Übers linke Knie gebrochen

Löhrzeichen

Das neue Jahr war gera­de ein­mal ein paar Minu­ten alt, als eine Nach­richt in Aachen die Run­de mach­te: In der Kasi­no­st­ra­ße ist ein über Jah­re leer ste­hen­des Haus besetzt wor­den – die Num­mer 55, um genau zu sein. Bei manch einem unter den älte­ren Zeit­ge­nos­sen mag es da geklin­gelt haben. Anfang der Neun­zi­ger Jah­re war genau die­ses Haus schon ein­mal besetzt wor­den. Sei­ner­zeit stand am Ende die Grün­dung des noch heu­te bestehen­den Auto­no­men Zen­trums. Auch dies­mal ging es den Beset­zern um die Schaf­fung eines selbst bestimm­ten Wohn- und Kul­tur­raums. Zumin­dest war dies ihrer ers­ten Pres­se­mit­tei­lung zu ent­neh­men, die eini­ge sehr wah­re Sät­ze zur Not­wen­dig­keit solch frei­er Räu­me ent­hielt. Vor allem aber unter­füt­ter­te der Text den Vor­gang in der Kasi­no­st­ra­ße mit einer weit aus­ho­len­den ideo­lo­gi­schen Abhand­lung, die selbst gemä­ßigt lin­ke Otto Nor­mal­bür­ger rela­tiv rat­los zurück­ließ. Wer bei der Bevöl­ke­rung für Klar­heit und Ver­ständ­nis sor­gen möch­te, soll­te wohl auf jeden Fall eines sein: klar und verständlich.

Ohne Fundament

Ein Miss­ver­ständ­nis ganz ande­rer Art scheint ohne­hin erst der Aus­gangs­punkt die­ser gesam­ten Akti­on gewe­sen zu sein. Dass die Kasi­no­st­ra­ße 55 – bis vor etwa drei Jah­ren noch im Besitz des Bis­tums – kurz vor Weih­nach­ten zum Zweck der Wohn­raum­schaf­fung erneut ver­kauft wor­den ist, war den Beset­zern in der Vor­be­rei­tung wohl ent­gan­gen. Letzt­lich war der Beset­zung dadurch das argu­men­ta­ti­ve Fun­da­ment genom­men. Die Akti­on lief ins Lee­re und nach etwas mehr als einem Tag ende­te das Gan­ze wei­test­ge­hend sang- und klang­los. Was davon hän­gen blieb, war der Ein­druck, dass ein durch­aus nicht unsym­pa­thi­sches Anlie­gen – das Schaf­fen neu­er, krea­ti­ver Räu­me – in sei­ner Umset­zung übers Knie gebro­chen wor­den ist. Das zu beset­zen­de Objekt ist offen­bar sub­op­ti­mal aus­ge­wählt wor­den. Dar­über hin­aus spricht eine schon nach weni­gen Stun­den an Sym­pa­thi­san­ten gesand­te drin­gen­de Bit­te um Lebens­mit­tel nicht unbe­dingt für eine minu­tiö­se Pla­nung einer auf län­ge­re Zeit ange­setz­ten Akti­on. Eini­ge posi­ti­ve Aspek­te blei­ben aber auch im Gedächt­nis: ein dem Ver­neh­men nach gemüt­li­ches Neu­jahrs­früh­stück mit Tei­len der Nach­bar­schaft und die Tat­sa­che, dass weder Per­so­nen noch Gegen­stän­de zu Scha­den gekom­men sind. Die gesam­te Beset­zung blieb trotz mas­si­ver Poli­zei­prä­senz gewalt­frei, was die Beset­zer am Ende sogar straf­frei davon­kom­men ließ. Außer Spe­sen nix gewesen.

(Die­ser Text wur­de ursprüng­lich in der Febru­ar-Aus­ga­be des »klen­kes« ver­öf­fent­licht.)

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