Der Tod gehört zu den wenigen Dingen, die jedem Menschen vorherbestimmt sind. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist das Ende des Lebens in der Gegenwart eines der letzten verbliebenen Tabuthemen der westlichen Welt: Wenn es nicht unbedingt sein muss, wird es erst gar nicht angeschnitten. Wo früher mit dem Anfertigen und Herumzeigen von Totenmasken, mit dem Verbreiten der letzten Worte ein regelrechter Kult betrieben wurde, herrscht heute zumeist Schweigen. Den Grund dafür sehen Soziologen vor allem in der weit verbreiteten Angst, zwangsläufig auch mit der eigenen Endlichkeit konfrontiert zu werden. Weil eine solche Endlichkeit einfach nicht in das Selbstbild des modernen Menschen passt.
Auch Klaus Puzicha hat sich nach eigenem Bekunden lange Zeit nicht mit den Themen Sterben und Tod beschäftigt. Geändert hat sich dies erst mit dem Ehrenamt, das der promovierte Psychologe seit seiner Pensionierung ausübt. Seit nunmehr zehn Jahren begleitet Puzicha schwerstkranke Menschen, denen die Medizin keine Heilung mehr bieten kann. Wie rasant sich die Palliativmedizin in dieser Zeit entwickelt hat und dass heutzutage kein Patient mehr Schmerzen erleiden muss, sind neben den zwischenmenschlichen Erfahrungen die wichtigsten Erkenntnisse, die er aus dieser Tätigkeit zieht. Sie lassen ihn weniger sorgenvoll über das eigene Ende nachdenken.
Der Kontakt zu den Schwerstkranken wird vom Zentrum für Palliativmedizin des Bonner Malteserkrankenhauses hergestellt, wo sich diese zum Zeitpunkt des Kennenlernens in Behandlung befinden. Vom ersten Moment an bestimmt einzig das Gegenüber, wohin die Reise im Gespann gehen soll. »Oft gibt es das Bedürfnis, unerledigte Aufgaben zu Ende zu führen«, berichtet Klaus Puzicha. »Oder abgebrochene Kontakte zu Verwandten wieder aufzunehmen.« Gespräche, Biographiearbeit oder, sofern es der Gesundheitszustand zulässt, Ausflüge: Bei der Planung der gemeinsamen Aktivitäten richtet er sich immer nach den Wünschen des Anderen. In der Folge entwickelt sich so schnell eine enge, beinahe freundschaftliche Beziehung.
Und obwohl Klaus Puzicha ganz genau weiß, dass er in absehbarer Zeit – mal sind es Tage, mal Wochen oder Monate – um den neuen Freund wird trauern müssen, lässt er sich voll und ganz auf diese Beziehungen ein. Im Laufe der Jahre hat er für sich einen Weg gefunden, den Tod des jeweiligen Gegenübers zu verarbeiten: Mit einigem Abstand schreibt er alle gemeinsamen Erlebnisse nieder. Die Erinnerungen, die dabei hochkommen, bilden den Abschluss seiner persönlichen Trauerphase.
Neben der Patientenbegleitung hat er eine weitere, thematisch ähnlich gelagerte Aufgabe, die ihm ganz besonders am Herzen liegt: Puzicha nimmt regelmäßig an Treffen teil, bei denen Kindern und Jugendlichen unter dem Titel »Trau Dich Trauern« geholfen wird, mit dem plötzlichen Tod naher Verwandter, etwa eines Elternteils, umzugehen. Hier lernen sie, den Verlust zu thematisieren. Hier werden ihnen Wege aufgezeigt, dessen traumatisierende Wirkung abzufedern. Auch diese Tätigkeit ist nicht unbedingt von Leichtigkeit geprägt. Dennoch möchte Klaus Puzicha solange weitermachen, wie es ihm nur irgend möglich ist. Denn selten, so sagt er, habe er etwas derart Sinnvolles in seinem Leben getan wie in seinen Ehrenämtern.
Seit einiger Zeit erstelle ich für die Lokalredaktion des General Anzeigers eine Porträtserie über Bonner Bürger, die sich auf verschiedensten Wegen ehrenamtlich betätigen. Dies ist einer der Artikel, die in diesem Zusammenhang entstanden sind.