»Mies van der Rohe«-Ausstellung im Ludwig Forum: Zusammengeworfene Visionen im virtuellen Raum

Mies van der Rohe: Museum for a small city 1942-43, Copyright 2016 MoMA New York/Scala Florence
Mies van der Rohe: Museum for a small city,1942-43, Bildrechte: 2016 MoMA New York/Scala Florence

Mehr als nur Ent­wurfs­skiz­zen eines gro­ßen Archi­tek­ten: Das Lud­wig Forum zeigt ab dem 27. Okto­ber die Col­la­gen Mies van der Rohes als äußerst eigen­stän­di­ge Kunstobjekte.

Ein mäch­ti­ger Stein­so­ckel ragt vom Fel­sen in Rich­tung Rhein. Auf sei­nem Buckel führt ein von Rie­sen­pfei­lern gesäum­ter Frei­gang zum Inne­ren eines stei­ner­nen Halb­krei­ses, in dem ein Denk­mal steht. Lud­wig und sein älte­rer Bru­der Ewald waren sich einig: »So soll es aus­se­hen, das Bis­marck-Natio­nal-Denk­mal in Bin­ger­brück.« Als Col­la­ge reich­ten die bei­den ihren Bei­trag zum Wett­be­werb um die Gestal­tung des Jahr­hun­dert-Monu­ments ein. Und wähl­ten somit eine Tech­nik zur Dar­stel­lung ihres Ent­wurfs, die in jenen Tagen zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts mas­siv an Bedeu­tung gewann.

Spä­ter soll­te der jün­ge­re der bei­den Brü­der zu einem der bedeu­tends­ten Archi­tek­ten eben jenes Jahr­hun­derts her­an­rei­fen. Und wäh­rend sei­ner gesam­ten Schaf­fens­zeit blieb Lud­wig Mies van der Rohe der Col­la­ge als Medi­um treu, um sei­ne Ideen und Visio­nen vom Neu­en Bau­en bild­lich fass­bar zu machen.

Ludwig Mies van der Rohe in seiner Wohnung, Chicago 1964, Foto: Werner Blaser
Lud­wig Mies van der Rohe in sei­ner Woh­nung, Chi­ca­go 1964, Foto: Wer­ner Blaser

Sei­nen 130. Geburts­tag hät­te der gebür­ti­ge Aache­ner im ver­gan­ge­nen Früh­jahr gefei­ert. Pas­sen­der­wei­se beschäf­tigt sich im Jubi­lä­ums­jahr erst­mals eine Aus­stel­lung mit sei­nen Col­la­gen. Sogar dop­pelt pas­send, fin­det die­se Aus­stel­lung doch aus­ge­rech­net in sei­ner Hei­mat­stadt statt. Genau­er: im Lud­wig Forum für Inter­na­tio­na­le Kunst. Chro­no­lo­gisch fol­gen die gezeig­ten Expo­na­te dem Schaf­fen Mies van der Rohes, span­nen dabei einen Bogen von eben jenem Bis­marck-Denk­mal-Ent­wurf aus dem Jahr 1910 über sei­ne Zeit in den USA ab 1938 bis in die Spät­pha­se sei­ner Tätig­keit in den 1960er Jahren.

Nachvollziehbare Gestaltungsprinzipien

Und apro­pos USA: Von dort stam­men die gezeig­ten Col­la­gen. Das Muse­um of Modern Art in Man­hat­tan betei­ligt sich als Leih­ge­ber an der Aus­rich­tung die­ser Aus­stel­lung. Dem­entspre­chend auch deren Titel: »Mies van der Rohe. Die Col­la­gen aus dem MoMA«.

 Mies van der Rohe: Convention Hall, Chicago 1952-54, Bildrechte: 2016 MoMA New York/Scala Florence

Mies van der Rohe: Con­ven­ti­on Hall Chi­ca­go Illi­nois 1952–54, Bild­rech­te: 2016 MoMA New York/​Scala Florence

Auf fas­zi­nie­ren­de Art machen die gezeig­ten Col­la­gen und Foto­mon­ta­gen die Gestal­tungs­prin­zi­pi­en des Archi­tek­tur-Avant­gar­dis­ten nach­voll­zieh­bar. Wie den Krea­ti­ven im Schaf­fens­pro­zess die Inspi­ra­ti­on aus allen Rich­tun­gen anspringt, hat Mies van der Rohe ver­schie­de­ne Mate­ria­li­en zusam­men­ge­tra­gen, um sei­ne Visi­on per­spek­ti­visch frei in den vir­tu­el­len Raum zu werfen.

In jeder Col­la­ge ver­wen­de­te er etwa Wer­ke befreun­de­ter oder bewun­der­ter Künst­ler, was die Mon­ta­gen zu weit mehr macht als Begleit­erschei­nun­gen eines Ent­wurfs­pro­zes­ses. Mies van der Rohes Col­la­gen haben das Zeug zum eigen­stän­di­gen Kunst­ob­jekt, in alle Rich­tun­gen ver­zahnt mit den Strö­mun­gen sei­ner Zeit und in ihrer Wir­kung bis in unse­re Tage hineinreichend.

Konversation zwischen einzelnen Werken

Und so bricht die Aus­stel­lung auch immer wie­der aus ihrer chro­no­lo­gi­schen Anord­nung aus, um Quer­ver­wei­se auf­zu­zei­gen, um Par­al­le­len zu zie­hen oder Kon­ver­sa­tio­nen zwi­schen ein­zel­nen Wer­ken zu ermög­li­chen. Dies geschieht durch das Hin­zu­neh­men von Bil­dern ande­rer Künst­ler, die im direk­ten Kon­text zu den Col­la­gen ste­hen – sei es als Inspi­ra­ti­ons­quel­le Mies van der Rohes oder als Aus­ein­an­der­set­zung mit sei­nem Schaffen.

Mies van der Rohe: Museum for a small city,1942-43, Bildrechte: 2016 MoMA New York/Scala Florence
Mies van der Rohe: Muse­um for a small city,1942–43, Bild­rech­te: 2016 MoMA New York/​Scala Florence

Ins­ge­samt spannt sich so ein wei­tes künst­le­ri­sches Feld auf, in des­sen Mit­tel­punkt der berühm­tes­te Aache­ner Archi­tekt und sei­ne Col­la­gen ste­hen. Den Wett­be­werb um das Bin­ger­brü­cker Bis­marck-Denk­mal haben Lud­wig und Ewald im Übri­gen nicht gewon­nen. Aber auch nicht ver­lo­ren. Wegen des Aus­bruchs des Ers­ten Welt­kriegs wur­de ein Sie­ger nie­mals gekürt und das Monu­ment nie gebaut.

»Mies van der Rohe. Die Col­la­gen aus dem MoMA« fei­ert am 27.10. im Aache­ner Lud­wig Forum Eröff­nung. Die Aus­stel­lung läuft danach bis zum 12. Febru­ar 2017.

Eine gekürz­te Fas­sung die­ses Arti­kels erschien in der Herbst­aus­ga­be der Aache­ner Stadt­zei­tung »NEO«. Die ver­wen­de­ten Bil­der ent­stam­men dem Pres­se­ma­te­ri­al zur Aus­stel­lung. Ent­spre­chen­de Bild­rech­te ste­hen in den Bildunterschriften.

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