Mehr als nur Entwurfsskizzen eines großen Architekten: Das Ludwig Forum zeigt ab dem 27. Oktober die Collagen Mies van der Rohes als äußerst eigenständige Kunstobjekte.
Ein mächtiger Steinsockel ragt vom Felsen in Richtung Rhein. Auf seinem Buckel führt ein von Riesenpfeilern gesäumter Freigang zum Inneren eines steinernen Halbkreises, in dem ein Denkmal steht. Ludwig und sein älterer Bruder Ewald waren sich einig: »So soll es aussehen, das Bismarck-National-Denkmal in Bingerbrück.« Als Collage reichten die beiden ihren Beitrag zum Wettbewerb um die Gestaltung des Jahrhundert-Monuments ein. Und wählten somit eine Technik zur Darstellung ihres Entwurfs, die in jenen Tagen zu Beginn des 20. Jahrhunderts massiv an Bedeutung gewann.
Später sollte der jüngere der beiden Brüder zu einem der bedeutendsten Architekten eben jenes Jahrhunderts heranreifen. Und während seiner gesamten Schaffenszeit blieb Ludwig Mies van der Rohe der Collage als Medium treu, um seine Ideen und Visionen vom Neuen Bauen bildlich fassbar zu machen.

Seinen 130. Geburtstag hätte der gebürtige Aachener im vergangenen Frühjahr gefeiert. Passenderweise beschäftigt sich im Jubiläumsjahr erstmals eine Ausstellung mit seinen Collagen. Sogar doppelt passend, findet diese Ausstellung doch ausgerechnet in seiner Heimatstadt statt. Genauer: im Ludwig Forum für Internationale Kunst. Chronologisch folgen die gezeigten Exponate dem Schaffen Mies van der Rohes, spannen dabei einen Bogen von eben jenem Bismarck-Denkmal-Entwurf aus dem Jahr 1910 über seine Zeit in den USA ab 1938 bis in die Spätphase seiner Tätigkeit in den 1960er Jahren.
Nachvollziehbare Gestaltungsprinzipien
Und apropos USA: Von dort stammen die gezeigten Collagen. Das Museum of Modern Art in Manhattan beteiligt sich als Leihgeber an der Ausrichtung dieser Ausstellung. Dementsprechend auch deren Titel: »Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA«.

Mies van der Rohe: Convention Hall Chicago Illinois 1952–54, Bildrechte: 2016 MoMA New York/Scala Florence
Auf faszinierende Art machen die gezeigten Collagen und Fotomontagen die Gestaltungsprinzipien des Architektur-Avantgardisten nachvollziehbar. Wie den Kreativen im Schaffensprozess die Inspiration aus allen Richtungen anspringt, hat Mies van der Rohe verschiedene Materialien zusammengetragen, um seine Vision perspektivisch frei in den virtuellen Raum zu werfen.
In jeder Collage verwendete er etwa Werke befreundeter oder bewunderter Künstler, was die Montagen zu weit mehr macht als Begleiterscheinungen eines Entwurfsprozesses. Mies van der Rohes Collagen haben das Zeug zum eigenständigen Kunstobjekt, in alle Richtungen verzahnt mit den Strömungen seiner Zeit und in ihrer Wirkung bis in unsere Tage hineinreichend.
Konversation zwischen einzelnen Werken
Und so bricht die Ausstellung auch immer wieder aus ihrer chronologischen Anordnung aus, um Querverweise aufzuzeigen, um Parallelen zu ziehen oder Konversationen zwischen einzelnen Werken zu ermöglichen. Dies geschieht durch das Hinzunehmen von Bildern anderer Künstler, die im direkten Kontext zu den Collagen stehen – sei es als Inspirationsquelle Mies van der Rohes oder als Auseinandersetzung mit seinem Schaffen.

Insgesamt spannt sich so ein weites künstlerisches Feld auf, in dessen Mittelpunkt der berühmteste Aachener Architekt und seine Collagen stehen. Den Wettbewerb um das Bingerbrücker Bismarck-Denkmal haben Ludwig und Ewald im Übrigen nicht gewonnen. Aber auch nicht verloren. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs wurde ein Sieger niemals gekürt und das Monument nie gebaut.
»Mies van der Rohe. Die Collagen aus dem MoMA« feiert am 27.10. im Aachener Ludwig Forum Eröffnung. Die Ausstellung läuft danach bis zum 12. Februar 2017.
Eine gekürzte Fassung dieses Artikels erschien in der Herbstausgabe der Aachener Stadtzeitung »NEO«. Die verwendeten Bilder entstammen dem Pressematerial zur Ausstellung. Entsprechende Bildrechte stehen in den Bildunterschriften.