Vor einem Jahrzehnt: Ende in Alkmaar

Alkmaar – Ecke Pinto (Foto: Carl Brunn)
Foto: Carl Brunn

Manch­mal sehe ich Simon Rol­fes noch auf uns zulau­fen. Von Ser­gio Pin­to in Sze­ne gesetzt, dringt er halb­links in den Straf­raum ein und läuft auf das Tor zu, hin­ter dem ihn etwa 950 Ale­man­nen anfeu­ern – allei­ne vor Kee­per Henk Tim­mer, den Ball am Fuß, die Ent­schei­dung auf dem Schlappen.

Etwas weni­ger als eine Stun­de war gespielt, damals in Alk­maar. Die Ale­man­nia war in der drit­ten Haupt­run­de des UEFA-Pokals zu Gast bei AZ Alk­maar. Nach dem 0:0 im Hin­spiel und bei 1:0 Füh­rung durch Erik Mei­jer wäre das 2:0 wohl der Nagel im Sarg der Nie­der­län­der gewe­sen. In mei­nem Hin­ter­kopf wur­den Fra­gen laut: Ist mein Rei­se­pass noch gül­tig? Was kos­tet so eine Tour in die Ukrai­ne? Der Geg­ner im Fal­le unse­res Wei­ter­kom­mens stand so gut wie fest. Zeit­gleich, das ent­nah­men wir der Anzei­ge­ta­fel in Alk­maar, schmiss Shakhtar Donezk Schal­ke aus dem Pokal.

Alkmaar – Flutlicht
Foto: Carl Brunn

Mach das Ding, Simon, dann sind wir die letz­te deut­sche Mann­schaft im Wett­be­werb – als Zweit­li­gist. Und wir wür­den noch ein­mal eine etwas span­nen­de­re Tour machen als die­se hier ins unmit­tel­ba­re Nachbarland.

Alkmaar – Fietsen
Foto: Carl Brunn

Wir hat­ten Reykja­vik gese­hen, Sevil­la genos­sen und in Athen sagen­haft gewon­nen. Für die­se Run­de wäre unter ande­rem New­cast­le United im Topf gewe­sen, aber man los­te uns eben AZ Alk­maar zu – nicht ein­mal vier Stun­den mit dem Bus von Aachen ent­fernt gele­gen. Unge­fähr jeder drit­te mit­rei­sen­de Fan war hier in der Nähe schon min­des­tens ein­mal in Urlaub. Jetzt aber wink­te Donezk.

Donezk wink­te auch noch, als Simons Schlen­zer ins kur­ze Eck miss­lang. Alk­maar brauch­te schließ­lich immer noch zwei Kis­ten, um wei­ter­zu­kom­men. Wir muss­ten nicht lan­ge war­ten, bis das Zit­tern begann: Ein paar Minu­ten nach der ver­ge­be­nen Chan­ce fiel der Aus­gleich. Noch ein­mal zehn Minu­ten spä­ter flog Tho­mas Steh­le mit Gelb-Rot vom Platz – unbe­rech­tigt, wie sich alle Schwarz-Gel­ben heu­te noch sicher sind.

Natür­lich kam, was irgend­wie kom­men muss­te. Unse­re zehn ver­blie­be­nen Spie­ler war­fen sich den Angrif­fen der Haus­her­ren mit allem ent­ge­gen, was sie hat­ten. Das 2:1 fiel trotz­dem. Und weil unse­re ver­zwei­fel­ten Ver­su­che, eine pas­sen­de Ant­wort zu geben, am Ende erfolg­los ver­puff­ten, war die Euro­pa­po­kal­mes­se 2004/​2005 für die Ale­man­nia gele­sen. Kein Donezk für uns.

Alkmaar – Kurve und Zaun
Foto: Carl Brunn

Mit dem Schluss­pfiff ende­te das durch­ge­knall­tes­te Jahr mei­nes Daseins als Ale­man­niafan. »Ein Jahr auf Speed«, nann­ten wir die Zeit in der dar­auf fol­gen­den Aus­ga­be von »In der Pratsch«. Auch wenn die­ses Jahr, das mit dem Sieg im Pokal gegen die Bay­ern begann, mit dem Sieg gegen Glad­bach und dem Pokal­fi­na­le wei­ter­ging und das uns so bis nach Euro­pa führ­te, end­gül­tig vor­bei war. Es hin­ter­ließ Gesprächs­stoff, der bis zum heu­ti­gen Tag reicht.

IN DER PRATSCH, Ausgabe 6

Gro­ßes haben wir in die­ser Zeit erlebt. Groß­ar­tig haben sich unse­re Jungs gegen Geg­ner geschla­gen, die auf dem Papier haus­hoch über­le­gen waren. Für ein paar Wochen sprach man in Euro­pa vol­ler Respekt über unser Team und uns Fans. Und auch wenn ich Simon Rol­fes noch manch­mal auf uns zulau­fen sehe, den Ball am Fuß, die Ent­schei­dung auf dem Schlap­pen, hade­re ich nicht mit dem Aus­schei­den damals in Alk­maar. Auch wenn ich schon ger­ne nach Donezk gefah­ren wäre.

(Die Fra­ge, wie­viel so eine Tour in die Ukrai­ne wohl kos­tet, ist mir nie beant­wor­tet wor­den. Der Bank­be­ra­ter mei­nes Ver­trau­ens mein­te aber, das Aus­schei­den sei aus Sicht mei­nes Kon­tos nicht so schlecht gewesen.)

Heu­te vor genau zehn Jah­ren spiel­te mei­ne Ale­man­nia bei AZ Alk­maar und schied aus dem Euro­pa­po­kal aus. Weil ich den Beginn unse­rer Euro­pa­tour zu des­sen Zehn­jäh­ri­gem im ver­gan­ge­nen Sep­tem­ber schon the­ma­ti­siert hat­te, hielt ich es für eine gute Idee, das auch mit deren Ende zu tun. Eine Zusam­men­fas­sung des Spiels in beweg­ten Bil­dern (aller­dings ohne die Rol­fes-Chan­ce) fin­det sich drü­ben auf der Face­book-Sei­te der »Tra­di­ti­ons­ret­ter«.

Wie beim Groß­teil aller Euro­pa­po­kal­tou­ren jener Zeit war auch in Alk­maar der Foto­graf, Fuß­ball-Enthu­si­ast und Pratsch-Kol­le­ge Carl Brunn mit von der Par­tie. Eini­ge der Bil­der, die er an die­sem Tag schoss, hat er mir freund­li­cher­wei­se für die­sen Arti­kel zur Ver­fü­gung gestellt.

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