Theater K: Wir sind so frei

Klenkes August 2014, Seite 8

Nach 19 gemein­sa­men Jah­ren gehen das Thea­ter K und die Bas­tei ab Ende August getrenn­te Wege. Wie steht es um die Zukunft der Schau­spie­ler und ihrer lang­jäh­ri­gen Spiel­stät­te? Ein letz­ter Besuch.

Ein wenig fühl­ten sich Mona Creut­zer, Annet­te Schmidt und Jochen Deu­ti­cke in den ver­gan­ge­nen Wochen an das Jahr 1995 erin­nert. Damals wie heu­te muss­ten die drei Schau­spie­ler einen Umzug für das von ihnen gegrün­de­te Thea­ter K über die Büh­ne brin­gen. Und damals wie heu­te lief die gan­ze Arbeit, die bei solch einem Umzug anfällt, par­al­lel zu den eigent­li­chen Auf­ga­ben eines Theaterensembles.

Die freie Zeit, die zwi­schen Kon­zep­ti­on und Insze­nie­rung von Stü­cken, zwi­schen Kulis­sen­bau und Pro­ben anfällt, ist aktu­ell gefüllt mit der Vor­be­rei­tung ihrer neu­en Spiel­stät­te, mit Kis­ten­ein- und wie­der aus­pa­cken. Zudem orga­ni­siert sich die fina­le Abschieds­par­ty »Bye Bye Bas­tei« Mit­te August auch nicht von allei­ne. »Eigent­lich ist es Wahn­sinn, einen Umzug zu regeln und gleich­zei­tig pro­duk­tiv zu sein«, bewer­tet Mona Creut­zer das aktu­el­le Pen­sum. »Was uns bei der Bewäl­ti­gung hilft, ist, dass wir Stress und Anspan­nung in posi­ti­ve Ener­gie umge­wan­delt haben.«

Start­schuss Aller­ers­tes Stück: »Yvonne, die Bur­gun­der­prin­zes­sin« von Witold Gom­bro­wicz. Pre­miè­re war am 15.6.1986

Der Grund für den Stress ist die erschwer­te Suche nach einer neu­en Hei­mat, die wie­der­um über­haupt nicht an den Umzug von 1995 erin­nert. Sei­ner­zeit war man nach dem Ende in der Rudolf­stra­ße – Grün­dungs­ort und Adres­se der aller­ers­ten Thea­ter-K-Büh­ne – recht bald fün­dig gewor­den. Auf eige­ne Faust reno­vier­te man die seit zwei Jah­ren leer­ste­hen­de Bas­tei und schuf sich so eine mehr als pas­sen­de Blei­be. Gegen­wär­tig stellt sich die Situa­ti­on nicht ganz so ein­fach dar. Seit ihnen mit­ge­teilt wor­den ist, dass der Ende August aus­lau­fen­de Miet­ver­trag für die Bas­tei nach 19 Jah­ren nicht mehr ver­län­gert wer­den wird, haben Schmidt, Creut­zer und Deu­ti­cke etli­che poten­zi­el­le neue Orte für das Thea­ter K besichtigt.

Schall und Raum

Beson­ders ein Haus an der Jüli­cher Stra­ße hat­te es ihnen ange­tan. Doch nach­dem das Gebäu­de anfäng­lich noch nach der per­fek­ten Lösung aus­ge­se­hen hat­te, mach­te ein Schall­schutz-Vor­gut­ach­ten den Ein­zugs­wil­li­gen einen Strich durch die Rech­nung. Ande­re Optio­nen lös­ten sich aus ähn­li­chen Grün­den in Luft auf: zu hoch die behörd­li­chen Hür­den, zu dicht das Auf­la­gen­di­ckicht. Annet­te Schmidt nimmt den Vor­schrif­ten-Crash­kurs der ver­gan­ge­nen Wochen und Mona­te mit Gal­gen­hu­mor: »Mitt­ler­wei­le ken­nen wir uns so gut aus, dass wir für man­che Häu­ser schon gar kei­nen Antrag mehr gestellt haben.«

Einen Teil­erfolg gibt es allen Rück­schlä­gen zum Trotz den­noch zu fei­ern: Immer­hin konn­te ver­hin­dert wer­den, dass das Thea­ter K kom­plett in die Hei­mat­lo­sig­keit schlid­dert. Weil im Depot Tuch­werk in der Soers auf lan­ge Sicht ein Tex­til­mu­se­um geplant ist, fun­giert der Back­stein­bau am Strü­ver­weg aller­dings von vorn­her­ein als Inte­rims­lö­sung. Wenn alles nach Plan läuft, soll sich hier Mit­te Sep­tem­ber der ers­te Vor­hang heben. Die Suche nach einer fes­ten Blei­be geht für die Leu­te vom Thea­ter K aber auch nach Umzug und Pre­miè­re wei­ter. Als Ide­al schwebt den Schau­spie­lern ein Ort vor, der mög­lichst nahe an der Innen­stadt liegt und an dem man eine enge Ver­bin­dung mit Nach­barn und ande­ren Kul­tur­schaf­fen­den ein­ge­hen kann. Aus einem sol­chen Geist des kon­struk­ti­ven Neben- und Mit­ein­an­ders her­aus ist das Thea­ter K im Jahr 1986 über­haupt erst gegrün­det worden.

Zwei­drit­tel­mehr­heit 113 Pro­duk­tio­nen wur­den seit der Grün­dung insze­niert. 77 davon fie­len in die »Ära Bastei«.

Was ihnen in die­ser Situa­ti­on des nur vor­läu­fi­gen Ankom­mens hilft, ist die Tat­sa­che, dass sie sich noch nie all­zu abhän­gig von irgend­wel­chen Orten gemacht haben. »Wir sind das Thea­ter, nicht die Räu­me, in denen wir spie­len«, bringt es Annet­te Schmidt auf den Punkt. Auch schon zu Zei­ten, als sie mit der alten Schrei­ne­rei in der Rudolf­stra­ße oder der Bas­tei über fes­te Spiel­stät­ten ver­füg­ten, haben sie und ihre Mit­strei­ter immer wie­der die Her­aus­for­de­rung gesucht, an gänz­lich ande­ren Orten zu spielen.

Anarchie im Niemandsland

Dass die Burg Fran­ken­berg heu­te auch eine Thea­ter­lo­ca­ti­on ist, ist nicht zuletzt dem Thea­ter K zu ver­dan­ken. Mit zwei Pro­duk­tio­nen mach­ten sie das alte Gemäu­er im Fran­ken­ber­ger Vier­tel kul­tu­rell qua­si urbar. Und auch an der Stel­le, an der heu­te der Aache­ner Cam­ping­platz behei­ma­tet ist, haben es Deu­ti­cke, Creut­zer und Schmidt mit »König Ubu« einst dra­ma­tisch wer­den las­sen. Die Büh­ne damals: ein in zwei Tei­le gesäg­ter Dop­pel­de­cker­bus inmit­ten eines ver­wil­der­ten Stücks Nie­mands­land. »Das war ein wun­der­bar anar­chi­sches Stück Thea­ter an einem wun­der­bar anar­chi­schen Ort«, erin­nert sich Jochen Deu­ti­cke ger­ne an die­se Zeit. »So etwas wäre heu­te wahr­schein­lich gar nicht mehr möglich.«

Der­art anar­chisch wird es aller Vor­aus­sicht nach tat­säch­lich nicht wie­der wer­den. Den­noch blei­ben er und sei­ne bei­den Schau­spie­ler­kol­le­gin­nen die­ser Tra­di­ti­on des Aus­wärts­spiels treu. Bis in den Win­ter hin­ein sind schon Auf­füh­run­gen an ver­schie­de­nen Orten in Aachen geplant. Ins Space des Lud­wig Forums wird es das Thea­ter K mit den Pro­duk­tio­nen »Being Char­le­ma­gne« und »Per­plex« ver­schla­gen, mit wei­te­ren Stü­cken in die Sal­va­tor­kir­che, die Klang­brü­cke, die Fron­leich­nams­kir­che und den Glas­saal der Kurpark-Terrassen.

Bei soviel Arbeit bleibt kaum Zeit für einen weh­mü­ti­gen Abschied von der Bas­tei. Ohne­hin geht das Trio erstaun­lich unsen­ti­men­tal mit dem Ende nach einer der­art lan­gen Zeit um. Ein­zig beim fina­len Vor­hang des letz­ten Bas­tei-Stücks »Die Gal­gen­vö­gel« und den nicht enden zu schei­nen­den Stan­ding Ova­tions wur­den ein paar Trän­chen ver­drückt. Seit­dem geht der Blick nur noch nach vor­ne. »Als Schau­spie­ler sind wir es eben gewohnt, stän­dig Abschied zu neh­men«, erklärt Annet­te Schmidt. »Im Lauf der Zeit haben wir so vie­le Stü­cke hin­ter uns gelas­sen, in die wir viel inves­tiert hat­ten, dass wir das mit der Bas­tei jetzt auch gut hinbekommen.«

Wehmut an der Bahnsteigkante

Für Trau­er sorgt der Ver­lust der Spiel­stät­te eher im Umfeld der Thea­ter­schaf­fen­den und bei lang­jäh­ri­gen Stamm­gäs­ten. Mona Creut­zer: »Ein biss­chen ist die­se Situa­ti­on mit einer Abschieds­sze­ne am Bahn­hof ver­gleich­bar: Die Win­ken­den am Bahn­steig sind trau­rig. Die Leu­te im Zug spü­ren zwar etwas Weh­mut, sind aber vor allem auf das Neue gespannt, das ihnen ihre Rei­se brin­gen wird.«

Schluss­ak­kord Eine Abschieds­o­de an die Bas­tei gibt es bei You­Tube. Ein­fach die­sem Link folgen.

Noch eine Par­ty im August, dann wird der Zug end­gül­tig abge­fah­ren sein. Was vom Neu­en schon jetzt fest­steht, ist das Stück, das die Rei­sen­den insze­nie­ren wer­den, wenn sie ihre Kof­fer und Kis­ten in der Soers aus­pa­cken: »Rebel­li­on zu Aachen – Der dra­ma­ti­sche Auf­stand der Aache­ner Tex­til­ar­bei­ter im August 1830« nimmt direk­ten Bezug zu ihrer neu­en Spiel­stät­te. Und irgend­wie erin­nert auch das an das Jahr 1995. Die ers­te Pro­duk­ti­on nach dem Umzug in die Bas­tei war »Der Bal­kon« – ein Stück, das in einem Freu­den­haus spielt und dar­um her­vor­ra­gend in die vor­ma­li­ge Nacht­bar pass­te. Was aus ihr nach dem Aus­zug des Thea­ter K wird, steht noch in den Ster­nen. Von Sanie­rung bis Abriss ist alles möglich.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich in der August­aus­ga­be des Aache­ner Stadt­ma­ga­zins »Klen­kes«.

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