Der Frühling lockt Menschen aus aller Welt nach Bonn. Am 23. April steht das alljährliche Kirschblütenfest in der Altstadt an.
Es gibt einige wenige Tage in jedem Jahr, an denen Japan ein Stück weit auch am Rhein liegt. Das sind die Tage, an denen die japanische Zierkirsche Bonns Altstadt in ein Blütenmeer verwandelt, wie man es sonst nur von Fotos aus dem fernöstlichen Frühling kennt. Rosafarben wölben sich dann Abermillionen Blüten über ganze Straßenzüge. Und wie im Heimatland der Kirsche werden auch in der alten Bundeshauptstadt der farbliche Reichtum und die Pracht ihrer Blütezeit ausgiebig gefeiert. Was dort seit Jahrhunderten als »Hanami« begangen wird, heißt hier seit rund einem Jahrzehnt schlicht »Kirschblütenfest«. Und dieses Fest erfreut sich Jahr für Jahr wachsender Beliebtheit.
Einst lokal, heute international
Mit einem derartigen Zuspruch hat beim Pflanzen der Bäume vor rund drei Jahrzehnten sicher niemand gerechnet. Ende der 1980er Jahre kam die japanische Zierkirsche im Rahmen eines städtischen Strukturprogramms in die Altstadt. Bonns Norden sollte schöner werden, die Wohnqualität im über die Jahre ergrauten Handwerkerviertel steigen. Ein Vorhaben, das fraglos gelang. Seither säumen neben etlichen, mittlerweile weitestgehend vom Grau befreiten Gründerzeithäusern eben auch rund 300 Bäume die Straßen zwischen Kaiser-Karl-Ring und Oxfordstraße. Früchte tragen sie nie, im Frühling dafür aber umso mehr Blüten. Anfänglich noch vor allem für Anwohner ein Vergnügen, zog die Kirschblüte im Lauf der Jahre immer weitere Kreise. Aus der lokalen wurde eine regionale wurde eine bundesweite Attraktion.
Ungefähr an diesem Punkt entwickelte mit der Altstadtinitiative Bonn eine Vereinigung von Anwohnern die Idee, die Freuden der Natur mit denen der Kultur zu vereinen, um den Kirschblüten-Touristen auch die sonstigen Vorzüge der Altstadt zu präsentieren. Mit ehrenamtlichem Engagement setzten sie ihre Idee in die Tat um und das »Kirschblütenfest« war geboren – mit Konzerten und Lesungen, mit künstlerischen und kulinarischen Feinheiten. Und natürlich mit rosa Blüten en Masse.
Wie die Kirschblüte selbst läuft auch das Fest längst nicht mehr unter dem Label »Geheimtipp«. Aus der Nordstadtverschönerung der 80er ist in der Gegenwart ein international beachtetes Ereignis geworden. Reiseführer in aller Welt empfehlen die Bonner Kirschblüte, aber auch Tourismus-Blogs oder Online-Zusammenstellungen der Marke »111 Dinge, die man gesehen haben sollte, bevor man stirbt«. Dank der Vielzahl solcher Empfehlungen braucht sich die Bonner Kirsche über mangelnde Aufmerksamkeit nicht zu beklagen. Im vergangenen Jahr waren einer polizeilichen Schätzung zufolge 20.000 Menschen dem Ruf des Kirschblütenfestes gefolgt. In diesem Jahr werden es kaum weniger werden.
Autofreies Epizentrum
»Schon im Vorfeld ist das Interesse riesig«, weiß Frauke Schröder zu berichten. Gemeinsam mit Torsten Ulke betreibt die Bonnerin das Blog »Meine Altstadt Bonn«. Weil der enorme Arbeitsaufwand für die Ehrenamtler der Altstadtinitiative nicht mehr zu stemmen war, übernehmen die beiden Blogger ab diesem Jahr die Organisation des Kirschblütenfests. Presseanfragen aus Russland gehören aktuell ebenso zu ihrem Alltag wie Anmeldungen ganzer Busgesellschaften aus den Niederlanden. Selbst Japaner, die während der Kirschblüte nicht zu Hause sein können, finden in Bonn ein hervorragendes Mittel gegen Heimweh. Die Folge des Runs auf das rheinische Kirschblütenfest: Erstmals werden Teilstücke der Heerstraße und der Breite Straße gesperrt werden. Hier wird das Epizentrum des Events liegen.
»Wir möchten gerne zeigen, was Bonn alles zu bieten hat.«
Frauke Schröder und Torsten Ulke
Bei der Planung des Festes haben die beiden Organisatoren die Grundidee der Gründer übernommen: »Wir möchten gerne zeigen, was Bonn alles zu bieten hat.« Zusammen mit Gastronomen, Gewerbetreibenden und Anwohnern der Altstadt haben sie ein buntes Programm zusammengestellt. So werden auf einer Bühne auf dem Hof der Marienschule Musiker aus der Region auftreten. Von Hip Hop bis zu Klassik mit Teilen des Beethovenorchesters wird jede Generation akustisch bestens versorgt werden. Darüber hinaus wird an etlichen Ecken der Altstadt Kulinarisches und Kulturelles geboten sein. Traditionell wird es einen Blüten-Fotowettbewerb und einen Flohmarkt ohne gewerbliche Anbieter geben. Das komplette Programm wird aktuell noch einem Feintuning unterzogen. Exakte Informationen und Zeitangaben werden auf der Webseite des Kirschblütenfests veröffentlicht, sobald sie feststehen.
Friedlich, sonnig, rosa
Bleibt nur zu hoffen, dass auch die japanische Zierkirsche mitspielt. Sie ist der letzte Unsicherheitsfaktor auf dem Weg zu einem gelungenen Fest. Wie es sich für eine Pflanze gehört, lässt sie ihre Blüte nicht auf einen Termin festlegen. Etliche Parameter wie die Länge und Strenge des Winters spielen mit hinein. Bei der genauen Terminierung haben sich die Organisatoren an den Erfahrungen vergangener Jahre entlang gehangelt. Seit Januar steht der 23. April als Datum für das Kirschblütenfest. Und derzeit scheint es, als sei diese Entscheidung eine sehr gute gewesen, als fiele das Fest genau in die Zeit, in der Japan ein Stück weit am Rhein liegt. »Das wäre großartig«, freut sich Frauke Schröder. »Schließlich wünschen wir Altstädter uns alle einen friedlichen, sonnigen, rosafarbenen Nachmittag.«
Dieser Artikel erschien ursprünglich am 13. April in der Aachener Zeitung und den Aachener Nachrichten. Das Foto stammt aus dem Pressematerial des Kirschblütenfests.