Beziehungen zwischen einem Menschen mit und einem ohne HIV-Infektion bergen Risiken – für beide Seiten. Auch der Infizierte setzt viel aufs Spiel.
»Ich bin HIV-positiv.« Kaum ein Satz stellt eine Beziehung so sehr auf die Probe wie dieser. Aus dem Nichts steht plötzlich diese Krankheit im gemeinsamen Leben. Eine ganze Reihe grundsätzlicher Fragen wirft sich auf: Halte ich es aus, den geliebten Menschen leiden oder gar sterben zu sehen? Werden wir einen Weg finden, ein normales Leben zu führen? Wie sehr begebe ich mich selbst in Gefahr? An den Antworten zerbrechen immer wieder selbst langjährige Partnerschaften. Ist das Gegenüber gerade erst in das eigene Leben getreten, wiegt die Entscheidung für oder gegen ein Fortbestehen der Beziehung nicht minder schwer. Andernorts hängt der Himmel voller Geigen, während man selbst früh existenzielle Dinge besprechen muss.
Auch wenn ihr bewusst ist, dass sie die Leichtigkeit der ersten verliebten Wochen jäh beendet, geht für Daniela Winkler kein Weg an einer möglichst frühen Klarstellung vorbei. »Vertrauen ist für mich die Grundlage einer Partnerschaft. Wenn ich mich verliebe, spreche ich meine Infektion daher offen und direkt an.« Vor neun Jahren wurde die heute 38-Jährige positiv auf HIV getestet. Zwei Beziehungen ist sie seither eingegangen – jeweils mit Nichtinfizierten. Sie hat ihre Offenheit nicht bereut. Bei beiden Männern war das Gefühl für Daniela stärker als alle Zweifel. Doch ein solches Happy End stellt eher die Seltenheit dar. Eine rationale Beschäftigung mit den eigenen Sorgen zwischen Ansteckungsgefahr und Verlustangst ist nicht jedermanns Sache.
Viele Partner zeigen sich damit schlichtweg überfordert. Zusätzlich genährt wird die Unsicherheit durch ein nach wie vor weit verbreitetes Informationsdefizit. Auch fast drei Jahrzehnte nach der Entdeckung des Virus wird seine öffentliche Wahrnehmung von Stereotypen und falschen Vorstellungen geprägt. Die Fortschritte der medikamentösen Therapie und der daraus resultierende Gewinn an Lebensqualität haben sich hingegen noch kaum herumgesprochen. »Viele Menschen sind beim Thema HIV auf dem Stand der 80er und 90er Jahre stehen geblieben«, hat Sozialpädagogin Elke Schulte im Rahmen ihrer Arbeit bei der AIDS-Hilfe Aachen beobachtet. »Und leider dominiert immer noch das Bild von den Risikogruppen am Rande der Gesellschaft, die selbst Schuld sind – auch dies völlig unbegründet.«
Ein Großteil der Infizierten geht in einem solchen Klima sehr reserviert mit der Erkrankung um. Meist sind nur die engsten Freunde und Verwandten eingeweiht. Es gehört viel Mut dazu, sich zusätzlich einem Menschen anzuvertrauen, den man eigentlich erst richtig kennen lernen möchte. Schließlich setzt der Infizierte weit mehr als nur das potenzielle Ende der Liebe aufs Spiel. Arbeitsplatz, Wohnort, Freundeskreis: Der soziale Status steht und fällt auch heute noch mit dem Geheimhalten der Infektion. »Mit nur einem falschen Satz kann man meine gesamte Welt zum Einsturz bringen«, weiß Daniela Winkler um die Risiken eines indiskreten Eingeweihten. Verschweigen kommt für sie dennoch nicht in Frage. »Wenn er der Richtige ist, wird er mein Vertrauen nicht missbrauchen.«
Daniela Winkler heißt im echten Leben nicht Daniela Winkler. Ich habe ihrem Wunsch entsprochen, ihren Namen nicht zu nennen, und mich stattdessen eben für diesen entschieden.