Ein Teil von mir ist gefangen an einem Freitagnachmittag. Ich bin neun Jahre alt, Lando Calrissian und C3-PO. Gestern haben wir »Die Rückkehr der Jedi-Ritter« bei René geguckt. Heute wollen wir den Film nachdrehen. Dirk hat die Kamera seines Vaters mitgebracht. Er ist Luke Skywalker. (Das funktioniert in etwa wie beim Fußball: Wer den Ball mitbringt, darf Rummenigge sein.) Prinzessin Leia ist auch schnell gefunden. Von den Mädels will nur Silke mitmachen. Später soll Marc sie küssen. Han Solos tun so etwas nun einmal. Als Belohnung für diesen selbstlosen Einsatz darf er auch den Darth Vader spielen. Marc ist einen Kopf größer als alle anderen. Und er kann rasselnd atmen wie kein Zweiter. Als alle Rollen verteilt sind, merken wir erst, dass der Schulhof gar nicht aussieht wie der Wüstenplanet Tatooine. Und einen Berg, in dem ein großes Tor aufgeht, gibt es hier auch nicht. Nach einigem Überlegen scheitert unser Filmprojekt schon vor der ersten Klappe an nicht zu überwindenden, logistischen Problemen. Dirk bringt die Kamera nach Hause und wir gehen Fußball spielen. Ich bin Rummenigge. (Foto veröffentlicht unter cc by-nc-nd 2.0)
Ein Teil von mir ist gefangen an einem Sonntagmittag. Ich bin vierzehn Jahre alt und sitze an meinem C‑64. In den letzten Stunden habe ich ein Text-Adventure geschrieben: »Flucht vom Sternenzerstörer«. In Basic. Ich tippe »Run«, drücke Return und schon geht es los. Als Luke muss man versuchen, der Gefängnisabteilung eines imperialen Raumschiffs zu entkommen. »Hinter der nächsten Ecke halten drei Stormtrooper Wache. Was tust Du? (a) das Laserschwert ziehen und sie angreifen (b) R2-D2 für ein Ablenkungsmanöver nutzen.« Die richtige Taste führt zur nächsten Entscheidung, die falsche in den Tod. Ich komme gut durch. Als Autor des Spieles weiß ich ja auch, welche Wahl wann zu treffen ist. Attacke funktioniert nie. Am Ende gelingt die Flucht ohne eine einzige Kampfhandlung. Vielleicht hätte ich diesen frühen Hinweis auf eine pazifistische Grundeinstellung in der Begründung meiner Verweigerung erwähnen können. Dass es in meinem nächsten Machwerk »Schlacht um Endor« richtig abging, hätte ich in dem Zusammenhang natürlich verschwiegen. (Foto veröffentlicht unter cc by-sa 2.0)
Ein Teil von mir ist gefangen an einem Dienstagabend. Ich bin 22 Jahre alt und der von Onkel Martin geerbte Lötkolben glüht. In der Küche unserer WG bastle ich an dem Modell eines X‑Wing-Fighters. Eigentlich könnte ich ein bisschen für das Referat nächste Woche tun. Doch das hat noch Zeit. Erst einmal müssen diese verdammten Käbelchen an die passenden Schalter gebracht werden. Als das Licht im Cockpit angeht, weiß ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Zwei Stunden später gehen die Flügel auf Knopfdruck in Kampfstellung und eine Stimme sagt »Red Five standing by«. Ich habe den Olymp des Modellbaus bestiegen. Sternenzerstörer und Todesstern waren cool, aber das Ding hier ist elektronisch. Die Macht ist mit mir. Unter dem Applaus meines Mitbewohners trage ich dieses Wunderwerk der Technik in mein Zimmer. Darauf ein Pikkolöchen! Jahre später breche ich bei einem Umzug versehentlich das rechte Triebwerk ab. Das Studium schon viel früher. (Foto veröffentlicht unter cc by-nc-nd 2.0)
Ein Teil von mir ist gefangen im letzten Wochenende. Ich bin 35 Jahre alt und immer noch überkommt mich das Star Wars-Fieber mehr oder minder regelmäßig. Den jüngsten Schub hat diese Gruppe bei flickr ausgelöst. Hunderte Fotos aus der Zeit, als »Episode IV« noch schlicht »Krieg der Sterne« hieß. Erinnerungsstücke von Leuten, die wie ich mit diesem Weltraum-Epos aufgewachsen sind. Und schon springen die eigenen Gedanken in die Vergangenheit. In eine Zeit lange vor unserer, in eine weit, weit entfernte Galaxie.
Nachtrag: Inzwischen bin ich 38 Jahre alt, die flickr-Gruppe existiert bis zum heutigen Tag. Besser noch: Sie wächst immer weiter. Und sie wirkt auf mich immer noch wie damals in diesem Text beschrieben. Angelehnt ist der Text übrigens an ein Lied von Bernd Begemann. Ein sehr schönes Lied, nach meinem Dafürhalten.