Bolzplätze in Argentinien und Chile: Freier Raum

Fußballplatz: San Pedro de Atacama

Vor über zwei Stun­den haben wir Cafa­ya­te hin­ter uns gelas­sen, seit­dem nichts ande­res gese­hen als Stei­ne und Kak­teen. Längst ist aus der anfäng­lich gemüt­li­chen Wan­de­rung eine beschwer­li­che Kra­xe­lei gewor­den. Nur das Plät­schern des klei­nen Bäch­leins lässt uns erah­nen, dass wir immer noch auf dem rich­ti­gen Weg sind. Tief in die­sem Can­yon soll mit einem majes­tä­ti­schen Was­ser­fall ein wah­res Natur­schau­spiel auf uns war­ten. So hat uns zumin­dest Wal­ter ver­spro­chen, der Wirt unse­res Hos­tels. Hin­ter der nächs­ten Bie­gung fin­den wir aber erst ein­mal etwas völ­lig ande­res. Eine klei­ne Lich­tung tut sich auf, an deren Rand jemand zwei Stan­gen in den Sand­bo­den gerammt hat. Eine drit­te, auf den bei­den ande­ren quer lie­gen­de, kom­plet­tiert das Werk. Hier steht ein Fuß­ball­tor. Mit­ten im Nichts. Alles ande­re hät­te uns auch gewundert.

Drei Wochen lang waren mei­ne Freun­din und ich im Früh­jahr 2006 mit dem Ruck­sack in Süd­ame­ri­ka unter­wegs. Wäh­rend zu Hau­se Ale­man­nia in die Bun­des­li­ga auf­stieg und sich der Rest der Hei­mat für die bevor­ste­hen­de WM her­aus­putz­te, hät­ten wir an allen mög­li­chen und eini­gen unmög­li­chen Orten Gele­gen­heit zum Kicken gehabt. Egal ob Wild­nis oder Groß­stadt: Wo immer sich Platz bot, schie­nen die Ein­hei­mi­schen ein bis zwei Tore hin­ge­stellt zu haben. Und wir haben drauf­ge­hal­ten. In Erman­ge­lung eines Bal­les aller­dings nur mit dem Foto­ap­pa­rat. (Ein beson­ders skur­ri­les Spiel­feld ist uns dabei lei­der durch die digi­ta­len Lap­pen gegan­gen. Den drei­ecki­gen Bolz­platz mit­ten in der chi­le­ni­schen Hafen­stadt Anto­f­a­gas­ta, ein­ge­pfercht zwi­schen zwei Stra­ßen und einer Eisen­bahn­tras­se, umge­ben von einem fünf Meter hohen Zaun, haben wir erst viel zu spät als sol­chen erkannt. Da war unser Über­land­bus schon fast um die nächs­te Ecke gebo­gen.) Eini­ge der damals ent­stan­de­nen Schnapp­schüs­se gibt es nach dem Klick zu sehen.

Wäh­rend der Bus an einer Hand­voll Häu­sern hält, um zwei Schul­kin­der auf­zu­le­sen, bestau­nen wir den zur Sied­lung gehö­ren­den Ground. Ja, auch Berg­dör­fer haben das Recht auf einen anstän­di­gen Fuß­ball­platz. Wer hier aus zwan­zig Metern abzieht und das Tor ver­fehlt, hat aller­dings einen wei­ten Weg vor sich, um den Ball zurück zu holen. Das sind bit­te­re Fern­schuß-Lek­tio­nen. Kein Wun­der also, dass Argen­ti­ni­er den Ball lie­ber ins Tor tragen.

Auf dem Weg zur Rui­ne einer alten Berg­fes­tung der Quil­mes-India­ner kom­men wir durch Colalao. Gleich zwei Fuß­ball­ver­ei­ne sind hier behei­ma­tet. Und wie in jedem Zwei-Club-Dorf die­ser Welt sind die Lokal­der­bies zwi­schen »Club Estu­di­an­tes« und »La Flo­ri­da« ganz bestimmt heiß umkämpft. Für den Fall, dass eines ihrer Duel­le wegen zu hef­ti­ger Aus­schrei­tun­gen an einem neu­tra­lem Ort wie­der­holt wer­den muss, scheint die­ser Platz ein­ge­rich­tet wor­den zu sein. Der Drit­te in einem Dorf, das aus drei Stra­ßen und geschätz­ten fünf­und­zwan­zig Häu­sern besteht.

Eine Fahr­rad­tour ist das Bescheu­er­tes­te, das man in der Wüs­te machen kann. Vor allem in 3500 Metern Höhe und Mit­tags­hit­ze. Beim Anblick mei­nes Son­nen­bran­des in den Tagen dar­auf wäre so manch frisch gekoch­ter Hum­mer garan­tiert vor Neid direkt wie­der erblasst. Aber es lohnt sich. Unse­re Aus­beu­te an die­sem Tag: eine etwa 8000 Jah­re alte Sied­lungs­rui­ne, eine selt­sam ver­wais­te Oase namens Coyo und die­ser Fuß­ball­platz. Fuß­ball­spie­len dürf­te das Zweit­be­scheu­er­tes­te sein, das man in der Wüs­te machen kann. Immer­hin machen die Ein­hei­mi­schen das nicht in der Mittagshitze.

An der Bus­sta­ti­on von Tafi del Val­le war­ten schon die Betrei­ber der orts­an­säs­si­gen Hos­tels auf poten­zi­el­le Neu­zu­gän­ge. Bevor der Gast­ge­ber unse­res Ver­trau­ens in sei­nem Jeep davon­rast, zeigt er noch kurz auf sei­nen Hund »Folgt ihm! Er kennt den Weg.« Kennt er tat­säch­lich. Wir kön­nen es beschwö­ren. Den Fuß­ball­platz fin­den wir am nächs­ten Tag dann ohne tie­ri­sche Hil­fe. Nicht, dass wir nach ihm gesucht hät­ten. Beim Betrach­ten der gran­dio­sen Aus­sicht ste­hen nur plötz­lich zwei wind­schie­fe Tore in unse­rem Blickfeld.

Die­sen Rück­blick auf die Süd­ame­ri­ka­rei­se 2006 habe ich ursprüng­lich drü­ben bei METAPLOT ver­öf­fent­licht. Und noch ein paar Fuß­ball­plät­ze mehr (nicht nur aus Süd­ame­ri­ka) fin­den sich in einem mei­ner Flickr-Alben, also hier.

1 Kommentar zu “Bolzplätze in Argentinien und Chile: Freier Raum”

  1. Die Fotos fand ich ja bereits 2006 beein­dru­ckend, doch mit dem nun pas­sen­den Text sind sie noch mal so schön.

    Ein schö­nes Pfingstwochenende!

    Kat­ti

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Benötigte Felder sind mit einem * markiert …