Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich regelmäßig Talk-Shows schaute. Berufsbedingt. Anderntags kam mir jeweils die Aufgabe zu, das Gesehene möglichst unterhaltsam ins Schriftliche zu übersetzen. Selten habe ich mich mit einem Job schwerer getan. Denn tatsächlich war keinem dieser Talkformate auch nur im Entferntesten etwas Unterhaltsames abzugewinnen – und ich habe sie alle etliche Male gesehen, die Beckmanns und Wills, die Jauchs, Maischbergers und Illners. Menschen spielen öffentlich Meinungs-Ping-Pong, während zwischen ihnen sitzend jemand versucht, die vermeintlich wichtigsten Aspekte des jeweiligen Themas in rund einer Stunde durchzujagen. Nach spätestens zwei Sätzen muss schon zum nächsten Punkt navigiert werden. Manche nennen das Moderation. »Ist es an dieser Stelle nicht wichtig, auch einmal…?« Nein!
Um es auf den Punkt zu bringen: Alle Talk-Shows im deutschen Fernsehen sind in meinen Augen komplette Zeitverschwendung. Weil nichts wirklich zu Ende diskutiert wird, weil alles vage bleibt. Und weil einem als Zuschauer jegliche Möglichkeit der Interaktion fehlt. Dass all seine Kolleginnen und Kollegen ähnlich sinnfreien Mist produzieren, reicht trotzdem noch lange nicht aus, die Talkerei eines Herrn Lanz in den grünen Bereich zu relativieren. Dieser Mann sorgt bei mir für Alarmstufe Rot. Denn was immer die anderen an Gähnenswertem produzieren: Der freundliche Markus unterbietet alles völlig mühelos. Dass der Ex-Explosive einmal die große Hoffnung des deutschen Fernsehens gewesen sein soll, macht mich als langjährigen Anhänger der Flimmerkiste unglaublich traurig.
Denn der Markus ist eigentlich gar nicht freundlich, er will von den Geschichten seiner Gäste auch eigentlich gar nichts wissen. Wahrscheinlich will er vor allem gemocht werden, dabei irgendwie fetzig und pfiffig rüberkommen und »hochunterhaltsam« sein. Seine Strategie, das zu erreichen, ist fast schon bemitleidenswert: Schablonenhaft spult er sein Programm ab, stellt Fragen, die nicht einmal an der Oberfläche kratzen, zwischen deren Zeilen eine, die Intelligenz der Zuschauer beleidigende, Mischung aus Uninformiertheit und Desinteresse heraustropft. Lanz unterbricht die Leute, hat kein Gespür für Gesprächssituationen, geschweige denn dafür, wie auf veränderte Situationen flexibel zu reagieren sei. Empathie: Fehlanzeige. Sein Humor ist unterirdisch, seine unglaublich altbackenen, herrenwitzesken, nicht selten sexistischen Sprüchlein kommen ohne Rhythmus und Pointe aus. Dieser Mann wirkt innerlich frühvergreist, älter als mein Opa, Jahrgang 1917. Und zur Krönung bekommt man diese Zumutung, wenn man es drauf anlegen möchte, gleich mehrfach pro Woche serviert.
Immerhin hat Herr Lanz schon vor einiger Zeit mit dem öffentlichen Kochen aufgehört, kürzlich auch mit der Betreuung des leckgeschlagenen ZDF-Show-Schlachtschiffs. Eines Tages wird er vielleicht auch nicht mehr talken dürfen. »Du musst das ja nicht gucken«, mag man mir nun völlig zurecht entgegenschleudern. Das mache ich ja auch nicht mehr. Weil ich es berufsbedingt nicht mehr muss. Und weil ich wegen Sendungen wie der seinen die Glotze abgeschafft habe. Aber das ist eine andere Geschichte.
Am Tag nach der letzten Ausgabe von »Wetten, dass…?« sprachen Kollegin Gitta und ich darüber, ob das Fernsehen noch einen Rest-Lanz bräuchte. Oder ob seine Talksendung auch weg könne. Am Ende ist die Diskussion als »Pro und Contra« in der Januar-Schnüss gelandet, die in diesen Tagen erscheint. Das hier ist die etwas längere Fassung meines Beitrags.