Eines Tages im August 2013 hatte Herr Schmitz diese Idee. Während der Mittagspause hatte er mit den Angestellten seiner Buchhandlung im Essener Süden Ideen gewälzt, was man mit all diesen Büchern und deren Lesern noch so anstellen könne. »Wie wäre es mit einem Buch, in dem 100 unserer Kunden ihr jeweiliges Lieblingsbuch besprechen? Quasi der Essen-Werdener Kanon der Literatur«, dachte er laut und erntete Zustimmung. Genau so sollte es geschehen. Genau so geschah es dann auch. Nach der Fertigstellung des Buchs war da aber plötzlich noch eine Idee. Das ist die Stelle, an der ich und einige hundert andere Leute ins Spiel kommen.
Die zweite Idee war tatsächlich eine weitere – eine weiter gefasste, um genau zu sein. Andere Buchhändler in anderen Städten sollten je 100 Kunden auch die Möglichkeit geben, Rezensionen zu ihren liebsten Schinken zu verfassen. Herr Schmitz fasste einen Plan. Er kontaktierte ihm bekannte Buchhändler und fand für seinen Plan letztlich 18 Mitstreiter. Eine dieser teilnehmenden Buchhandlungen ist »Schmetz am Dom« aus Aachen, in deren E‑Mail-Verteiler ich mehr oder minder zufällig geriet. Am Ende war ich jedenfalls einer von diesen 100 Kunden – ja, ich kaufe tatsächlich gerne Bücher bei Schmetz – im »Aachener Kanon der Literatur«, einem in blaues Leinen geschlagenen Buch, das besagte 100 Rezensionen enthält.
Neben mir haben sich Pädagogen und Kaufleute, Juristen und Künstler, Journalisten und Schüler an dieser Zusammenstellung beteiligt. Wie die Ausgaben in den anderen Städten wurde auch der Aachener Kanon vom Essener Büro für Gestaltung »erste liga« hübsch gemacht. (Den Hinweis auf die fußballerische Viertklassigkeit von Essen, aber auch Aachen verkneife ich mir an dieser Stelle.) Am vergangenen Donnerstag wurde das gute Stück präsentiert, das künftig auch käuflich zu erwerben sein wird. Ob es tatsächlich einen Überblick bietet, was in Aachen so gelesen wird, wage ich nicht zu beurteilen. Auf jeden Fall bietet es einen Überblick, auf welch verschiedene Dinge Menschen achten und Wert legen, wenn sie ihr Lieblingsbuch wählen. Die eine oder andere »Ach, das würde ich auch mal gerne lesen«-Entdeckung ist auch dabei.
Das gesamte Projekt war Anfang Oktober schon auf der Frankfurter Buchmesse vorgestellt worden. Seinerzeit wurde auch verkündet, dass das komplette Werk in einem Schuber mit 20 Büchern veröffentlicht werden wird. Dass demnach noch viel mehr solcher potenziellen Entdeckungen zwischen Buchdeckel gepresst (und in ein WordPress-Blog gepackt) lauern. »Aber wieso denn 20 Bücher?«, wird jetzt der aufmerksame Leser fragen, »Herr Schmitz plus 18 Mitstreiter sind doch nur 19 Bücher!« Korrekt. Es gibt aber noch ein zwanzigstes Buch, das den »Buchmenschen Kanon der Literatur« aufzeigt – mit Verlagsmitarbeitern, Schriftstellern, Buchhändlern und wen man sonst noch so unter dem Label »Buchmensch« abheften mag. Quasi das große Finale 15 Monate nach der ursprünglichen Idee.
Was für eine hübsche Idee!