Stadtrundgang Lüttich: Belgisches Savoir-vivre

Golf Guide: Lüttich

»Ville Étin­ce­lan­te« wird Lüt­tich genannt – feu­ri­ge Stadt. Die­se Bezeich­nung mag ein­mal mit der in der Peri­phe­rie ansäs­si­gen Schwer­indus­trie zusam­men­ge­han­gen haben. Sie passt aber auch her­vor­ra­gend zur Lebens­lust der Einwohner.

Es ist nicht unbe­dingt Lie­be auf den ers­ten Blick, die Rei­sen­de auf dem Weg nach Lüt­tich emp­fin­den. Egal, aus wel­cher Rich­tung man auch kom­men mag: Auf dem Weg ins Zen­trum pas­siert man zwangs­läu­fig Indus­trie­land­schaf­ten ent­lang der Maas, von denen man­che ihre bes­te Zeit ganz offen­sicht­lich hin­ter sich haben. Doch ein­mal in den Vier­teln ange­kom­men, die den Stadt­kern aus­ma­chen, ent­fal­tet sich der unver­wech­sel­ba­re Charme der wal­lo­ni­schen Metro­po­le. Plötz­lich rei­hen sich die Sehens­wür­dig­kei­ten anein­an­der – geschichts­träch­ti­ge Bau­ten, hoch­herr­schaft­li­che Stadt­häu­ser, Muse­en in ehe­ma­li­gen Klös­tern, Brun­nen und Brü­cken, Denk­mä­ler und gan­ze Stra­ßen­zü­ge, die bel­gi­sches Flair und Savoir-viv­re atmen.

Bischofssitz und freie Republik

Manch einer bemüht bei der Beschrei­bung der Schön­heit Lüt­tichs Ver­glei­che mit Paris. Doch im Grun­de braucht es nicht die Stadt an der Sei­ne, um die an der Maas – oder Meu­se, wie der Fluss hier heißt – in die Her­zen sei­ner Leser oder Zuhö­rer zu hie­ven. Das bekommt Lüt­tich auch ganz gut allei­ne hin. Etwa mit dem Vier­tel rund um den Place Saint-Lam­bert, der bau­li­chen und his­to­ri­schen Keim­zel­le der Stadt. Hier steht der Palais des Prin­ces-Évê­ques, der ehe­ma­li­ge Bischofs­pa­last – mit reich ver­zier­ten Innen­hö­fen und Säu­len­gän­gen ein Relikt mit­tel­al­ter­li­cher Bau­kunst. Unweit des Palas­tes hat­te der­einst auch die Lam­ber­tus-Kir­che gestan­den, die aller­dings im Jahr 1794 dem Über­ei­fer der Nach­re­vo­lu­ti­on zum Opfer fiel. Ein Modell der Kir­che wird heu­te im Musée d’Art reli­gieux et d’Art mosan unweit des ehe­ma­li­gen Stand­or­tes aus­ge­stellt. Dass beim Abriss des Got­tes­hau­ses aus­ge­rech­net Scher­gen aus Aachen hal­fen, gehört nicht unbe­dingt zu den hells­ten Kapi­teln in der Geschich­te der Bezie­hun­gen zwi­schen den bei­den Städten.

Doch was gera­de die­se Bezie­hung angeht, gab es auch ande­re Zei­ten. Karl der Gro­ße reis­te häu­fig aus Aix la Cha­pel­le an die Meu­se. In spä­te­ren Jah­ren inspi­rier­ten sich Bau­her­ren hüben wie drü­ben gegen­sei­tig. Gemein­sam­kei­ten sind in den Fas­sa­den vie­ler Häu­ser unver­kenn­bar. Und wie die Aache­ner lie­ßen sich auch die Lüt­ti­cher nicht immer alles von »denen da oben« gefal­len. Davon zeugt das Vier­tel, das auf einer vor­ge­la­ger­ten Insel am ande­ren, dem rech­ten Ufer des Flus­ses liegt: Outre­meu­se. Hier wohn­ten der­einst die­je­ni­gen Bür­ger, die sich von Herr­schern und Fürs­ten los­ge­sagt hat­ten in einer selbst­er­klär­ten frei­en Repu­blik. Das Vier­tel der Auf­müp­fi­gen – frü­her ver­rucht und von der fei­nen Bür­ger­schaft gemie­den – stellt sich in der Gegen­wart vor allem als äußerst leben­dig dar.

Atmosphäre hinter Gittern

Die engen Gas­sen von Outre­meu­se ber­gen eine Unmen­ge an klei­nen, gemüt­li­chen Geschäf­ten und Loka­len. Bei einem Spa­zier­gang durch das Quar­tier soll­te man sich kei­nes­wegs von dem Git­ter abschre­cken las­sen, hin­ter dem die ver­win­kel­te Rue Rotu­re beginnt. Zu Beginn des 20. Jahr­hun­derts war dies nötig, um Kin­der vor Unfäl­len mit der noch neu­en und unbe­kann­ten Stra­ßen­bahn zu schüt­zen. Gefahr lau­er­te damals also nur für die Klei­nen – heu­te gar nicht mehr. Statt­des­sen lau­ert hin­ter dem Git­ter ein male­ri­sches Stück Stadt­ge­schich­te mit Innen­hö­fen, guter Küche in diver­sen Häu­sern und einem bezau­bern­den Ambi­en­te. Alle Vor­zü­ge auf engs­tem Raum: Hier lässt sich die Atmo­sphä­re von Outre­meu­se in ver­dich­te­ter Form genießen.

Unmit­tel­bar im Vier­tel liegt auch die Kir­che Saint-Pho­li­en, der Geor­ges Sime­non ein­mal einen gan­zen Kri­mi­nal­ro­man sei­ner legen­dä­ren Kom­mis­sar-Mai­gret-Rei­he gewid­met hat. Wie über­haupt Outre­meu­se und die ande­ren zen­tra­len Vier­tel Lüt­tichs vor kunst­his­to­ri­schen, lite­ra­ri­schen oder geschicht­li­chen Hin­wei­sen über­lau­fen. Zwi­schen all die­sen gran­dio­sen Ein­drü­cken locken immer wie­der kuli­na­ri­sche Genüs­se und klei­ne, aber fei­ne Shop­ping-Tem­pel. Und weil die Bewoh­ner von Lüt­tich gesel­li­ge Men­schen sind, erwa­chen die Stra­ßen und Gas­sen hier som­mers wie win­ters all­abend­lich zum Leben. Im Gegen­satz zu den Indus­trie­bau­ten in der Peri­phe­rie ist das der zwei­te Blick auf Lüt­tich, der­je­ni­ge, der im Her­zen hän­gen bleibt.

Die­ses Stadt­por­trät ent­stand ursprüng­lich für den sport­lo­sen Teil eines Golf­ma­ga­zins. Die­ses Maga­zin wid­met sich den Roughs und Greens im bel­gisch-nie­der­län­disch-deut­schen Drei­län­der­eck. Und eben auch dem Leben in die­ser Gegend zwi­schen Aachen, Maas­tricht und Lüttich.

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