Kopflos glücklich

Unten am Fluss

Ein Unter­neh­men muss hier­ar­chisch struk­tu­riert sein. Es braucht eine Stra­te­gie und Zie­le. Die­se alt­ge­dien­ten Ansich­ten wer­den in der Gegen­wart kon­tro­vers dis­ku­tiert. Man­cher Exper­te hält sie für schlicht über­holt. Und prä­sen­tiert Gegenentwürfe.

Der Kopf denkt und der Kör­per macht. Seit Jahr und Tag wird die­ses ein­fa­che Prin­zip der Auf­ga­ben­tei­lung in Unter­neh­men rund um den Glo­bus ange­wandt. Im Manage­ment sit­zen die Pla­ner und Stra­te­gen, deren Ideen von den Ange­stell­ten umge­setzt wer­den. Von der Bud­ge­tie­rung über die Pro­duk­ti­on bis hin zu den Absatz­we­gen wird den Mit­ar­bei­tern alles bis ins Detail vor­ge­dacht und ‑gege­ben. Auf den Hier­ar­chie­ebe­nen unter­halb des Manage­ments ist Hin­ter­fra­gen meist uner­wünscht. Der Kör­per denkt nicht, er soll machen.

Roger Mar­tin gefällt die­se Her­an­ge­hens­wei­se nicht. Nach Ansicht des 56-Jäh­ri­gen bewirkt die­se strik­te Tren­nung zwi­schen Stra­te­gie und Aus­füh­rung nur Nega­ti­ves. Ange­stell­te füh­len sich weder wahr- noch ernst­ge­nom­men. Dabei wären gera­de sie prä­de­sti­niert, in ihren Teil­be­rei­chen kurz­fris­ti­ge Ent­schei­dun­gen zu tref­fen. Weil deren Not­wen­dig­keit aus unmit­tel­ba­rer Nähe bes­ser zu beur­tei­len ist als von ganz oben. In die­sem Zusam­men­hang plä­diert Mar­tin für ein Umden­ken in Sachen Unter­neh­mens­kul­tur. Der Wirt­schafts­wis­sen­schaft­ler, Dekan der Rot­man School of Manage­ment an der Uni­ver­si­tät von Toron­to, möch­te die lei­di­ge Kör­per­me­ta­pher durch eine ande­re ersetzt wis­sen – das Unter­neh­men als Fluss.

Dabei soll das Manage­ment durch­aus noch als stra­te­gi­scher Vor­den­ker fun­gie­ren, als Quel­le, um im Bild zu blei­ben. Die eigent­li­che Ver­än­de­rung setzt erst danach ein: Jeder Ange­stell­te erhält die Mög­lich­keit, sich aktiv in die Gestal­tung der Plä­ne ein­zu­brin­gen. Wie Strom­schnel­len, etwa, die den grund­sätz­li­chen Lauf des Flus­ses nicht ver­än­dern, immer­hin aber sei­ne Geschwin­dig­keit. Dass Roger Mar­tin mit die­sem nied­lich wir­ken­den Ver­gleich vor allem auf Füh­rungs­eta­gen wenig Freun­de fin­det, liegt auf der Hand. In der Pra­xis bedeu­tet die Fluss­me­ta­pher, dass das Denk­mo­no­pol der Obe­ren Zehn­tau­send auf­ge­weicht wird. Mit ande­ren Wor­ten: Machtverlust.

Auch Niels Pflae­ging rennt mit sei­nen Ideen nicht gera­de offe­ne Türen ein. Der Ansatz des 40-jäh­ri­gen Diplom­öko­noms ähnelt dem von Roger Mar­tin. Sei­ne Schluss­fol­ge­run­gen hin­ge­gen sind um eini­ges radi­ka­ler. Gin­ge es nach Pflae­ging, gehör­te lang­fris­ti­ge Pla­nung der Ver­gan­gen­heit an. Stra­te­gien und Bud­ge­tie­run­gen hält er für nicht mehr zeit­ge­mäß. Zu rasant und unbe­ein­fluss­bar sei­en die Ver­än­de­run­gen am Markt heut­zu­ta­ge, als dass man mit einer star­ren Aus­rich­tung noch dar­auf reagie­ren könn­te. Pflae­ging pro­pa­giert eine Ver­tei­lung der Ver­ant­wor­tung auf alle Mit­ar­bei­ter, sowie Ver­trau­en in deren Urteils­ver­mö­gen. Nur mit maxi­ma­ler Fle­xi­bi­li­tät sei­en Unter­neh­men noch sinn­voll zu führen.

Kon­se­quent zu Ende gedacht, wür­de dies jede Form von Manage­ment über­flüs­sig machen. Zwar wer­den Pflae­gings Ideen nicht zuletzt von der Fach­pres­se begeis­tert auf­ge­nom­men. Eine breit­flä­chi­ge Umset­zung in die Rea­li­tät wird aber noch eini­ge Zeit und Über­zeu­gungs­ar­beit in Anspruch neh­men. Wenn sie über­haupt mach­bar ist. Schließ­lich sind es eben die Mana­ger, die sol­cher­lei Ver­än­de­run­gen im jewei­li­gen Unter­neh­men ansto­ßen müss­ten. Und wer fragt schon die Frö­sche, wenn er den Teich tro­cken legen möchte?

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