Proberaumbesuch bei Fluid To Gas: Still On Air

Fluid To Gas_Foto Marc Gärtner
Foto: Marc Gärtner

Lei­den­schaft und Inten­si­tät sind das Fun­da­ment ihrer Musik. Seit ver­gan­ge­nem Herbst ist die Bon­ner Post-Hard­core-Insti­tu­ti­on Flu­id To Gas ein Quartett.

Don­ners­tag­abend am Ran­de der Bon­ner Alt­stadt: In einem Kel­ler wird zwi­schen Boxen­tür­men, Gitar­ren, Bäs­sen und einem Schlag­zeug Piz­za und Rot­wein gereicht. Tra­di­tio­nell beginnt die Pro­be von Flu­id To Gas mit gemein­sa­mem Essen. Die Gesprä­che dre­hen sich erst ein­mal gar nicht um Musik. Jeder erzählt, was ihn in den letz­ten Tagen bewegt hat, fin­det offe­ne Ohren, streift das Drau­ßen ab und ist spä­tes­tens mit dem letz­ten Bis­sen end­gül­tig in die­sem Par­al­lel­uni­ver­sum angekommen.

»Hier geht es nicht ein­fach nur dar­um, dass sich ein paar Leu­te tref­fen und Musik machen«, erklärt Jörg Gol­de­li­us. »Die­se Band ist auch ein wich­ti­ger Ort, an dem jeder von uns sich so ent­fal­ten kann, wie es im All­tag nicht immer passt.« Schlag­zeu­ger Gol­de­li­us hat Flu­id To Gas im Jahr 1994 mit­ge­grün­det. Und seit ihren Anfangs­ta­gen ste­hen er und die ande­ren für Musik in der klang­li­chen Tra­di­ti­on sol­cher Bands wie Fuga­zi, für Inten­si­tät, für Lei­den­schaft, für geleb­te DIY-Kul­tur. Flu­id To Gas pro­du­zie­ren und ver­le­gen ihre Ton­trä­ger eben­so auf eige­ne Faust, wie sie das Boo­king von Kon­zer­ten oder deren Bewer­bung kom­plett selbst übernehmen.

Einfaches Prinzip: Alle wohlfühlen!

Songs, Tex­te, Tour­nee­pla­nung, Pres­se­ar­beit: Alles ist schon immer im engen Aus­tausch mit­ein­an­der ent­stan­den. Es gibt kei­nen Band­lea­der. Das Kol­lek­tiv bestimmt. Und jedes Band­mit­glied inves­tiert soviel Zeit und Ener­gie wie mög­lich. Über einen der­art lan­gen Zeit­raum funk­tio­niert genau das aber nicht, wenn man sich aus­schließ­lich als Hau­fen ver­steht, der mit­ein­an­der Musik macht. »So wie wir das als Band machen, braucht es eine per­sön­li­che Ebe­ne«, sagt Gitar­rist, Sän­ger und eben­falls Mit­grün­der Chris­ti­an Cara­zo. Als Label­be­trei­ber von F‑Spin Records ver­öf­fent­licht er zudem alle Plat­ten von Flu­id To Gas und von Bands, die min­des­tens sehr ähn­lich ticken. »Unser Prin­zip ist recht ein­fach«, ver­rät er. »Alle sol­len sich jeder­zeit wohlfühlen.«

Die Keim­zel­le des Wohl­füh­lens liegt hier in die­sem Pro­be­raum. Ein guter Lacher zwi­schen zwei Bis­sen Piz­za gehört dazu, aber auch erns­te Gesprä­che über All­täg­li­ches. Oder gemein­sa­mes Kra­men in Erin­ne­run­gen an Zei­ten, als Flu­id To Gas mal nach Süd­ita­li­en, mal nach Kopen­ha­gen tour­ten, bei wild­frem­den Leu­ten auf dem Küchen­bo­den schlie­fen, nach­dem sie in der Nach­bar­schaft einen klei­nen Laden mit ihrem Post Hard­core zum Kochen gebracht hat­ten. Oder an die ganz frü­hen Jah­re Mit­te der 90er, als sie noch den Pro­be­raum im Wes­ter­wald hat­ten, an dem manch­mal ein klei­nes Bäch­lein Gän­se­blut vor­bei­floß, weil gleich neben­an die Schlach­te­rei stand.

Vor allem aber gehö­ren die­je­ni­gen Momen­te zum Wohl­füh­len, in denen alle ihre Instru­men­te in der Hand haben, in denen eine neue Idee an der Gitar­re und das Schlag­zeug per­fekt inein­an­der grei­fen, in denen der Bass ein­steigt und wie aus dem Nichts ein Song ent­steht, der knallt.

»Unse­re Musik muss raus, wir müs­sen raus!« (Bas­sist Peter Fröhlingsdorf)

Mit die­sem Knall hin­ter meist ver­schlos­se­nen Türen gibt sich die Band aber nicht zufrie­den. »Wir sind nicht dazu gemacht, im Pro­be­raum zu ver­sau­ern«, spricht Peter Fröh­lings­dorf allen ande­ren gleich mit aus dem Her­zen. Der Bas­sist stieß im Herbst 1997 zur Band. »Unse­re Musik muss raus, wir müs­sen raus!« Fol­ge­rich­tig brin­gen er und die ande­ren das Wohl­füh­len unters Volk – so wie sich Flüs­sig­keit am Sie­de­punkt ver­än­dert, sich im gas­för­mi­gen Aggre­gat­zu­stand über­all­hin ver­brei­tet. Flu­id To Gas: Der Band­na­me ist nicht zufäl­lig gewählt. Und er hat auch weit jen­seits der Stadt­gren­zen von Bonn einen guten Klang. Wer ihn bei Freun­den der inten­si­ve­ren Gitar­ren­mu­sik fal­len lässt, ern­tet oft­mals wis­sen­des Nicken.

Beschnuppern und Aufbruch

»Flu­id To Gas sind eine Insti­tu­ti­on. Natür­lich fühl­te ich mich geehrt, als ich Chris­ti­an am Tele­fon hat­te.« Erst im ver­gan­ge­nen Jahr hat Micha­el Imhof die Band zum Quar­tett ergänzt. Was die Fin­dung des neu­es­ten Band­mit­glieds angeht, sind die Zei­ten schon ande­re als noch 1994. Damals begeg­ne­ten sich Jörg Gol­de­li­us und Chris­ti­an Cara­zo zufäl­lig in der Dusche eines Schwimm­bads. Sie erkann­ten sich als Mit­glie­der von Bands wie­der, die kurz zuvor eine Show zusam­men gespielt hat­ten, und hoben kur­ze Zeit spä­ter Flu­id To Gas aus der Tau­fe. Dass Imhof als Gitar­rist zu haben sei, ent­nahm die Band wie­der­um den sozia­len Medi­en. Ein Foto bei Face­book iden­ti­fi­zier­te ihn als Musi­ker auf Band­su­che. »Wir haben eigent­lich schon immer von einem zwei­ten Gitar­ris­ten geträumt und haben ihn zum Beschnup­pern ein­ge­la­den«, blickt Cara­zo zurück.

Fluid To Gas im Bla_Foto Marc Gärtner
Foto: Marc Gärtner

Der Beschnup­per­vor­gang ist inzwi­schen abge­schlos­sen. Mit einem Kon­zert im ver­gan­ge­nen Herbst wur­de Micha­el Imhof als vier­tes Band­mit­glied fest­ge­macht. »Natür­lich wer­de ich noch eini­ge Zeit der Neue blei­ben«, sagt er. »Die ande­ren spie­len immer­hin seit 20 Jah­ren mit­ein­an­der. Aber ich fühl mich jetzt schon total wohl.« Da ist es wie­der, die­ses Wohl­füh­len. Und es trägt dazu bei, dass er und sei­ne teils bis in den Metal rei­chen­den Ein­flüs­se den Sound der Band um wei­te­re Nuan­cen erwei­tern. Jörg Gol­de­li­us: »Unse­re Vor­stel­lung war es, dass eine zwei­te Gitar­re die Atmo­sphä­re unse­rer Musik inten­si­viert. Das haut abso­lut so hin.«

Von Auf­bruch­stim­mung spre­chen alle Band­mit­glie­der. Die­se soll sich im Lau­fe des Jah­res in der Ver­öf­fent­li­chung meh­re­rer Vinyl-Sin­gles nie­der­schla­gen. Und natür­lich in so vie­len Live-Erleb­nis­sen wie mög­lich. Den Anfang macht ein Kon­zert im Bla. Am 4. März wer­den sich Flu­id To Gas die dor­ti­ge Büh­ne mit den groß­ar­ti­gen Noi­ser­o­ckern von Heim teilen.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich in der Febru­ar­aus­ga­be des Bon­ner Stadt­ma­ga­zins »Schnüss«. Das Bild­ma­te­ri­al wur­de mir von Flu­id To Gas und dem Foto­gra­fen Marc Gärt­ner zur Ver­fü­gung gestellt. Vie­len herz­li­chen Dank dafür.

Etli­che Klang­bei­spie­le aus allen Schaf­fens­pha­sen der Band fin­den sich auf deren Band­camp-Sei­te oder auf dem Sound­cloud-Kanal des Labels F‑Spin.

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