Eingesperrt und 60 Minuten, um zu entkommen: In Endenich unterhalten gleich zwei Anbieter sogenannte Escape Rooms.
Geheimnisvolle Symbole an der Wand, ein paar Kippschalter und eine stumme Haustürklingel. Um in diese Villa in der Endenicher Straße zu gelangen, muss man erst einmal ein Rätsel lösen. Nur wer die Schalter in die richtigen Positionen kippt, kann der Klingel einen Laut entlocken. Das geht ja gut los. Codes entschlüsseln, Kniffliges durchschauen, Verborgenes ans Licht holen: Die Gäste dieses Hauses haben genau solche Dinge im Sinn. Ist die Tür erst knackt, warten dahinter gleich mehrere Stockwerke voller Geheimnisse und Herausforderungen.
Im Sommer 2015 hat Jochen Richarz »Fluchtgefahr« eröffnet. Die Villa im Herzen von Endenich bietet ihren Besuchern vier verschiedene Varianten eines sogenannten Escape Rooms – eines Abenteuerspiels, das man statt am Computer im quasi echten Leben spielt.
Der Rahmen ist dabei immer identisch: Exakt 60 Minuten hat eine Gruppe Zeit, um dem Raum zu entfliehen, in den sie gesperrt wurde. Irgendwelche gefährlichen Dinge müssen die Mitspieler auf ihrer Flucht nicht vollführen. Der Weg nach draußen ist vielmehr gepflastert mit Rätselaufgaben, mit Schlössern ohne Schlüssel, mit kryptischen Hinweisen hinter doppelten Böden und immer wieder mit Momenten, in denen Teamwork gefragt ist.
Gruppendynamik im Mittelalter
»Der Geschickte, der Lautdenker, der Boss: Es ist immer wieder erstaunlich, wie jeder Mitspieler in den ersten Minuten seine Rolle in der Gruppe findet«, erzählt Jochen Richarz. In der Schaltzentrale der Villa haben er und seine Mitarbeiter jeden Raum per Videoüberwachung im Blick. Wenn eine Gruppe gar nicht mehr weiter weiß, geben sie über einen Monitor Tipps, damit der Spielspaß nicht zum Erliegen kommt. Auf den Monitoren läuft auch die verbleibende Zeit rückwärts. So ist jede Crew immer komplett im Bilde.
Räume voller Rätsel und Kontakt über Monitore: Dieses Grundsetting des Spiels betten Betreiber solcher Escape Rooms in atmosphärisch dichte Geschichten, die alle Spieler im Nu hineinsaugen. Hier in der »Fluchtgefahr« etwa ist der Raum, dem es zu entkommen gilt, nicht mehr nur einfach ein Raum, sondern das Büro von Sherlock Holmes, dessen Freund Watson entführt wurde.
Oder ein mittelalterliches Gewölbe, in dem man zwischen die Fronten von Robin Hood und dem Sheriff von Nottingham gerät. Im ersten Stock startet das Spiel am Tatort eines Mordes, der innerhalb der Stunde aufgeklärt werden muss. Das Kuckucksnest unter dem Dach von »Fluchtgefahr« gibt es sogar in doppelter Ausführung. Bei Interesse können hier zwei Gruppen gegeneinander mit der Frage antreten, welches Team zuerst der morbiden Umgebung einer 60-er-Jahre-Psychiatrie entkommt.
Lohnenswerte Anstrengung
Doch damit nicht genug. Kaum 500 Meter Luftlinie entfernt bietet Endenich noch drei weitere Möglichkeiten des Rätselns und Entkommens. Hier betreibt Martina Gehlen »60 Minutes«.
Mit dem Raum »Die geheime Formel« in der Alfred-Bucherer-Straße hat sie die Idee Escape Room im Dezember 2014 in Endenich hoffähig gemacht. Eher zufällig war sie mit ihrem Freund in Köln auf das Konzept gestossen. Zwei Partien später war sie derart hin und weg, dass sie sich entschloss, selbst einen solchen Raum zu konzipieren. Inzwischen haben gut 12.000 Menschen zumeist erfolgreich versucht, die von Professor Schneewing entdeckte Formel für alternative Energiegewinnung vor einem von Öl-Multis gelenkten Syndikat zu retten.
Von der Story über die Einrichtung bis hin zu den Dutzenden Rätseln hat Martina Gehlen ihre Escape Rooms in Eigenregie kreiert. »Die Produktionsphase ist schon sehr anstrengend, weil alles bis ins kleinste Detail durchdacht werden will«, berichtet sie. »Aber wenn so ein Raum wie unsere Formel auch nach zweieinhalb Jahren noch die Leute begeistert, hat sich diese Anstrengung gelohnt.« Mit der Geschichte um die Überführung eines berüchtigten Mafia-Paten und der um eine das Blut gefrierende Geisterstunde hat sie im Lauf des Jahres 2016 zwei weitere lohnenswerte Anstrengungen zum Abschluss gebracht.
Die beiden neuesten Escape Rooms von »60 Minutes« liegen von Professor Schneewing aus gleich um die Ecke in der Endenicher Allee. Und Martina Gehlen ist nicht nur Betreiberin, sondern auch nach wie vor enthusiastische Spielerin von Escape Rooms. Es kann auch schon einmal passieren, dass sie einen Tagesausflug nach London unternimmt, nur um dort einen Raum zu spielen.
Auch Jochen Richarz reist immer wieder in Sachen Escape Room durch die Welt – mal als Spieler, mal aber auch für den Austausch auf Messen oder Fachtagungen, die sich um Weiterentwicklungen des Konzepts drehen. Obwohl es in Endenich zwei Escape Rooms gibt, sieht er vor Ort keine Konkurrenzsituation. »Es gibt so viele Menschen, die die Spielidee noch gar nicht kennen«, sagt er. »Da ist ein breites Angebot doch nur hilfreich. Sobald jemand Blut geleckt hat, besucht er ohnehin jeden Raum, den er finden kann.«
Und an Kippschaltern und einer stummen Klingel soll so ein Besuch nicht scheitern. Für den Fall der Fälle steht dort eine Nummer an die Wand geschrieben. Anruf genügt und die Tür zum Rätselspaß öffnet sich auch ohne richtige Lösung.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der Juni-Ausgabe des Bonner Stadtmagazins »Schnüss«. Das Bild der Fluchtgefahr wurde mir von Jochen Richarz zur Verfügung gestellt. Die anderen habe ich selbst geschossen.