Zugegeben, was das Vatersein angeht, habe ich ähnlich viel Erfahrung vorzuweisen wie der Papst – ziemlich keine. Und anders als Franziskus kann ich nicht einmal auf die Kenntnisse zurückgreifen, die man sammelt, während man Tag für Tag zig Millionen Schäfchen hütet. Vielleicht ist es darum ein bisschen naiv von mir, zu glauben, die familieninterne Hierarchie auch ohne körperlichen Nachdruck aufrecht erhalten zu können – selbst wenn dieser Nachdruck den Kleinen die Würde ließe.
Wobei, was genau soll mit diesem würdevoll überhaupt gemeint sein? Wie käme ich überhaupt dazu, zu bestimmen, wo die Würde meines Kindes anfängt und wieder aufhört? Diese Grenzen kann doch jeder Mensch wohl nur für sich alleine setzen. Ganz gleich, ob er gerade erst drei oder dreiundneunzig Jahre alt ist. Eine Handgreiflichkeit über diese eventuell bestehende Grenze hinweg – vulgo: Klaps – bedeutet eine Verletzung, die über eine rein körperliche hinausgeht. Selbst wenn ich für die Existenz des Lebewesens am anderen Ende meiner ausrutschenden Hand auf diesem Planeten maßgeblich verantwortlich sein sollte. Unter Umständen helfen da hinterher auch keine guten Worte und kein Eis mehr.
Natürlich bin ich nicht vollends naiv, weswegen ich durchgehende Pferde und durchgebrannte Sicherungen auf Elternseite durchaus für realistisch halte. Kinder können garantiert sehr anstrengend sein, wenn sie die Grenzen ihrer Erzeuger ausloten. Und natürlich ist es wünschenswert, dass der Schaum am Ende des Geduldfadens gebremst ist. Aber eine solche Reaktion schon vorab unter nicht näher zu bestimmenden Umständen zu legitimieren, halte ich für einen falschen Ansatz. Die Hemmschwelle sinkt. Und auf diesem »Würde erhalten«-Mist wachsen dann grandiose Stilblüten der Sorte: »Glaub mir, das tut mir mehr weh als Dir.« oder »Das hat mir auch nicht geschadet.« Scheiße passiert, aber sie bleibt Scheiße, auch wenn man ein »Gut gemeint«-Fähnchen dranhängt.
Das Lob von Papst Franziskus einem Mann gegenüber, der sein Kind zwar schlägt, ihm dabei aber die Würde lässt – Gesäß statt Gesicht –, war Thema der Pro/Contra-Diskussion in der Schnüss vom März. »Let’s get physical«, meinte Kollegin Gitta. »Du sollst Deine Kinder ehren, doch wenn sie Dich triezen, darfst Du Dich wehren.« Und ich so: »Äh, nein!«