Nie mehr das fünfte Rad am Wagen

Löhrzeichen

Ein x‑beliebiger Sams­tag in einem x‑beliebigen Schuh­ge­schäft: Wäh­rend sich die weib­li­che Kund­schaft durch das reich­hal­ti­ge Ange­bot wühlt, lun­gern deren männ­li­che Beglei­ter auf den Sitz­ge­le­gen­hei­ten des Ladens her­um. Dabei reicht schon ein biss­chen guter Wil­le, um die­se immer wie­der­keh­ren­de Pro­ze­dur aktiv mitzugestalten.

Viel­leicht hät­test Du ahnen kön­nen, dass Ihr heu­te hier lan­den wür­det. Nein, eigent­lich hät­test Du es schon in dem Moment wis­sen müs­sen, als sie heu­te Mor­gen eine gemein­sa­me Shop­ping­tour vor­schlug. Schließ­lich habt Ihr auf sol­chen Run­den bis­her noch nie einen Bogen um die­ses Schuh­ge­schäft gemacht. Wie auch immer, jetzt lohnt es sich auch nicht mehr, mit dem Bereu­en anzu­fan­gen. Du sitzt hier zwi­schen den Rega­len und fer­tig. Weil momen­tan die Schu­he für sie die Haupt­rol­le spie­len, bist Du schlicht­weg abge­mel­det. Dass Du in die­sem Laden nicht das ein­zi­ge fünf­te Rad am Wagen bist, wirkt immer­hin ein wenig tröst­lich. Auch wenn sich eini­ge Dei­ner Lei­dens­ge­nos­sen deut­lich bes­ser vor­be­rei­tet prä­sen­tie­ren als Du selbst. Der Kerl vis a vis dad­delt auf sei­nem Smart­phone her­um, wäh­rend sich der Typ da hin­ten in der Ecke sogar ein Buch mit­ge­bracht hat. In Erman­ge­lung von Spiel­zeug oder Lese­stoff bleibt Dir der­weil fast nur übrig, es dem Mann neben der Ein­gangs­tür gleich zu tun. Teil­nahms­los bis phleg­ma­tisch stiert der schon seit etli­chen Minu­ten auf den Boden vor sei­nen Füßen. Medi­tiert der? Zählt er die Nop­pen auf dem PVC-Belag? Natür­lich könn­test Du das auch. Aber wie wäre es zur Abwechs­lung mit Plan B: Dei­ner Part­ne­rin beim Schuh­kauf zu assis­tie­ren? Das ist doch alle­mal bes­ser als her­um­zu­sit­zen wie bestellt und nicht abge­holt. Und eigent­lich auch ganz leicht. Gehe ein­fach auf Dei­ne bes­se­re Hälf­te zu und signa­li­sie­re Kooperationsbereitschaft.

Sei ehrlich, realistisch und ein Gentleman

Zunächst musst Du Dir jedoch bewusst machen, dass die­ses Spiel nicht nach Dei­nen Regeln gespielt wird. Der ratio­na­le Ansatz »gefällt mir, passt, ist bezahl­bar, neh­me ich« funk­tio­niert, bei­spiels­wei­se, über­haupt nicht. Hier sind Gefüh­le im Spiel – mäch­ti­ge Gefüh­le. Gib ihnen den nöti­gen Raum und argu­men­tie­re nicht lan­ge her­um. Auf die Fra­ge »Brauchst Du die wirk­lich?« lässt sich für gewöhn­lich kei­ne über­zeu­gen­de Ant­wort fin­den. War­um sie also stel­len? Schlu­cke auch jede wei­te­re Anmer­kung die­ser Art her­un­ter und schon bist Du im Ren­nen. Wirst Du nach Dei­ner Mei­nung zum aktu­ell anpro­bier­ten Paar gefragt, sei ehr­lich. »Sieht nicht so gut aus« ist eine eben­so zuläs­si­ge Aus­sa­ge wie »Super«. »Aber Du hast doch schon schwar­ze Schu­he« fällt hin­ge­gen nicht unter die Kate­go­rie Mei­nungs­äu­ße­rung. Fühlst Du Dich sicher genug, mache ger­ne auch eige­ne Vor­schlä­ge. Idea­ler­wei­se ziehst Du den ent­spre­chen­den Schuh in der pas­sen­den Grö­ße aus dem Regal. Zwi­schen den Zei­len trans­por­tierst Du dadurch ein Gefühl der Ver­traut­heit. Und Vor­sicht: Sei bei Dei­nen Vor­schlä­gen unbe­dingt rea­lis­tisch! Die­ser extrem hoch­ha­cki­ge Schuh mag sexy aus­se­hen, irgend­je­mand muss ihn aber auch tra­gen kön­nen und wol­len. Hat ein Paar das Herz Dei­ner Frau erobert, dis­ku­tie­re auf kei­nen Fall den in Dei­nen Augen völ­lig unan­ge­mes­se­nen Preis. Unter­las­se auch im Nach­hin­ein Anspie­lun­gen dar­auf, sonst fangt Ihr beim nächs­ten Mal wie­der bei Null an. Viel­leicht sogar dar­un­ter. Statt­des­sen eskor­tierst Du Paar und Part­ne­rin zur Kas­se, lauschst inter­es­siert der Ver­käu­fe­rin, wäh­rend sie die zum Schuh pas­sen­den Pfle­ge­pro­duk­te emp­fiehlt, und nimmst die Tüte ganz gen­tle­m­an­li­ke an Dich, nach­dem Dei­ne Her­zens­da­me bezahlt hat. Erst im Hin­aus­ge­hen wirst Du bemer­ken, wie schnell doch dies­mal die Zeit ver­gan­gen ist, ohne dass Du Dich auch nur ein­mal wie das fünf­te Rad am Wagen gefühlt hät­test. Zum Abschied nickst Du dem Mann neben der Tür zu, der immer noch die Nop­pen auf dem Boden zählt.

Die Okto­ber-Aus­ga­be des Bon­ner Stadt­ma­ga­zins »Schnüss« beschäf­tig­te sich sei­ten­lang mit dem The­ma Schu­he. Ich war gebe­ten wor­den, den Schuh­kauf aus der Sicht des Man­nes zu betrach­ten. Das ist das Ergebnis.

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