Als Streetworker zeigt der ehemalige Basketballprofi Joe Asberry Jugendlichen Alternativen zu Gewalt und Kriminalität auf. Aufgrund seiner Vergangenheit im Gangleben der US-Westküste weiß er genau, wovon er spricht.
Freitagabend in Tannenbusch: Rund 60 Jugendliche bevölkern die Turnhalle des hiesigen Schulzentrums, um sich miteinander bei einem nächtlichen Basketballturnier zu messen. Während sie die Bälle in den Korb rauschen lassen, schallt ganz stilecht Hip Hop aus den Boxen – immer wieder unterbrochen von einer sonoren, männlichen Stimme. »Great Move«, lobt sie einen besonders formvollendeten Korbleger, um gleich darauf einen anderen Spieler anzuspornen: »Come on, Du schaffst das.« Die Stimme gehört Joe Asberry, einem von drei festen Mitarbeitern der gemeinnützigen Organisation Rheinflanke in Bonn, die sich hier und in anderen Orten der Region die Vermittlung von Werten, sowie die Stärkung von Kompetenzen auf ihre Fahne geschrieben hat. Dass ein solches Vorhaben über das Medium Sport möglich ist, glaubt Joe Asberry nicht nur, er weiß es. Basketball hat dem heute 47-jährigen US-Amerikaner nach eigenem Bekunden das Leben gerettet.
Aufgewachsen in den Problemvierteln der kalifornischen Bay Area zwischen Oakland und San Francisco, kommt Asberry früh mit der Härte der dort ansässigen Gangs in Berührung. Zwar öffnet ihm sein sportliches Talent die Tür zur Pepperdine University, doch recht bald schlägt er diese wieder zu. Aufgrund von Disziplinlosigkeiten verliert er seinen Platz im Team. »Eigentlich war ich im Paradies, aber trotzdem nicht glücklich«, blickt er auf seine College-Zeit zurück. Mit deren abruptem Ende lässt er auch die Chance hinter sich, auf dem in Nordamerika üblichen Weg für den Profisport entdeckt zu werden. Anerkennung suchend, wird er stattdessen auf den Straßen der US-Westküste fündig – in einem Spagat zwischen Basketball und Bandenleben. Im Verlauf zahlreicher Turniere wächst er in den frühen 90er Jahren zu einem Star des Streetbasketballs heran, zu »Jumping Joe«, der den Ball wie kaum ein anderer mittels Dunking in den Korb stopfen kann. Sobald »Jumping Joe« aber nach einem Turnier heimkehrt, fällt er in die alten Muster zurück: Kriminalität, Gewalt, Drogen.
»Ein Leben als Gangster ist überhaupt nicht so cool, wie es in Filmen wirkt. Ich habe gesehen, wie Leute erschossen wurden. Freunde wurden verhaftet oder sind an Überdosen gestorben.«
»Meine Gangster-Ära«, nennt er diese Phase heute, vor deren Nachahmung er eindringlich warnt: »Dieses Leben ist überhaupt nicht so cool, wie es in Filmen wirkt.« Vor allem gibt es in der Realität kein Happy End à la Hollywood: »Ich habe gesehen, wie Leute erschossen wurden. Freunde wurden verhaftet oder sind an Überdosen gestorben.« Und neben Freunden werden auch direkte Verwandte Opfer dieses Lebenswandels. Im Jahr 2008 erliegt Asberrys älterer Bruder Rick den Spätfolgen seines Drogenkonsums. Nahezu zeitgleich kommt dessen Sohn im Kugelhagel eines Bandenkrieges ums Leben – Schicksale, die auch Asberry selbst hätten ereilen können, wenn er nicht viele Jahre zuvor die Notbremse gezogen hätte. 1993, der Profibasketballzug scheint im Alter von 28 Jahren längst abgefahren, gibt ihm sein Talent noch eine weitere Chance. Diesmal greift er zu.
Ein Talentspäher wird bei einem Turnier auf den 1,98m-Hünen aufmerksam. Mit der Unterschrift des ersten Profivertrags heuert Asberry in Japan an. Er lässt das Gangsterdasein hinter sich, konzentriert sich voll auf den Sport und kommt dank ihm herum in der Welt. Deutschland, Finnland, Schweiz und Luxemburg lauten die weiteren Stationen seiner Karriere, an deren Ende er sich entschließt, sein Wissen und seine Erfahrungen an Jugendliche weiterzugeben – vorzugsweise an die aus sozialen Brennpunkten. Gemeinsam mit Landsmann Pat Elzie setzt er 2002 ein Programm auf, das den in seiner Heimat längst populären und in Bezug auf Drogen- und Gewaltprävention bewährten Mitternachtsbasketball auch nach Deutschland bringen soll. Allen Unkenrufen zum Trotz – etliche Male müssen die beiden Pioniere Argumente der Sorte »Deutschland ist kein Basketballland« entkräften – geht das Konzept auf. Fortan reist Asberry im Dienst der guten Sache und des Basketballs durch Deutschland. Von Hamburg nach Heidelberg, von Stuttgart nach Hannover und letztlich auch nach Bonn. Über einen Bekannten kommt es zum Kontakt zur Rheinflanke, für die Joe Asberry ab Herbst 2011 als Streetworker tätig wird.
Seither steht die Tür zu seinem Büro im Bonner Stadtteil Tannenbusch – einem dieser Viertel mit hoher Arbeitslosigkeit und schlechtem Ruf, wie es sie in jeder deutschen Großstadt gibt – allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen offen. Asberry hört sich deren Probleme an, gibt ihnen Ratschläge, zeigt ihnen Perspektiven auf, sucht mit ihnen nach Lösungen, nach einem Plan, nach einem Weg hinaus. Und von Zeit zu Zeit spielt er mit ihnen auch Basketball. Denn der, so sagt Asberry, rettet schließlich Leben.