Vor einem Jahrzehnt: Schwarz-Gelb international

Löhrzeichen
Die Teams vor dem Anpfiff
Foto: Wolf­ram Esser

Heu­te vor zehn Jah­ren war Don­ners­tag. Ich weiß das so genau, weil die­ser Tag ein ganz beson­de­rer in mei­nem Leben als Fuß­ball­fan war. Am 16. Sep­tem­ber 2004 spiel­te mein (dama­li­ger) Zweit­li­gist zum aller­ers­ten Mal in der sei­ner­zeit knapp 104-jäh­ri­gen Ver­eins­ge­schich­te im UEFA-Pokal. Als Pokal­fi­na­list der Vor­sai­son hat­te sich die Ale­man­nia für Euro­pa qua­li­fi­ziert. Und das Debüt wur­de direkt mal an einem wun­der­voll weit ent­fern­ten Ort gege­ben: im Natio­nal­sta­di­on von Reykja­vik. Geg­ner war der FH Haf­narf­jörður, ein Vor­ort­ver­ein der islän­di­schen Haupt­stadt. Weil des­sen Sta­di­on für den Euro­pa­po­kal nicht aus­ge­stat­tet war, zog man um in die gro­ße Hüt­te nebenan.

Wes­we­gen ich mich an den Tag so gut erin­ne­re? Ich war dabei. 24 groß­ar­ti­ge Stun­den lang war ich mit unge­fähr 500 ande­ren Ale­man­nen unter­wegs – mor­gens um 7 vom Tivo­li über Brüs­sel nach Kefla­vik, nach dem Abpfiff wie­der zurück, mor­gens um 7 wie­der zu Hau­se. (Mei­ne heim­kom­men­de Begeg­nung mit einer Bäcke­rin habe ich neu­lich erst dem Ste­fan in sein Pod­cast-Mikro erzählt. Das und noch eini­ges mehr.)

Die Tribüne vor dem Anpfiff
Foto: Wolf­ram Esser

Nach unse­rer Ankunft in Island sind wir noch ein biss­chen durch Reykja­vik fla­niert, um uns qua­si als Höhe­punkt die­ses abson­der­li­chen Tages­aus­flugs ein Fuß­ball­spiel anzu­schau­en. Ale­man­nia inter­na­tio­nal – was ein ein­ma­lig phan­tas­ti­sches Erleb­nis. (Bit­te nicht auf­re­gen, lie­be Leu­te von Rot-Weiß Eynat­ten oder Roda Kerk­ra­de. Test­spie­le gegen Euch waren und sind natür­lich auch inter­na­tio­nal. Aber zum einen war das hier ein Pflicht­spiel und zum ande­ren füh­len sich Aus­flü­ge »vor­ne an« in Bel­gi­en oder den Nie­der­lan­den kaum fremd­län­disch an, wenn man im Drei­län­der­eck um Aachen her­um auf­ge­wach­sen ist.)

Jeden­falls: Reykja­vik. Erzäh­len lie­ße sich viel von dem Tag. Ich will es bei zwei Anek­döt­chen belas­sen. Da wäre zum einen die Sache mit Bernd.

Foto: Wolf­ram Esser

Bernd war unge­fähr der fünf­te Bekann­te, der uns – mei­ner Rei­se­grup­pe mit Wolf­ram und Mela­nie – dort über den Weg lief, ohne vor­her bei uns im Flie­ger geses­sen zu haben. Irgend­wann am Nach­mit­tag spa­zier­te er ein­fach in die Knei­pe, in der wir gera­de an der The­ke stan­den. Und anders als bei den vie­ren zuvor fiel uns nicht vor Ver­wun­de­rung die Kinn­la­de her­un­ter. Wer nicht dabei war, mag es sich vor­stel­len wie Pfings­ten in Dom­burg: Irgend­wann ist es ganz nor­mal, dass einem dau­ernd Leu­te begeg­nen, die man kennt. Bernd schien es sehr ähn­lich zu gehen. Von der Tür kam er schnur­stracks auf uns zu. Und statt eines »Mensch, Ihr auch hier?!« sag­te er nur: »Trinkt Ihr eins mit?« Zack, vier Bier bestellt und mit­ein­an­der gemullt, als säßen wir in einer Knei­pe im Fran­ken­ber­ger Viertel.

Les­son lear­ned: Der Öcher an sich und der Ale­man­ne im Beson­de­ren ist her­vor­ra­gend dar­in, sich an bis­lang unbe­kann­te Situa­tio­nen anzu­pas­sen. (vgl. Zuschau­er­schnitt von 8.000 pro Spiel nach dem Abstieg in die Vier­te Liga)

Die zwei­te Geschich­te hat mit Micha­el zu tun. Micha­el ist einer der Leu­te, die einem immer wie­der bei Spie­len der Ale­man­nia begeg­nen, bis man sich eines Tages grüßt und kurz ein Schwätz­chen zur schwarz-gel­ben Lage hält. In Reykja­vik traf ich ihn zur Halb­zeit im Umlauf unter unse­rer Tri­bü­ne. Und Micha­el hat­te ein mäch­tig lan­ges Gesicht auf­ste­hen. »Wat isset?«, frag­te ich. »Die neh­men uns doch gar nicht ernst«, ant­wor­te­te er. »Die weh­ren sich gar nicht. Haben wahr­schein­lich gedacht: ›Für den klei­nen Zweit­li­gis­ten müs­sen wir uns nicht anstren­gen.‹ oder so.« Zur Ein­ord­nung: Wir führ­ten zur Halb­zeit völ­lig ver­dient mit 3:0. Ich wuss­te mein Erstau­nen über Micha­els Bewer­tung der Ereig­nis­se nicht in Wor­te zu fas­sen. Da begann er auch schon zu grin­sen. »Dafür zei­gen wir es denen jetzt aber rich­tig. Das haben die jetzt davon!« Und auch sonst wäre der Tag ziem­lich okay, ergänz­te er noch.

Les­son lear­ned: Der Ale­man­ne an sich fühlt sich immer ein biss­chen unge­recht behan­delt, weiß sei­nem Min­der­wer­tig­keits­kom­plex aber auch durch­aus gute Sei­ten abzu­ge­win­nen. (vgl. etli­che Ereig­nis­se aus der Vereinsgeschichte)

Foto: Wolf­ram Esser

Am Ende gewan­nen wir das Spiel 5:1. Nach einem 0:0 im Rück­spiel – weil der Tivo­li für den Euro­pa­po­kal nicht aus­ge­stat­tet war, zogen wir um in die gro­ße Hüt­te ein paar Stra­ßen wei­ter – stan­den wir in der Haupt­run­de, flo­gen nach Sevil­la und Athen, letzt­lich in Alk­maar raus. Es war ein tol­les Jahr, des­sen Anfang heu­te ein Jahr­zehnt her ist. Fuß­bal­le­risch lie­gen inzwi­schen auch ein paar Wel­ten zwi­schen damals und heu­te. Aber man gewöhnt sich dran und irgend­wie ist das auch ziem­lich okay.

Weil mei­ne Bil­der von die­sem Tag ziem­lich grot­tig sind, hat mir Wolf­ram – Teil der dama­li­gen Rei­se­ge­sell­schaft – eini­ge sei­ner Fotos zur Ver­fü­gung gestellt.

3 Kommentare zu “Vor einem Jahrzehnt: Schwarz-Gelb international”

  1. Du hast schon recht, Wie­den­brück fühlt sich auch an wie Island. Mindestens…

    Tol­ler Arti­kel einer tol­len Zeit und eines von mir bis heu­te fürch­ter­lich benei­de­ten Tripps (vgl. Scheiß- Refe­ren­da­ri­at, das).
    The­se colours don’t run, they fly!!!!!!

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