Als künstlerischer Leiter und Geschäftsführer laufen sämtliche Fäden des Jazzfest Bonn durch seine Hände. Kurz vor dem Start der mittlerweile neunten Auflage des Festivals hatte Peter Materna Zeit für einige Fragen.
Herr Materna, an wie vielen Tagen im Jahr machen Sie sich keinerlei Gedanken um das Jazzfest Bonn?
»An vielleicht fünf. Das ist eine interessante Frage, weil ich früher ab und zu gefragt wurde, was ich denn sonst das ganze Jahr mache, wenn das Jazzfest rum ist. Nein, der Aufwand, ein Festival zu machen, ist nicht nur ein Full-Time Job, es ist sogar weit aufwendiger. Es ist eine ständige Aktivität, die aber sehr vielfältig ist und auch sehr viel Freude macht.«
Vom Booking der Künstler über die Zusammensetzung der für das Jazzfest charakteristischen Doppelkonzerte bis hin zur Planung, wer in welcher Location spielt: Treffen Sie alle Entscheidungen komplett alleine?
»Eine der Aufgaben des Leiters eines solchen Festivals ist es, dafür Verantwortung zu tragen, was am Ende auf der Bühne passiert. Ich muss die strategischen Entscheidungen nach Außen und nach Innen hin vertreten. Die meisten dieser Entscheidungen treffe ich. Ich nehme aber mein großartiges Team immer mit. Es ist wichtig, dass die Entscheidungen, die ich treffe, mitgetragen werden.«
Kommen Sie bei all dem Stress selbst dazu, die Konzerte zu genießen?
»Ja, es ist eines der Highlights meiner, nein unserer Arbeit, die nicht selten einen längeren Vorlauf hat als ein Jahr, auf das mein Team und ich hinarbeiten. Die Konzerte sind etwas ganz Besonderes und sie machen mich sehr glücklich.«
Sie sind im Jahr 2010 angetreten, um Menschen in und um Bonn für kreativen, zeitgenössischen Jazz zu begeistern. Die ausverkauften Konzerte sprechen seit dem ersten Tag für sich. Hat sich das Publikum im Lauf der bisherigen neun Jahre verändert?
»Ja, das Publikum verändert sich kontinuierlich, so wie die Gesellschaft sich auch verändert. Und es ist je nach Künstler und je nach Konzertort immer wieder anders. Es hat mich in den ersten Jahren sehr erstaunt, wie heterogen unser Publikum ist. Aber es ist so. Jazz ist die Musik, die fast jeden anspricht.«
Jazz war immer auch Ausdruck der gesellschaftlichen Umstände, in denen er entstand. Hat sich der zeitgenössische Jazz seit Ihrem ersten Festival gewandelt?
»Ja, die Musik verändert sich in einem ganz erstaunlichen Tempo. Ich habe das Gefühl, dass die Musik ein Spiegel der ›Verfassung‹ der Menschen, der Gesellschaft in ihrer jeweiligen Umgebung, politisch, kulturell und sozial ist. Die Jazzmusik ist sehr direkt, sehr ehrlich und sehr spontan. Manchmal ist die Musik sehr rau, manchmal sehr ›einfach‹. Aber die Empfänger, also die Zuhörer, reagieren auch immer anders auf das, was auf der Bühne passiert. Ja nach der Stimmung in der Gesellschaft … wobei es beim Programmieren der künstlerischen Inhalte leider unmöglich ist, so viel davon zu zeigen, wie ich das gerne würde.«
Die Strahlkraft des Festivals reicht längst über die Stadt‑, ja sogar Landesgrenzen hinaus. Wie weit eilt dem Jazzfest Bonn sein Ruf voraus? Braucht es im Jahr 2018 noch große Überredungskünste, um Musiker vom Format eines John Scofield für einen Auftritt zu gewinnen?
»Nein, ich muss niemanden überreden. Die Künstler bewerben sich bei uns. Und wir haben aus der ganzen Welt Bewerbungen im vierstelligen Bereich, die jedes Jahr bei uns eintreffen.«
Komplett ausverkaufte Veranstaltungen am Stück, begeistertes Publikum, schwärmende Künstler, euphorische Presse: Was treibt jemanden noch an, wenn er alles erreicht hat, was mit einem Festival möglich ist?
»Danke für die Blumen! Es ist die inhaltliche Qualität und die immer sehr wichtige Qualität und Vielfalt in der Vermittlungsarbeit. Die Ansprüche sind immer so, dass wir das Gefühl haben, dass wir es noch besser machen können. Und auch das macht ganz große Freude.«
Auf welchen Act des diesjährigen Festivals freuen Sie sich ganz besonders? Wen von den Nachwuchskünstlern im Programm würden Sie dem Publikum ganz besonders ans Herz legen?
»Ich freue mich auf alle Konzerte. Ganz besonders freue ich mich auch auf das BuJazzO am 7.5. in der Oper. Das BuJazzO zeigt, wie großartig der Nachwuchs in Deutschland mittlerweile ist und welche unglaublichen Früchte die Nachwuchsförderung heute im Jazzbereich trägt. Da ist vieles richtiggemacht worden. Und es zeigt auch, warum es so immens wichtig ist, dass es auch eine Förderung dieser Musik durch die öffentliche Hand, über die Ausbildung hinaus, geben muss. Und da ist noch sehr viel zu tun!«
Nach dem Festivalausklang im vergangenen Jahr hatten Sie gefordert, die Stadt möge sich bekennen und das Jazzfest Bonn spürbarer finanziell unterstützen. Hat sich in dieser Hinsicht etwas getan?
»Wir sind in einem sehr konstruktiven Dialog mit der Stadt und sie unterstützt uns nach Kräften. Und die Stadt bekennt sich definitiv zum Jazzfest Bonn, das habe ich zu meiner großen Freude ganz oft gesagt bekommen. Und ich freue mich, dass es der Politik und der Verwaltung wichtig ist, moderne Kulturthemen in dieser tollen Stadt zu haben.«
Eine Ausweitung des Festivalumfangs kam für Sie bislang nicht in Frage. Bleiben Sie auch für das runde Jubiläum im nächsten Jahr dabei?
»Wir sind noch in der Planung, lassen Sie sich überraschen.«
Wo sehen Sie sich am 12. Mai, so gegen Mitternacht?
»Da stoßen wir wahrscheinlich erleichtert mit denen, die noch in der Bundeskunsthalle sind, an. Und sind bestimmt rechtschaffend und glücklich müde …«
Zwischen dem 26.4. und 12.5.2018 holt das Jazzfest Bonn zum mittlerweile neunten Mal Jazz-Musiker und ‑Fans in die Stadt. Große Namen, hoffnungsvolle Talente – alles mit dabei.
Eine gekürzte Fassung dieses Interviews erscheint in der Mai-Ausgabe des Bonner Stadtmagazins Schnüss. Das Bild von Peter Materna entstammt dem Pressematerial des Jazzfestes.