BonnLAB: Experimentierort Stadtlabor

Johanna Schäfer (Foto: BonnLAB)
Foto: BonnLAB

Seit Anfang Mai wer­den in Beu­el Ideen gewälzt und Netz­wer­ke gespon­nen. Im »Bonn­LAB« fei­ert der gute alte Quar­tiers­ge­dan­ke Renaissance.

Stadt­ent­wick­lung, das war ein­mal ein Feld, auf dem sich eini­ge weni­ge Aus­er­wähl­te tum­mel­ten. Ent­schei­dun­gen wur­den in der Regel ohne Betei­li­gung der brei­ten Bevöl­ke­rung gefällt. Und eine gute Stadt ließ sich vor allem an der Qua­li­tät des Wohn­raums mes­sen. Grü­ne Oasen, kin­der­freund­li­che Plät­ze oder Orte der Begeg­nung waren allen­falls schmü­cken­des Bei­werk. Natür­lich hat es auch damals schon »Men­schen von der Stra­ße« gege­ben, die in Sachen Stadt­pla­nung eige­ne Ideen hat­ten, die mehr woll­ten als nur schi­cke vier Wän­de und ein Fens­ter zum Raus­schau­en. Doch all­zu sel­ten schenk­te man ihnen Gehör – sofern die­se Ideen man­gels Sprach­rohr über­haupt jemals das eige­ne Wohn­zim­mer verließen.

Gut andert­halb Jahr­zehn­te in das 21. Jahr­tau­send hin­ein sieht die Lage ganz anders aus. Teil­ha­be an der Ent­wick­lung des eige­nen Lebens­raums und des­sen akti­ve Mit­ge­stal­tung sind durch das Inter­net und spe­zi­ell die sozia­len Medi­en mög­li­cher gewor­den. Hier fin­den sich Gleich­ge­sinn­te, Aus­tausch, Unter­stüt­zung und Bestär­kung. Vie­ler­orts fehlt es jedoch an einer Über­tra­gung die­ser digi­ta­len Chan­cen in die ana­lo­ge Welt, an Gele­gen­hei­ten des Auge-in-Auge-Aus­tauschs, des tat­säch­li­chen Kon­takts. In Beu­el gibt es seit Anfang Mai einen Ort, der die­se Mög­lich­kei­ten bie­tet. Ein Stadt­la­bor, in dem jeder herz­lich will­kom­men ist, der Bonn ein biss­chen bes­ser machen möch­te – das »Bonn­LAB«.

»Auch mal was riskieren.«

Johan­na Schä­fer hat das Bon­ner Stadt­la­bor ins Leben geru­fen. Im Rah­men ihrer Bache­lor­ar­beit hat­te sich die 24-jäh­ri­ge ange­hen­de Archi­tek­tin mit Stadt­ent­wick­lung im All­ge­mei­nen und Bonn im Spe­zi­el­len beschäf­tigt. Sie ent­wi­ckel­te ein Kon­zept, das moder­ne Stadt­ent­wick­lungs­the­men in ins­ge­samt sechs Berei­che unter­teil­te, um so den Sta­tus Quo zu ana­ly­sie­ren, eine Stra­te­gie zur Ver­bes­se­rung zu ent­wi­ckeln und deren Umset­zung anzu­ge­hen. Mit Blick auf das Beet­ho­ven­jahr 2020 hat­te sie die ein­zel­nen Berei­che in Anleh­nung an Bonns liebs­ten Sohn benannt: etwa »Lud­wig­Fun« für den kul­tu­rel­len Teil, »Beet­Hö­fe« für den architektonischen.

Nach erfolg­reich absol­vier­ter Bache­lor­ar­beit taten sich der Beue­le­rin im ver­gan­ge­nen Novem­ber dann zwei beruf­li­che Wege auf: »Ich hat­te die Wahl zwi­schen dem unge­wis­sen Weg in die Selb­stän­dig­keit und einer siche­ren Voll­zeit­an­stel­lung. Ich bin noch recht jung, da kann man auch mal was ris­kie­ren. Dar­um habe ich mich dazu ent­schie­den, mein eige­nes Ding auszuprobieren.«

Johanna Schäfer_Foto BonnLAB
Foto: Bonn­LAB

Und so trans­por­tier­te sie ihre Bache­lor­ar­beit in die Pra­xis. Für die Ent­ste­hung der Arbeit hat­te Schä­fer ein Büro zur kos­ten­frei­en Zwi­schen­nut­zung an der Ber­li­ner Frei­heit 36 bezo­gen. Hier war sie schnell in Kon­takt mit inter­es­sier­ten Anwoh­nern gekom­men, hat­te sich mit ihnen aus­ge­tauscht und deren Gedan­ken in die Arbeit mit ein­be­zo­gen. Johan­na Schä­fer: »Die syn­er­ge­ti­sche Qua­li­tät eines sol­chen Ortes woll­te ich auf kei­nen Fall ver­lie­ren. Das Haus an der Ber­li­ner Frei­heit stand wegen geplan­ten Abris­ses aber nicht mehr zur Ver­fü­gung. Dar­um habe ich mich nach etwas Neu­em umge­se­hen.« In Beu­els Zings­heim­stra­ße 2, Ecke Lim­pe­ri­cher Stra­ße wur­de sie in einem leer­ste­hen­den Laden­lo­kal fün­dig. Mit der Unter­schrift unter den Miet­ver­trag war das »Bonn­LAB« geboren.

Nachbarschaftliches Für- und Miteinander

Klei­ne Ideen, gro­ße Pro­jek­te: Was immer den Leu­ten vor­schwebt, hier fin­den sie Unter­stüt­zung, Ver­net­zung und Syn­er­gien. Immer häu­fi­ger und zahl­rei­cher sind an die­sem Ort die unter­schied­lichs­ten Bon­ner anzu­tref­fen – meist ist es jedoch noch Johan­na Schä­fer selbst, die nach eige­nem Bekun­den unheim­lich ger­ne mit Men­schen zu tun hat. Im Stadt­la­bor wer­den Visio­nen dis­ku­tiert, ana­ly­siert, wei­ter­ge­spon­nen, aus­pro­biert, umge­setzt oder mit ande­ren Ideen zu etwas Grö­ße­rem ver­wo­ben. Nur eine ein­zi­ge Sache hat hier kei­nen Zutritt: das gro­ße »Ja, aber!« » Es bringt nichts gute Gedan­ken direkt wie­der im Keim zu ersti­cken, nur weil die Idee dahin­ter zu schön klingt, um wahr zu sein.«, bemän­gelt Schä­fer die hie­si­ge Kul­tur, mit Ideen umzu­ge­hen. »Dabei brau­chen die­se Gedan­ken Ver­trau­en und Rücken­de­ckung, um etwas ver­än­dern zu können.«

Schnüss, September 2016, Seite 8

Etwas ver­än­dern wie das etwa der Salat­turm »MYGRE­EN­tree« tut, der Men­schen auf kleins­tem Raum ermög­licht, Lebens­mit­tel anzu­bau­en. Erst kürz­lich hat Johan­na Schä­fer mit die­sem Kon­strukt den Ideen­wett­be­werb der Bür­ger­stif­tung »Gute Ideen für Bonn« gewon­nen hat. Oder wie die Initia­ti­ve »Bon­nec­tions«, die im »Bonn­LAB« eine Anlauf­stel­le gefun­den hat. Aus der Flücht­lings­hil­fe ent­stan­den, bringt sie alt­ein­ge­ses­se­ne Bon­ner und Men­schen zusam­men, die neu in der Stadt sind.

Im Grun­de ist es die uralte Idee des nach­bar­schaft­li­chen Für- und Mit­ein­an­ders, die mit sol­chen Initia­ti­ven und an Orten wie dem »Bonn­LAB« ihre Renais­sance fei­ert – Foodsha­ring, offe­ner Bücher­schrank und Klei­der­krei­sel inklu­si­ve. Tat­säch­lich trägt die­ser Quar­tiers­ge­dan­ke als Gegen­ent­wurf zur urba­nen Anony­mi­tät maß­geb­lich zur inner­städ­ti­schen Lebens­qua­li­tät bei. Aktu­ell vor allem in Beu­el. Wenn es nach Johan­na Schä­fer geht, eines Tages aber auch im gesam­ten Stadt­ge­biet. »Mein Traum ist es, dass es künf­tig in jedem Stadt­teil ein sol­ches Labor gibt.« Ja. Ohne Aber.

Ursprüng­lich erschien die­ser Arti­kel in der Sep­tem­ber­aus­ga­be des Bon­ner Stadt­ma­ga­zins »Schnüss«.

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