Im Dreiländereck rund um Aachen gestalten viele Menschen ihren Alltag grenzenlos. Wohnen in Belgien oder den Niederlanden, arbeiten oder studieren in Deutschland, leben in Europa: Mit entsprechender Beratung lassen sich Hürden beim Wandel zum Grenzgänger überspringen.
Den Traum von den eigenen vier Wänden haben sich Manuela Bley und Thomas Figge schon vor langer Zeit erfüllt. Auf der Suche nach einem Haus, das ihren Ansprüchen genügt, war das Ehepaar zur Jahrtausendwende im ostbelgischen Örtchen Hergenrath fündig geworden. Im Mai 2000 wurde das frisch gekaufte und umgebaute Anwesen bezogen. Seitdem leben die beiden deutschen Staatsbürger auf belgischem Boden – gemeinsam mit ihren beiden Pflegekindern Rute und Ully, dem Hund Gobi und den beiden Katzen Pepper und Chili. Die Immobilie bietet ausreichend Platz, so dass der selbständige Schreiner Figge auch seine Werkstatt unter demselben Dach hat einrichten können.
»Ein vergleichbares Haus in Aachen wäre für uns damals gar nicht bezahlbar gewesen«, nennt Manuela Bley einen der Gründe, warum sie und ihr Partner sich seinerzeit für den Sprung über die Grenze entschieden. Die formelle Ummeldung ins Nachbarland ist ihr als »viel Papierkram« in Erinnerung geblieben, als »organisatorische Herausforderung«, vor allem aber als machbar. »Eine Erleichterung ist, wenn man jemanden hat, der einem sagt, was zu tun ist, welches Formular man wann und wo abgeben muss.« In ihrem eigenen Fall übernahm eine Kollegin diese Rolle, die dabei aus dem Erfahrungsschatz ihres eigenen Umzugs nach Belgien schöpfte. Antworten auf Fragen, die darüber hinaus offen blieben, erhielten Manuela Bley und Thomas Figge bei den hilfsbereiten Mitarbeitern des zuständigen belgischen Gemeindeamts in Kelmis.
Pfadfinderin im Gesetzesdschungel
Wer bei den Formalitäten eines solchen Umzugs nicht auf erfahrene Kolleginnen oder auskunftsfreudige Ämter zurückgreifen kann, muss dennoch nicht alleine im Regen stehen. Zumindest nicht, solange er oder sie sich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des in Aachen ansässigen Grenzinfopunkts wendet. Bereits seit 1999 arbeitet Christina Löhrer-Kareem bei dieser Beratungsstelle für Grenzgänger – für Menschen, die in einem EU-Land leben, während sie in einem anderen ihrem Beruf nachgehen.
»Ich habe in all meinen Jahren als Grenzgängerberaterin noch keine Woche erlebt, in der nicht mindestens ein völlig neuer Sachverhalt auf meinem Schreibtisch gelandet ist.«
Lohnt sich ein Zweitwohnsitz an meinem Arbeitsort? Wo kann ich meinen Rentenanspruch geltend machen? Welches Land ist für die Zahlung des Kindergeldes zuständig? Wie funktioniert das mit den Steuern? Und das mit der Krankenversicherung? Die Fragen, die Löhrer-Kareem täglich erreichen, sind ebenso zahlreich wie vielfältig. Für keine von ihnen gibt es eine vorgefertigte Antwort nach dem Schema F. »Jeder Fall bietet andere Feinheiten und Tücken«, erklärt die 54-jährige Soziologin. »Ich habe in all meinen Jahren als Grenzgängerberaterin noch keine Woche erlebt, in der nicht mindestens ein völlig neuer Sachverhalt auf meinem Schreibtisch gelandet ist.« Abgesehen von den verschiedenen Ausgangssituationen der jeweiligen Beratungsklienten liegt das Erleben von ständig Neuem auch an der komplexen Gesetzeslage, die sich zudem fast stetig im Wandel befindet.
Belgien, Deutschland und die Niederlande: In der Euregio Maas-Rhein prallen die Gesetze gleich dreier Länder aufeinander, die es im Interesse der Grenzgänger in Einklang zu bringen gilt. Immer wieder werden diese verändert – meist nur in Nuancen. Gesamteuropa haben die jeweiligen nationalen Gesetzgeber dabei nicht immer zwingend vor Augen. Während derlei kleine Änderungen an den »normalen« Einheimischen oftmals spurlos vorübergehen, haben sie auf das Leben von Grenzgängern bisweilen eklatante Auswirkungen. In Anbetracht dieser Tatsache bezeichnet sich Christina Löhrer-Kareem selbst scherzhaft als Pfadfinderin im Gesetzesdschungel. Und um in diesem Dschungel jederzeit und umfassend den Überblick zu behalten, hat sie schon vor Jahren einen runden Tisch ins Leben gerufen. An diesem treffen sich in regelmäßigen Abständen Vertreter verschiedener Institutionen, Ministerien, Ämter, Versicherungen und Gewerkschaften aus allen drei Ländern zum Austausch. Wenn sie wieder auseinander gehen, ist jeder Teilnehmer auf dem neuesten Stand.
Problemlos binational
Von diesem neuesten Stand profitieren darf beim Grenzinfopunkt jeder. Die Beratungsstelle steht allen potenziellen oder bereits aktiven Grenzgängern offen. Als Teil des EURES-Netzwerks bietet der Grenzinfopunkt neben Antworten auf Umzugsfragen auch Hilfe bei der Arbeitsanbahnung im benachbarten Ausland. »Im Sinne einer optimalen Beratung ist eine rechtzeitige Kontaktaufnahme zu empfehlen«, sagt Christina Löhrer-Kareem. Rechtzeitig im Sinne von vor dem Umzug oder der Aufnahme der neuen Beschäftigung. »Einmal gemachte Fehler, falsch oder gar nicht ausgefüllte Formulare sorgen für Komplikationen, die teils schwer wieder auszuräumen sind.« Wird das Grenzgängertum hingegen von vornherein korrekt in die Wege geleitet, sind die Abläufe reibungslos.
Als reibungslos erleben auch Manuela Bley und Thomas Figge ihren Alltag dies- und jenseits der deutsch-belgischen Grenze. Zahlreiche Kunden des Schreiners kommen aus Deutschland, die Diplomheilpädagogin arbeitet für einen Jugendhilfedienst in Aachen, wo auch die beiden Kinder zur Schule gehen. Bürokratische Probleme ergeben sich durch diese binationalen Verquickungen dennoch nicht. Eher im Gegenteil: »Die hiesige Verwaltung agiert oft sehr unkompliziert«, berichtet Thomas Figge von bisherigen Erlebnissen. Auch unabhängig von auszufüllenden Formularen und Ämtern bietet das Leben in Hergenrath eine ganze Reihe schöner Seiten. »Hier ist alles sehr ländlich, naturbelassen und grün. Parkplatzsuche ist ein Fremdwort. Und unsere belgischen Nachbarn waren uns gegenüber von Anfang an unheimlich freundlich und aufgeschlossen.« Entsprechend gerne bringt sich die Familie in das gesellschaftliche Leben in dem Ort ein, in dem sie sich vor einem guten Jahrzehnt den Traum von den eigenen vier Wänden erfüllt haben.