Einmal Weltall und zurück: Die Ausstellung »Outer Space – Faszination Weltraum« zeigt in der Bundeskunsthalle Kurioses, Überraschendes und Geschichtsträchtiges.
Der Weg hinein ist ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein Klettern, das aber Großes für den einzelnen Menschen birgt. Im Inneren der Kugel herrscht Stille. Nur vereinzelt dringen gedämpfte Stimmen von außen ans Ohr. Das Licht bleibt mit dem Schließen der Klappe hinter dem Besucher zurück – zumindest das Licht des Raumes, in dem die Kugel steht. Sobald sich die Augen an die neue Umgebung gewöhnt haben, werden stattdessen andere Lichter sichtbar. 30.000 Glasfasern malen einen erstaunlich realistischen Sternenhimmel an die gewölbte Innenwand. Von diesen künstlichen Sternen umgeben, kann sich der Mensch in der Kugel für einen Augenblick wie Gagarin fühlen, wie Armstrong oder wie Major Tom. Dieses Erlebnis hinterlässt Spuren in den Gesichtern der Besucher. Selbst Astronaut Reinhold Ewald, der das Weltall in seiner tatsächlichen Schönheit kennengelernt hat, soll beim Verlassen der Kugel leuchtende Augen gehabt haben.
Schlicht und ergreifend »0« heißt diese aus 4.200 Holzstücken gefertigte Installation des in Düsseldorf lebenden Japaners Hiroyuki Masuyama. Sie ist eines der beeindruckendsten Exponate der Ausstellung »Outer Space – Faszination Weltraum«, die seit Anfang Oktober in der Bundeskunsthalle gezeigt wird. In insgesamt zwölf Räumen widmet sich diese Ausstellung den großen Fragen und Träumen der Menschheit: Woher kommen wir? Was bedeutet Unendlichkeit? Sind wir alleine hier? Ist ein Leben auf anderen Planeten denkbar?
Den Anspruch, Antworten auf diese Fragen zu bieten, erheben die beiden Kuratoren Claudia Dichter und Stephan Andreae dabei nicht. Ihre Ausstellung ist vielmehr eine Bestandsaufnahme der menschlichen Auseinandersetzung mit dem Sehnsuchtsort Weltraum, der die Menschen seit jeher umtreibt. In diesem Kontext folgt »Outer Space« keinem unbedingten roten Faden. Stattdessen tragen hunderte Exponate und zahlreiche teils multimediale Installationen der Weite dieses Themas Rechnung, setzen in jedem Raum neue Impulse, wecken Assoziationen, zeigen Kurioses, Überraschendes und Geschichtsträchtiges. So wie den medizinballgroßen Gesteinsbrocken, der die Besucher gleich hinter dem Eingang empfängt – die Überreste eines der frühesten dokumentierten Meteoritenfälle. Am 7. November 1492 donnerte dieser Brocken in die Atmosphäre, ehe er im elsässischen Ensisheim einschlug.
Faszinierend sind die riesigen klobigen Astronauten- und Kosmonautenanzüge mit ihren verspiegelten Visieren; bedrückend dagegen die Enge in der Raumkapsel »Liberty Bell 7«, die 1961 nach ihrer Landung auf den Meeresgrund sank und erst 38 Jahre später geborgen wurde. Das mediale Echo auf die Helden, die sich in diesen fliegenden Besenkammern in den Weltraum schießen ließen, kommt ebenso zur Sprache wie die Banalität, die ihren Alltag dort oben begleitet. Astronautensocken und eine Raumschifftoilette haben bei weitem nicht die Attraktivität, die Otto Normalbürger mit dem Leben als Astronaut verbinden mag. Aber sie sind eben auch ein Teil der Geschichte vom Menschen und seinem Versuch, das Weltall zu durchdringen und zu verstehen.
Zwischen all diesen Ausstellungsstücken, die nicht zuletzt dank der Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt zusammengetragen werden konnten, zeigt »Outer Space« auch die kulturelle Rezeption des Themas. »Die Schöpfung der Milchstraße« von Peter Paul Rubens hängt hier als Leihgabe des Prado-Museums in Madrid. Ein anderes Gemälde zeigt Galileo Galilei, wie er im Angesicht der Alternative Scheiterhaufen seine Idee von der Sonne als Mittelpunkt unseres Universums widerruft. Ein Raum steht ganz im Zeichen der popkulturellen Aufarbeitung – der Science Fiction. R2D2, C3PO und ET sind hier zu Gast, werden flankiert von Beispielen der UFO-Forschung.
Und auch die dunklen Kapitel der Geschichte bleiben nicht unaufgeschlagen: die Raketenforschung der Nazis, zum Beispiel, oder der Wettlauf zum Mond zwischen UdSSR und USA, der den Kalten Krieg ins Weltall verlagerte. Dem ersten Todesopfer der Raumfahrt ist ein eigener, beklemmender Raum gewidmet. Neben verkohlten Teilen der Ausrüstung von Wladimir Komarow läuft sein letzter Funkspruch in Dauerschleife. »Du Idiot«, sagt sein Ingenieur, bevor die Leitung abbricht.
Vor dem Verlassen der Ausstellung wird der Besucher dann wieder geerdet. Die Installation »Big Crunch Clock« von Gianni Motti zeigt, das es mit der Unendlichkeit doch nicht so weit her ist. Sie zählt die Zeit herunter, die noch vergehen wird, bis unsere Sonne explodiert. Demnach bleiben nur noch etwas weniger als 5 Milliarden Jahre. »Outer Space – Faszination Weltraum« endet kurz zuvor, am 22. Februar 2015.
Begleitet wird die Ausstellung von so genannten Satelliten – etwa dem Modell der Ariane-Rakete auf dem Vorplatz oder einer Ausstellung der Astrofotografien Trevor Paglens im Kunstmuseum Bonn. Eine App zur Ausstellung gibt es ebenfalls. »grasp« bietet Antworten auf 150 Fragen, die man sich schon immer zum Weltall gestellt hat.
Darüber hinaus werden die Rückkehr des Astronauten Alexander Gerst von der Raumstation ISS und die Landung der Raumsonde »Rosetta« auf dem Kometen »Tschurnjunow-Geramisenko« mit speziellen Veranstaltungen im Rahmen der Ausstellung gewürdigt werden. Ob es für »Welcome Home! Alexander Gerst« am 8. Dezember noch Kapazitäten gibt, wird bis zum 24.11. geklärt werden. Die Begleitung der »Rosetta«-Landung am 12.11. ist hingegen leider schon endgültig ausgebucht.
Eine leicht gekürzte Fassung dieses Artikels erschien in der November-Ausgabe des Bonner Stadtmagazins »Schnüss«.
1 Kommentar zu “»Outer Space« in der Bundeskunsthalle: Völlig losgelöst”