Ausstellung »Jürgen Klauke und Gina Lee Felber«: Zwei Welten – nur wenige Meter entfernt

Gina Lee Felber und Jürgen Klauke

Unter einem gemein­sa­men Dach getrennt von­ein­an­der: Jür­gen Klau­ke und Gina Lee Fel­ber insze­nie­ren ihre ers­te Dop­pel­aus­stel­lung in Mon­schau wie sie seit Jah­ren im Köl­ner Wes­ten leben und arbeiten.

Im Grun­de hät­te man schon längst auf die Idee einer sol­chen Aus­stel­lung kom­men kön­nen. Schließ­lich leben Jür­gen Klau­ke und Gina Lee Fel­ber nicht erst seit ges­tern mit­ein­an­der in Köln. Letz­ten Endes mag nicht viel gefehlt haben – eine Anfra­ge, viel­leicht, wie sie vom Amt für Kul­tur der Städ­te­Re­gi­on Aachen eines Tages an die bei­den her­an­ge­tra­gen wur­de. »Wir waren von der Idee, gemein­sam aus­zu­stel­len, sofort ange­tan«, erin­nert sich Jür­gen Klau­ke. »Vor allem, weil sie nicht auf dem Kon­zept ›Künst­ler­ehe­paar stellt aus‹ beruht, wie es irgend­wann in den Acht­zi­gern ein­mal ange­sagt war.«

KulturRegion, August-Oktober 2015Dank der Zusa­ge wird mit der Ver­nis­sa­ge am 27. Sep­tem­ber im Kunst- und Kul­tur­zen­trum (KuK) in Mon­schau eine Welt­pre­mie­re gefei­ert wer­den: Erst­mals über­haupt stel­len Fel­ber und Klau­ke ihre Arbei­ten gleich­zei­tig unter einem Dach aus. Die Tat­sa­che, ein Paar zu sein, wirft die Ergeb­nis­se des jewei­li­gen künst­le­ri­schen Schaf­fens jedoch nicht zwangs­läu­fig auf einen gemein­sa­men Hau­fen. »Nicht zuletzt was die Arbeit angeht, sind wir zwei von­ein­an­der völ­lig unab­hän­gi­ge Per­so­nen«, sagt Gina Lee Fel­ber. »Unse­re Wer­ke für die Aus­stel­lung mit­ein­an­der zu ver­men­gen, schien uns daher völ­lig unangebracht.«

Kon­se­quen­ter­wei­se wer­den die bei­den Künst­ler eine kla­re Trenn­li­nie durch die Aus­stel­lung­räu­me in Mon­schau lau­fen las­sen. So wird es zwei Kata­lo­ge geben. Und nach Ansicht der Gege­ben­hei­ten haben die Prot­ago­nis­ten die Eta­gen des KuK unter sich auf­ge­teilt: Das Erd­ge­schoss wird bis zum Ende der Aus­stel­lung am 20. Dezem­ber Jür­gen Klau­ke gehö­ren, das ers­te Stock­werk Gina Lee Felber.

Provokative Energie

Jür­gen Klau­ke ist in vie­ler­lei Hin­sicht ein Pio­nier. Von einer Welt vol­ler Nor­men und Tabus umzin­gelt, wag­te er ab dem Ende der 1960er-Jah­re die Flucht nach vor­ne. Schon sei­ne frü­hen Wer­ke bohr­ten sich in das Fleisch einer selbst­zu­frie­de­nen Gesell­schaft, indem sie Ste­reo­ty­pe dekon­stru­ier­ten, Geschlech­ter­iden­ti­tä­ten hin­ter­frag­ten oder die Grund­zü­ge der mensch­li­chen Exis­tenz durchdeklinierten.

Pola­ri­sie­ren und Pro­vo­zie­ren als Mit­tel zum Zweck, jedoch nicht als Selbst­zweck: Unnach­gie­big setz­te der »Bür­ger­schreck« sei­nen Kör­per ab dem Beginn der 1970er Jah­re als Aus­drucks­me­di­um ein, stieß unge­müt­li­che Dis­kus­sio­nen an, wies der Per­for­mance­kunst neue Wege, defi­nier­te die kon­zep­tio­nel­le Foto­gra­fie auf bis dahin nicht gese­he­ne Art und öff­ne­te The­men den Weg in die Kunst und die Gesell­schaft, die dank ihm dort heu­te als selbst­ver­ständ­lich erach­tet wer­den. Im Mit­tel­punkt sei­nes Gegen­warts­kunst prä­gen­den Schaf­fens stand und steht bis zum heu­ti­gen Tag der Mensch.

Foto: Jürgen Klauke (aus der Reihe »Ästhetische Paranoia«)
Foto: Jür­gen Klau­ke (aus der Rei­he »Ästhe­ti­sche Paranoia«)

Die Aus­stel­lung in Mon­schau bedeu­tet für ihn eine Rück­kehr in die Eifel. Bereits im Früh­jahr 2012 hat­te er an glei­cher Stel­le Foto­ar­bei­ten gezeigt. Klau­ke hat aber auch schon immer mit ande­ren Medi­en gear­bei­tet, Foto­gra­fie und Zeich­nung etwa im stän­di­gen Dia­log mit­ein­an­der ver­stan­den. Eine Zeich­nung kann die Idee für einen foto­gra­fi­schen Zyklus los­tre­ten, der­weil ein Foto auch Basis und Inspi­ra­ti­on für wei­te­re Zeich­nun­gen sein kann. Alles fließt. Neben groß­for­ma­ti­gen Foto­gra­fien sei­nes Werk­kom­ple­xes »Ästhe­ti­sche Para­noia« wer­den dar­um dies­mal auch Zeich­nun­gen Klau­kes zu sehen sein – Tei­le der Rei­he »Kör­per­zei­chen­Zei­chen­kör­per«, bei­spiels­wei­se, die vor­nehm­lich aus ero­tisch auf­ge­la­de­nen, stel­len­wei­se expli­zit sexua­li­sier­ten Detail­zeich­nun­gen in Schwarz-Weiß besteht. Dass die­se Wer­ke erst in jüngs­ter Ver­gan­gen­heit ent­stan­den, zeigt: Die pro­vo­ka­ti­ve Ener­gie ist Jür­gen Klau­ke auch gut vier Jahr­zehn­te nach sei­nen künst­le­ri­schen Anfän­gen noch nicht abhan­den gekommen.

Unsichtbares zeigen

Auch Gina Lee Fel­ber wird ihre Hälf­te der Aus­stel­lung mit Foto­gra­fien und Zeich­nun­gen bespie­len. Nach der Wahl der Medi­en endet die Gemein­sam­keit dann aber auch schon wie­der. Schon die Angän­ge unter­schei­den sich. Fel­ber bewe­gen die Din­ge, die man oft nicht auf den ers­ten Blick wahr­nimmt, die Rän­der und Hin­ter­grün­de, die andern­orts viel­fach über­se­hen wer­den. Ihnen wid­met sie ihre Auf­merk­sam­keit. Und wäh­rend Jür­gen Klau­ke in sei­nen Arbei­ten den kon­zep­tio­nel­len Weg geht, hat sie ihre Wur­zeln in der Malerei.

Foto: Gina Lee Felber (aus der Reihe »Transit«)
Foto: Gina Lee Fel­ber (aus der Rei­he »Tran­sit«)

Was For­men und zeich­ne­ri­sche Erzähl­struk­tu­ren angeht, kann sie aus den Vol­len schöp­fen. Auf die­ses Ver­mö­gen ver­trau­end, lässt sie sich in machen Werk­rei­hen asso­zia­tiv lei­ten – etwa in ihrer jüngs­ten Zeich­nungs­se­rie »Wel­ten­samm­le­rin«, in deren Rah­men sie fei­ne Mikro­kos­men auf sepia-far­be­nem Unter­grund ent­ste­hen lässt. Ein­bli­cke in klei­ne Wel­ten, die glei­cher­ma­ßen Comic wie Höh­len­ma­le­rei, oder auch Schat­ten­thea­ter sein könn­ten. Dass Gina Lee Fel­ber nicht durch­ge­hend asso­zia­tiv arbei­tet, ver­deut­li­chen die wei­te­ren Arbei­ten der Aus­stel­lung, die alle­samt kla­ren Kon­zep­ten fol­gen: die Rei­he »Sym­pa­thi­san­ten«, zum Bei­spiel, die dem Kul­tur­we­sen Tier von der Ver­göt­te­rung bis zur Ver­spei­sung nachspürt.

Oder die gut zwei Meter hohen Fotos der Serie »Tran­sit«. Die­se zei­gen ver­las­se­ne Kokons exo­ti­scher Schmet­ter­lin­ge in Groß­auf­nah­me. Und obwohl die­se Behau­sun­gen nur für den kur­zen Über­gang von der Rau­pe zum Fal­ter ange­legt wer­den, obwohl sie danach meist zer­stört wer­den, stel­len sie archi­tek­to­ni­sche, aber auch ästhe­ti­sche Meis­ter­wer­ke dar. Fas­zi­nie­rend schö­ne Details der Natur, die erst in Gina Lee Fel­bers Foto­gra­fien sicht­bar wer­den. Anders als bei Jür­gen Klau­ke wird man Men­schen in ihren Bil­dern dage­gen ver­geb­lich suchen. Ein wei­te­rer Unter­schied die­ser Wer­ke, die nur weni­ge Meter von­ein­an­der ent­fernt ent­ste­hen, zwi­schen denen aber Wel­ten liegen.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich im Maga­zin »Kul­tur­re­gi­on«, einer Ver­öf­fent­li­chung der Städ­te­Re­gi­on Aachen. Das Face­book-Event zur Aus­stel­lung fin­det sich hier.

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