Den eigenen Blick teilen

Kulturrucksack: Porträt Oliver Schwabe

Oli­ver Schwa­be ser­viert der Welt kei­ne fer­ti­gen Geschich­ten mit net­tem Hap­py End. Mit sei­nen bis­wei­len pola­ri­sie­ren­den Wer­ken möch­te der preis­ge­krön­te Fil­me­ma­cher und Kame­ra­mann viel­mehr zum Nach­den­ken anre­gen. Dabei ist Neu­gier sein stän­di­ger Beglei­ter und Antrieb.

Als ihm neu­lich nach lan­ger Zeit noch ein­mal die Abitur­zei­tung sei­nes Jahr­gangs in die Hän­de fiel, war Oli­ver Schwa­be schon ein wenig erstaunt. Schwarz auf Weiß stand da, dass der 46-Jäh­ri­ge von dem, was er in der Gegen­wart macht, schon Mit­te der 80er Jah­re geträumt hat. »Loko­mo­tiv­füh­rer oder Kame­ra­mann« hat­te er sei­ner­zeit als Berufs­wunsch ange­ge­ben. Heu­te bewegt er tat­säch­lich Men­schen – mit sei­nen Fil­men. Völ­lig unbe­wegt waren hin­ge­gen die Bil­der, mit denen der mitt­ler­wei­le mehr­fach preis­ge­krön­te Fil­me­ma­cher und Kame­ra­mann zu Beginn sei­ner beruf­li­chen Lauf­bahn zu tun hatte.

Nach einer Aus­bil­dung zum Foto­la­bo­ran­ten und Foto­gra­fen trat Schwa­be 1994 ein Stu­di­um an der Kunst­hoch­schu­le für Medi­en in Köln und der New York Uni­ver­si­ty mit dem Vor­ha­ben an, sei­ne foto­gra­fi­schen Fer­tig­kei­ten zu ver­fei­nern. Der Schwenk hin zu den Bewegt­bil­dern geschah eher zufäl­lig im Ver­lauf des Stu­di­ums. »Kom­mi­li­to­nen baten mich hin und wie­der, ihre Pro­jek­te zu fil­men«, erin­nert er sich. »Ich tat ihnen den Gefal­len und bin dadurch in die Fil­me­rei hin­ein­ge­rutscht.« Die­se wur­de in der Fol­ge sein neu­es Betä­ti­gungs­feld, dem er auch im Anschluss an sein bestan­de­nes Diplom treu blieb. Pop­corn-Block­bus­ter­ki­no zu pro­du­zie­ren, ist dabei noch nie sein Bestre­ben gewe­sen. Statt­des­sen bewegt sich Oli­ver Schwa­be auf Art­haus-Ter­rain. Dass sei­ne Wer­ke bis­wei­len pola­ri­sie­rend auf Kri­ti­ker und Publi­kum wir­ken, nimmt er nicht nur in Kauf. Er begrüßt die­sen Umstand sogar. »Ich möch­te den Leu­ten kei­ne fer­ti­ge Geschich­te mit net­tem Hap­py End ser­vie­ren«, sagt er selbst. »Im bes­ten Fall sol­len sie den Film noch ein wenig mit sich herumtragen.«

Den eige­nen Blick auf die Wirk­lich­keit fil­misch ver­ar­bei­ten, ihn mit ande­ren Men­schen tei­len und die­se dadurch zum Nach­den­ken anre­gen: Das ist, was Schwa­be immer wie­der antreibt. In sei­nem prall gefüll­ten Port­fo­lio fin­den sich ver­schie­dens­te For­ma­te: Video­ta­ge­bü­cher, etwa, bei denen er vor­nehm­lich Jugend­li­chen die Kame­ra über­ließ, um deren Roh­auf­nah­men des All­tags danach in raue, authen­ti­sche Doku­men­tar­fil­me zu ver­wan­deln. Fern­seh­spiel, Video­in­stal­la­ti­on, Musik­do­ku, Kino­film: Wel­ches Gen­re zur Umset­zung sei­ner Ideen nötig ist, spielt für ihn kei­ne Rol­le. Um dabei so unab­hän­gig wie mög­lich agie­ren zu kön­nen, grün­de­te er mit sei­nem Kol­le­gen Chris­ti­an Becker im Jahr 2002 die Pro­duk­ti­ons­fir­ma »Field Recor­dings«.

Gemein­sam mit Becker hat Oli­ver Schwa­be auch die im Rah­men des Kul­tur­ruck­sacks statt­fin­den­den Dreh­ar­bei­ten am Hei­lig Geist Gym­na­si­um beglei­tet. Dass er selbst ein­mal Schü­ler an die­ser Schu­le war, gab dabei nicht den Aus­schlag für eine Betei­li­gung an die­sem Pro­jekt. Viel­mehr war es die Neu­gier, die dem Fil­me­ma­cher seit jeher ein treu­er Beglei­ter ist. Denn genau­so wie die film­in­ter­es­sier­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler betrat auch der Pro­fi wäh­rend der Zusam­men­ar­beit Neu­land. Zwar hat er zuvor schon mehr­fach als Dozent an ver­schie­de­nen Hoch­schu­len fun­giert, an Kin­der und Jugend­li­che hat­te Schwa­be sein Kön­nen und Wis­sen bis­lang aber noch nicht weitergegeben.

Deren unvor­ein­ge­nom­me­ne Her­an­ge­hens­wei­se an das The­ma ist ihm in aller­bes­ter Erin­ne­rung geblie­ben. Ein Stück weit dient ihm das Erleb­te sogar als Ideen­quel­le und Moti­va­ti­on. »Die­ses Pro­jekt habe ich auch ein biss­chen für mich selbst gemacht«, gibt Oli­ver Schwa­be unum­wun­den zu. »So konn­te ich aus ers­ter Hand erfah­ren, wie nach­fol­gen­de Gene­ra­tio­nen ticken, was sie umtreibt. Und wenn ich dar­an den­ke, mit wel­chem Spaß die Schü­ler in der Sache auf­ge­gan­gen sind, gibt mir das Inspi­ra­ti­on für kom­men­de Auf­ga­ben.« Bei­spiels­wei­se für »Von der Berau­bung der Zeit«, einem Doku­men­tar­film über lebens­läng­lich Inhaf­tier­te, den er gera­de zusam­men mit Chris­ti­an Becker produziert.

Der Kul­tur­ruck­sack ist ein För­der­pro­gramm des Lan­des NRW, das unter ande­rem auch in der Städ­te­re­gi­on Aachen Anwen­dung fand und fin­det. Dabei wird Schu­len die Mög­lich­keit gebo­ten, kul­tu­rel­le Pro­jek­te in enger Zusam­men­ar­beit mit exter­nen Exper­ten – pro­fes­sio­nel­len Musi­kern, Schau­spie­lern, Cho­reo­gra­phen,… – durch­zu­füh­ren. Elf Schu­len in und um Aachen haben sich im Jahr 2012 an die­sem Pro­gramm betei­ligt: Bands und Chö­re wur­den gegrün­det, Musi­cals und Thea­ter­stü­cke erdacht und an einer Schu­le auch ein Kurz­film gedreht. Im Zeit­raum zwi­schen Mai und Dezem­ber habe ich die­se ver­schie­de­nen Akti­vi­tä­ten beglei­tet. Neben einer Doku­men­ta­ti­on der ein­zel­nen Pro­jek­te ent­stan­den in die­sem Rah­men auch Por­träts von eini­gen der exter­nen Exper­ten. Dies ist eines davon.

Eini­ge Bil­der, die wäh­rend mei­ner Doku­men­ta­ti­on des Kul­tur­ruck­sacks ent­stan­den, sind bei Flickr zu sehen.

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