Alles, außer schwerer Kost

Löhrzeichen

Depres­si­on und The­ra­pie: In ihrem Buch »Drü­ber­le­ben« nimmt sich Kath­rin Weß­ling einer schwe­ren The­ma­tik an. Und das mit enor­mer Leichtigkeit.

Am Anfang ist nichts – zumin­dest nichts, das Ida Schau­mann noch irgend­ei­nen Sinn in ihrem Leben erken­nen lässt. Schon seit lan­gem krei­sen aus­schließ­lich schwar­ze Gedan­ken im Kopf der 24-Jäh­ri­gen. Quä­len­de Angst­zu­stän­de neh­men ihr den letz­ten Rest Antrieb. Auf dem Gip­fel ihrer Ver­zweif­lung – oder bes­ser: in deren tiefs­tem Tal – packt Ida ihre Tasche, besteigt die U‑Bahn und macht sich auf den Weg dort­hin, wo sie Hil­fe zu bekom­men erhofft: in eine psych­ia­tri­sche Klinik.

Schwe­re depres­si­ve Epi­so­de ohne psy­cho­ti­sche Sym­pto­me, lau­tet die Dia­gno­se, vor der ihr ambu­lan­ter The­ra­peut kapi­tu­liert hat. Mit dem Betre­ten der Kli­nik nimmt Ida den Kampf gegen die Mons­ter in ihrem Kopf auf. Und die­ser Kampf wird Wochen dauern.

Depres­si­on als Auf­hän­ger, eine sta­tio­nä­re The­ra­pie als zen­tra­ler Hand­lungs­strang: Im Grun­de könn­te »Drü­ber­le­ben«, das Erst­lings­werk der Wahl­ham­bur­ge­rin Kath­rin Weß­ling, furcht­bar schwe­re Kost sein. Dass es genau das aber eben nicht ist, liegt vor allem am fei­nen Sprach­ge­fühl sei­ner Autorin. Aus der Ich-Per­spek­ti­ve lässt die­se den Leser an der Gedan­ken­welt ihrer Prot­ago­nis­tin teil­ha­ben. Mal rasant und vor Bil­dern über­spru­delnd, mal in ele­gisch aus­ge­brei­te­ten Wie­der­ho­lun­gen unter­malt Weß­ling Idas Leben und Erle­ben mit dem pas­sen­den Rhythmus.

Und auch beim Zeich­nen der übri­gen Cha­rak­te­re, beim Schil­dern derer Ent- und Ver­wick­lun­gen beweist sie ein beson­de­res Gespür dafür, dass wirk­lich gutes Erzäh­len nicht zuletzt von Tem­po und Timing der Spra­che abhängt. Die­ser sehr eige­ne Schreib­stil, in sei­ner Expe­ri­men­tier­freu­dig­keit spür­bar geprägt von einer erfolg­rei­chen Poet­ry-Slam-Ver­gan­gen­heit, ver­leiht dem Buch über die gesam­te Län­ge eine enor­me Leich­tig­keit – aller ver­meint­lich bedrü­cken­den The­ma­tik zum Trotz. Selbst der tief­schwarz sar­kas­ti­sche Humor, der von Zeit zu Zeit zwi­schen den Zei­len her­vor­blitzt, wirkt in die­sem Zusam­men­hang kei­nes­wegs fehl am Platz. Schließ­lich, so sug­ge­riert der Unter­ti­tel des Buchs, sind Depres­sio­nen doch kein Grund, trau­rig zu sein.

2 Kommentare zu “Alles, außer schwerer Kost”

    1. Ja, ken­ne ich. Gera­de der Anfang des Buchs erin­nert mich stark an Blog­bei­trä­ge, die dort vor rund zwei Jah­ren ver­öf­fent­licht wur­den – aller­dings als Erfah­rungs­be­rich­te der Autorin selbst. Dar­um habe ich mich beim Lesen immer mal wie­der gefragt, wie­viel Kath­rin wohl in Ida steckt. Am Ende habe ich mich mit mir selbst dar­auf geei­nigt, dass das in Bezug auf das Buch voll­kom­men uner­heb­lich ist.

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Benötigte Felder sind mit einem * markiert …