiertes Team, das mich wunderbar unterstützt.«
Eine Ausstellung in der Schwebe zwischen Kunst und Architektur, mit zahlreichen Leihgaben aus einem der bedeutendsten Museen der Welt und mit einem lokalen Helden als Protagonisten: Umgangssprachlich nennt man das wohl einen Knallerstart, oder?
»Ja, das ist wirklich ein super Start und es ist mir eine große Freude, so eine ambitionierte Ausstellung, die ja noch von Frau Dr. Franzen initiiert worden ist, zusammen mit meinem Team umzusetzen und ihr meinen eigenen Akzent zu geben. Ich bin davon überzeugt, dass sie ein großer Erfolg wird und sie den Aachenern und allen anderen Besuchern sehr gefallen wird.«
Nach dem Start geht es ja weiter. Was kann Aachen von der »Ära Beitin« erwarten?
»Nun ja, es wird politischer werden im Ludwig Forum. Das ist aber kein Grund zur Sorge, dass es hier keine Kunst zu sehen gibt! Unter der weitgehenden Einbeziehung der Sammlung von Peter und Irene Ludwig möchte ich Themen und künstlerische Positionen vorstellen, die sich mit den heutigen gesellschaftlichen, wirtschaftlichen oder ökologischen Herausforderungen auseinandersetzen. Ich meine, dass ein weitgehend öffentlich finanziertes Museum Stellung beziehen sollte in dieser zunehmend komplexer werdenden Welt, die ja viele Menschen verunsichert. Es soll auch weiterhin ›schöne‹ Ausstellungen geben, in die man gerne geht, in der aber ein hoher Grad an Erkenntnis und auch Wissen über die Welt vermittelt werden soll. Die Kunst der Gegenwart ist dazu hervorragend in der Lage.«
Wie werden Sie den seit jeher mit dem Haus verbundenen Forumsgedanken mit Leben füllen?
Zwischen 2004 und 2015 war Andreas Beitin in verschiedenen wissenschaftlichen und kuratorischen Postionen am ZKM Karlsruhe tätig, ab 2010 als dessen Leiter.
»Indem hier weiterhin viele unterschiedliche Veranstaltungen stattfinden werden, sowohl oben in der Halle als auch unten im Space. Es ist doch eine fantastische Möglichkeit, diese für ein Museum besonderen Ausstattungsmerkmale zu nutzen. Aber auch im Hof und im Park werden weiterhin diverse Events stattfinden, die Besucher aller Altersgruppen ansprechen. Der Sommer hat ja schon gezeigt, wie lebendig das Ludwig Forum ist. Denken Sie an das ›across the borders‹-Festival, das ›Kimiko‹-Musikfestival mit über 5.000 Besuchern oder auch das partizipative Sozialprojekt ›Ahoi 3‹, bei dem Kinder und Jugendliche ein temporäres Restaurant betrieben haben. Im Herbst wird es im Forum zahlreiche Vorträge geben, ein Dada-Festival und viele andere Events im Rahmen unserer Mies-van-der-Rohe-Ausstellung. Es lohnt sich also immer mehr, ins Ludwig Forum zu kommen!«
Welche Rolle spielt für Sie dabei junges Publikum? Welche Angebote möchten Sie ihm unterbreiten?
»Eine große! Es wird beispielsweise im Frühjahr eine Ausstellung mit Computer-Kunst geben, in der künstlerische Computerspiele präsentiert werden. Im zweiten Obergeschoss zeige ich ab Januar Produkte der Designmetropole Aachen. Dann folgt eine Foto-Ausstellung mit dem Berliner Künstler Armin Linke, der Orte der Globalisierung zeigt. Dazu kommt ja noch das unglaublich weitreichende und wirklich hervorragend aufgestellte Programm unserer Museumsvermittlung. Ich meine, das sind alles gute Gründe auch für junge Leute, ins Ludwig Forum zu kommen.«
Die Politik hält dem Ludwig Forum seine Zuschauerzahlen immer wieder als steigerungsfähig vor. Inwieweit setzt Sie diese Erwartungshaltung schon auf den ersten Metern unter Druck?
»Bei den Besucherzahlen ist wirklich noch Luft nach oben, da gibt es nichts zu beschönigen. Ich habe bereits zahlreiche Schritte unternommen, das Ludwig Forum in der Stadt präsenter zu machen. Die auswärtigen Besucher werden jetzt bereits im Bahnhof von einem vier Meter hohen Leuchtkasten empfangen, der für das LuFo Werbung macht. Demnächst fährt für ein Jahr lang ein Bus der ASEAG permanent mit Werbung des Ludwig Forums in der Stadt herum. Wir produzieren für jede größere Ausstellung ein Video, das im Netz angesehen werden kann und auf die Ausstellungen neugierig machen soll, und so weiter und so weiter. Wenn die Politik aber mehr Besucherzahlen möchte, erwarte ich auch, dass sie sich mehr für das Haus engagiert. Ich versuche mein Bestes zu geben, und vieles läuft auch schon sehr gut, aber letztlich ist alles eine Frage der finanziellen Mittel. Und das ist dann die Sache der Stadt und ihres Engagements.«
Die Mies-van-der-Rohe-Ausstellung und das Rahmenprogramm wird unter Einbeziehung der RWTH, der Mies Initiative Aachen und des Mies van der Rohe Vereins realisiert. Wie wichtig sind derlei Netzwerke für Ihre Arbeit?
»Sehr wichtig, unbedingt. Es wäre ja auch verrückt, wenn ich nicht auf die in der Stadt vorhandene Kompetenz zurückgreifen und diese kooperativ mit einbeziehen würde. Ich bin davon überzeugt, dass von Kooperationen alle nur profitieren können. Die genannten Institutionen unterstützen uns wunderbar bei dem umfangreichen Rahmenprogramm zur Ausstellung und den beiden hochkarätig besetzen Symposien, die wir durchführen werden. Ich könnte noch eine lange Liste anführen von weiteren Personen und Institutionen, die uns ebenfalls mit Beiträgen zu unserer Ausstellung unterstützen.«
Werden Sie Ihre Netzwerkfäden auch jenseits der Grenzen im Dreiländereck auswerfen?
»Netzwerke vor Ort und in der Region zu nutzen ist sehr wichtig, aber natürlich nicht alles. Ich bringe auch ein großes Netzwerk zu zahlreichen nationalen und internationalen Museen und Institutionen mit, die ich für kommende Ausstellungen nutzen werde. So sind jetzt schon Kooperationen mit Museen in München, Budapest und den USA fest eingeplant.«
Sie sind seit dem Frühjahr hier. Haben Sie überhaupt schon die Zeit gefunden, sich mit Aachen und seiner Umgebung anzufreunden?
»Ehrlich gesagt, noch nicht so sehr viel. Ich war davon ausgegangen, dass der Juli und August etwas ruhiger werden würden, so dass ich mehr von Aachen und der Region sehen kann. Aber das war leider ein Irrtum, denn der Sommer war noch arbeitsintensiver … aber mir bleibt dazu ja noch viel Zeit. Das was ich von Aachen und der Umgebung bereits kennengelernt habe, gefällt mir auf jeden Fall sehr gut und ich fühle mich wirklich wohl hier.«
Was wünschen Sie sich für den Ausstellungsstart?
»Natürlich ganz viele begeisterte Besucher, ein sensationelles Presse-Echo und ein positives Feedback aus der Stadt.«
Eine gekürzte Fassung dieses Interviews wurde in der Aachener Stadtzeitung »NEO« veröffentlicht. Die Bilder wurden mir von der Pressestelle des Ludwig Forums, respektive von Herrn Beitin selbst zur Verfügung gestellt.