»Outer Space« in der Bundeskunsthalle: Völlig losgelöst

Hiroyuki Masuyama - 0 (Foto: David Ertl)
Foto: David Ertl, 2014, © Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Ein­mal Welt­all und zurück: Die Aus­stel­lung »Outer Space – Fas­zi­na­ti­on Welt­raum« zeigt in der Bun­des­kunst­hal­le Kurio­ses, Über­ra­schen­des und Geschichtsträchtiges.

Der Weg hin­ein ist ein klei­ner Schritt für die Mensch­heit, ein Klet­tern, das aber Gro­ßes für den ein­zel­nen Men­schen birgt. Im Inne­ren der Kugel herrscht Stil­le. Nur ver­ein­zelt drin­gen gedämpf­te Stim­men von außen ans Ohr. Das Licht bleibt mit dem Schlie­ßen der Klap­pe hin­ter dem Besu­cher zurück – zumin­dest das Licht des Rau­mes, in dem die Kugel steht. Sobald sich die Augen an die neue Umge­bung gewöhnt haben, wer­den statt­des­sen ande­re Lich­ter sicht­bar. 30.000 Glas­fa­sern malen einen erstaun­lich rea­lis­ti­schen Ster­nen­him­mel an die gewölb­te Innen­wand. Von die­sen künst­li­chen Ster­nen umge­ben, kann sich der Mensch in der Kugel für einen Augen­blick wie Gaga­rin füh­len, wie Arm­strong oder wie Major Tom. Die­ses Erleb­nis hin­ter­lässt Spu­ren in den Gesich­tern der Besu­cher. Selbst Astro­naut Rein­hold Ewald, der das Welt­all in sei­ner tat­säch­li­chen Schön­heit ken­nen­ge­lernt hat, soll beim Ver­las­sen der Kugel leuch­ten­de Augen gehabt haben.

Schlicht und ergrei­fend »0« heißt die­se aus 4.200 Holz­stü­cken gefer­tig­te Instal­la­ti­on des in Düs­sel­dorf leben­den Japa­ners Hiroy­u­ki Masu­ya­ma. Sie ist eines der beein­dru­ckends­ten Expo­na­te der Aus­stel­lung »Outer Space – Fas­zi­na­ti­on Welt­raum«, die seit Anfang Okto­ber in der Bun­des­kunst­hal­le gezeigt wird. In ins­ge­samt zwölf Räu­men wid­met sich die­se Aus­stel­lung den gro­ßen Fra­gen und Träu­men der Mensch­heit: Woher kom­men wir? Was bedeu­tet Unend­lich­keit? Sind wir allei­ne hier? Ist ein Leben auf ande­ren Pla­ne­ten denkbar?

Den Anspruch, Ant­wor­ten auf die­se Fra­gen zu bie­ten, erhe­ben die bei­den Kura­to­ren Clau­dia Dich­ter und Ste­phan And­reae dabei nicht. Ihre Aus­stel­lung ist viel­mehr eine Bestands­auf­nah­me der mensch­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung mit dem Sehn­suchts­ort Welt­raum, der die Men­schen seit jeher umtreibt. In die­sem Kon­text folgt »Outer Space« kei­nem unbe­ding­ten roten Faden. Statt­des­sen tra­gen hun­der­te Expo­na­te und zahl­rei­che teils mul­ti­me­dia­le Instal­la­tio­nen der Wei­te die­ses The­mas Rech­nung, set­zen in jedem Raum neue Impul­se, wecken Asso­zia­tio­nen, zei­gen Kurio­ses, Über­ra­schen­des und Geschichts­träch­ti­ges. So wie den medi­zin­ball­gro­ßen Gesteins­bro­cken, der die Besu­cher gleich hin­ter dem Ein­gang emp­fängt – die Über­res­te eines der frü­hes­ten doku­men­tier­ten Meteo­ri­ten­fäl­le. Am 7. Novem­ber 1492 don­ner­te die­ser Bro­cken in die Atmo­sphä­re, ehe er im elsäs­si­schen Ensis­heim einschlug.

Foto: David Ertl, 2014, © Kunst- und Aus­stel­lungs­hal­le der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land GmbH

Fas­zi­nie­rend sind die rie­si­gen klo­bi­gen Astro­nau­ten- und Kos­mo­nau­ten­an­zü­ge mit ihren ver­spie­gel­ten Visie­ren; bedrü­ckend dage­gen die Enge in der Raum­kap­sel »Liber­ty Bell 7«, die 1961 nach ihrer Lan­dung auf den Mee­res­grund sank und erst 38 Jah­re spä­ter gebor­gen wur­de. Das media­le Echo auf die Hel­den, die sich in die­sen flie­gen­den Besen­kam­mern in den Welt­raum schie­ßen lie­ßen, kommt eben­so zur Spra­che wie die Bana­li­tät, die ihren All­tag dort oben beglei­tet. Astro­nau­ten­so­cken und eine Raum­schiff­toi­let­te haben bei wei­tem nicht die Attrak­ti­vi­tät, die Otto Nor­mal­bür­ger mit dem Leben als Astro­naut ver­bin­den mag. Aber sie sind eben auch ein Teil der Geschich­te vom Men­schen und sei­nem Ver­such, das Welt­all zu durch­drin­gen und zu verstehen.

Foto: Kunst- und Aus­stel­lungs­hal­le der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, © Kan­sas Cos­mo­sphe­re and Space Cen­ter, 2014

Zwi­schen all die­sen Aus­stel­lungs­stü­cken, die nicht zuletzt dank der Koope­ra­ti­on mit dem Deut­schen Zen­trum für Luft- und Raum­fahrt zusam­men­ge­tra­gen wer­den konn­ten, zeigt »Outer Space« auch die kul­tu­rel­le Rezep­ti­on des The­mas. »Die Schöp­fung der Milch­stra­ße« von Peter Paul Rubens hängt hier als Leih­ga­be des Pra­do-Muse­ums in Madrid. Ein ande­res Gemäl­de zeigt Gali­leo Gali­lei, wie er im Ange­sicht der Alter­na­ti­ve Schei­ter­hau­fen sei­ne Idee von der Son­ne als Mit­tel­punkt unse­res Uni­ver­sums wider­ruft. Ein Raum steht ganz im Zei­chen der pop­kul­tu­rel­len Auf­ar­bei­tung – der Sci­ence Fic­tion. R2D2, C3PO und ET sind hier zu Gast, wer­den flan­kiert von Bei­spie­len der UFO-Forschung.

Und auch die dunk­len Kapi­tel der Geschich­te blei­ben nicht unauf­ge­schla­gen: die Rake­ten­for­schung der Nazis, zum Bei­spiel, oder der Wett­lauf zum Mond zwi­schen UdSSR und USA, der den Kal­ten Krieg ins Welt­all ver­la­ger­te. Dem ers­ten Todes­op­fer der Raum­fahrt ist ein eige­ner, beklem­men­der Raum gewid­met. Neben ver­kohl­ten Tei­len der Aus­rüs­tung von Wla­di­mir Koma­row läuft sein letz­ter Funk­spruch in Dau­er­schlei­fe. »Du Idi­ot«, sagt sein Inge­nieur, bevor die Lei­tung abbricht.

Vor dem Ver­las­sen der Aus­stel­lung wird der Besu­cher dann wie­der geer­det. Die Instal­la­ti­on »Big Crunch Clock« von Gian­ni Mot­ti zeigt, das es mit der Unend­lich­keit doch nicht so weit her ist. Sie zählt die Zeit her­un­ter, die noch ver­ge­hen wird, bis unse­re Son­ne explo­diert. Dem­nach blei­ben nur noch etwas weni­ger als 5 Mil­li­ar­den Jah­re. »Outer Space – Fas­zi­na­ti­on Welt­raum« endet kurz zuvor, am 22. Febru­ar 2015.

© Tre­vor Paglen, cour­te­sy Gale­rie Tho­mas Zan­der, Köln /​Alt­man Sie­gel Gal­lery, San Fran­cis­co /​Metro Pic­tures, New York

Beglei­tet wird die Aus­stel­lung von so genann­ten Satel­li­ten – etwa dem Modell der Aria­ne-Rake­te auf dem Vor­platz oder einer Aus­stel­lung der Astro­fo­to­gra­fien Tre­vor Paglens im Kunst­mu­se­um Bonn. Eine App zur Aus­stel­lung gibt es eben­falls. »grasp« bie­tet Ant­wor­ten auf 150 Fra­gen, die man sich schon immer zum Welt­all gestellt hat.

Dar­über hin­aus wer­den die Rück­kehr des Astro­nau­ten Alex­an­der Gerst von der Raum­sta­ti­on ISS und die Lan­dung der Raum­son­de »Roset­ta« auf dem Kome­ten »Tschurn­ju­now-Gera­mi­sen­ko« mit spe­zi­el­len Ver­an­stal­tun­gen im Rah­men der Aus­stel­lung gewür­digt wer­den. Ob es für »Wel­co­me Home! Alex­an­der Gerst« am 8. Dezem­ber noch Kapa­zi­tä­ten gibt, wird bis zum 24.11. geklärt wer­den. Die Beglei­tung der »Rosetta«-Landung am 12.11. ist hin­ge­gen lei­der schon end­gül­tig ausgebucht.

Eine leicht gekürz­te Fas­sung die­ses Arti­kels erschien in der Novem­ber-Aus­ga­be des Bon­ner Stadt­ma­ga­zins »Schnüss«.

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