Ortsumdeutung in Maastricht: Einst Maloche, heute Kunst

Café Polare Maastricht

Fabrik­ge­län­de, Kir­che, Klos­ter: Auf der Suche nach Raum wird die Kul­tur in Maas­tricht an außer­ge­wöhn­li­chen Orten fün­dig. Ein Rundgang.

Maas­tricht, ein Diens­tag­mit­tag im Früh­ling: Auf dem Gelän­de eines alten Back­stein­ge­bäu­des am west­li­chen Ufer der Maas herrscht geschäf­ti­ges Trei­ben. Gut ein Dut­zend jun­ger Leu­te trägt Gegen­stän­de über den Kies­platz, steckt Bam­bus­roh­re inein­an­der oder schmückt das so ent­ste­hen­de Gerüst mit bun­ten Bän­dern. »Das sind die letz­ten Vor­be­rei­tun­gen für heu­te Abend«, erklärt Ileen Kok. Die jun­ge Frau arbei­tet als Pro­jekt­ko­or­di­na­to­rin im Green Office der Uni­ver­si­tät Maas­tricht. »Dann wird hier mit einem gro­ßen Bar­be­cue das dies­jäh­ri­ge ›WE Fes­ti­val‹ eröffnet.«

Möglichkeiten für Kreative und Künstler

Hier, das ist das Land­bouw­be­lang. Frü­her ein­mal eine Fabrik, hat­te das Gebäu­de lan­ge leer gestan­den, ehe es Haus­be­set­zer vor rund einem Jahr­zehnt in Beschlag nah­men. Von den Behör­den gedul­det, ist seit­her ein Ort ent­stan­den, an dem sich neben kos­ten­lo­sem stu­den­ti­schem Wohn­raum auch zahl­rei­che Mög­lich­kei­ten für Krea­ti­ve und Künst­ler bie­ten. Regel­mä­ßig fin­den hier Aus­stel­lun­gen, Kon­zer­te und Film­vor­füh­run­gen statt. Oder wie an die­sem Tag die Eröff­nung einer mehr­tä­gi­gen, stu­den­tisch gepräg­ten Cross­over-Ver­an­stal­tung mit Live-Musik, Work­shops, Lesun­gen und Vor­trä­gen – eben des »WE Festivals«.

Eine sol­che Umdeu­tung nicht mehr genutz­ten Raums in einen Ort der Kul­tur ist kei­ne Sel­ten­heit in Maas­tricht. Dank der Kunst­aka­de­mie und der Thea­ter­hoch­schu­le schwirrt die Haupt­stadt Lim­burgs nur so vor krea­ti­ver Ener­gie. Und die­se sucht sich über­all in der Stadt ihren Raum. Nicht immer muss dabei die Neu­wid­mung mit Beset­zung ein­her­ge­hen wie beim Land­bouw­be­lang. Eini­ge Hun­dert Meter fluss­ab­wärts fin­den sich am Ost­ufer der Maas Bei­spie­le dafür, dass der­lei Maß­nah­men auch durch die öffent­li­che Hand initi­iert wur­den und werden.

Hier, im Stadt­teil Wyck, haben im Ver­lauf der ver­gan­ge­nen Jahr­zehn­te zahl­rei­che nam­haf­te Archi­tek­ten ihren Teil dazu bei­getra­gen, die Indus­trie­bra­che einer ehe­ma­li­gen Kera­mik­fa­brik kul­tu­rell urbar zu machen. Rund um den Plein 1992 ist so ein ange­sag­tes, gera­de in der war­men Jah­res­zeit leben­dig wim­meln­des Quar­tier ent­stan­den, in des­sen Mit­tel­punkt das Cent­re Céra­mi­que steht, das Kul­tur­zen­trum der Stadt. Die städ­ti­sche Biblio­thek fin­det hier eben­so Platz, wie diver­se, ste­tig wech­seln­de Aus­stel­lun­gen von zeit­ge­nös­si­scher Kunst bis zur Foto­gra­fie. Zwi­schen 2012 und Sep­tem­ber 2013 lie­fen im fünf­ten Stock des Gebäu­des zudem die Fäden der gemein­sa­men Bewer­bung von Maas­tricht und der Eure­gio zur euro­päi­schen Kul­tur­haupt­stadt 2018 zusam­men. Letzt­lich blieb die Bewer­bung lei­der erfolg­los.

Industriell und Klerikal

Einst Malo­che, heu­te Kunst: Auch etwas wei­ter süd­lich, am Ran­de der Stadt, hat die Gemein­de Maas­tricht eine still­ge­leg­te Fabrik ihrer neu­en, nun kul­tu­rel­len Bestim­mung zuge­führt. Gegen­wär­tig bil­det die sei­ner­zeit ers­te nie­der­län­di­sche Zement­fa­brik die pas­sen­de Atmo­sphä­re für das AINSI, einen Ort der krea­ti­ven Begeg­nung mit Ate­liers, Pro­ben­räu­men und einem Thea­ter. Qua­si als Außen­pos­ten des renom­mier­ten Thea­ters aan het Vrij­thof kon­zi­piert, wer­den hier vor allem klei­ne­re, expe­ri­men­tel­le Thea­ter- und Tanz­vor­füh­run­gen gegeben.

Bei der Umdeu­tung von Orten ins Kul­tu­rel­le beschrän­ken sich Maas­tricht und sei­ne Bewoh­ner jedoch nicht auf ehe­ma­li­ge Indus­trie­ge­bäu­de. Auch Ex-Kle­ri­ka­les darf es sein. So beher­bergt die Domi­ni­ka­ner­kir­che zwi­schen Markt und Vrij­thof mit »Pola­re Maas­tricht« (vor­mals »Selexyz Domi­ni­ca­nen«) eine der schöns­ten Buch­hand­lun­gen der Welt. Gleich um die Ecke hat Anfang Mai 2013 ein Muse­um sei­ne Pfor­ten auf einem Gelän­de geöff­net, das frü­her ein Klos­ter war. Wo einst­mals Ursu­li­nen wan­del­ten und bete­ten, gibt es heu­te pas­sen­der­wei­se Kir­chen­kunst und Hei­li­gen­sta­tu­en aus ver­schie­de­nen Epo­chen zu bestaunen.

Und selbst das Bon­ne­fan­ten­mu­se­um, weit über die Stadt­gren­zen Maas­trichts hin­aus bekannt, war frü­her ein­mal ein Klos­ter mit ange­glie­der­tem Wai­sen­haus. Aus »bons enfants«, den guten Kin­dern, wur­de Bon­ne­fan­ten. Dass die­ses Muse­um bereits 1884 gegrün­det wur­de, zeigt, dass die krea­ti­ve Ener­gie in Maas­tricht nicht erst seit ges­tern ihren Raum sucht und findet.

Die­ser Arti­kel ist in der Aus­ga­be 2013/​2014 des »Frei­zeit­gui­de Eure­gio« im Aache­ner print’n’press-Verlag erschie­nen. Bei Inter­es­se fin­den sich wei­te­re Anga­ben zum Frei­zeit­gui­de hier.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Benötigte Felder sind mit einem * markiert …