MP4-Quartett beim Ostbelgienfestival: Kontrastreiches zum Sonntagmittag

MP4-Quartett (Foto: Danny Willems)
Foto: Danny Willems

Roman­tik trifft auf zeit­ge­nös­si­sche Musik. Das MP4-Quar­tett stellt Schu­berts »Der Tod und das Mäd­chen« ein Werk des Eupe­ner Kom­po­nis­ten Paul Pan­kert gegenüber.

Das Ost­bel­gi­en­fes­ti­val und Chu­do­sc­nik Sun­er­gia laden am kom­men­den Sonn­tag, 14. Juni, gemein­sam dazu ein, Zeu­ge einer unge­wöhn­li­chen musi­ka­li­schen Begeg­nung am spä­ten Vor­mit­tag zu wer­den. Das MP4-Quar­tett ist zu Gast und wird um 11 Uhr im Foy­er des Par­la­ments der DG in Eupen sei­nen mit Span­nung erwar­te­ten Teil zum Fes­ti­val bei­tra­gen. Denn die vier Strei­che­rin­nen und Strei­cher wer­den zwei Wer­ke into­nie­ren, die sich in vie­ler­lei Hin­sicht kon­trast­reich gegen­über stehen.

Klas­sik trifft Moder­ne, Roman­tik trifft zeit­ge­nös­si­sche Musik, Tona­li­tät trifft Mikro­to­na­li­tät: Für krea­ti­ve Rei­bung wird gesorgt sein. Nach dem Mati­née-Kon­zert besteht die Mög­lich­keit, die durch die­se Rei­bung ent­stan­de­ne Hit­ze zu kana­li­sie­ren. Sowohl das MP4-Quar­tett, als auch der Kom­po­nist Paul Pan­kert wer­den bei Kaf­fee und Crois­sant even­tu­el­len Gesprächs­an­lie­gen des Publi­kums nach­kom­men. Devi­se: Höre Gutes und rede darüber.

Im Jahr 2008 grün­de­ten vier Absol­ven­ten der Con­ser­va­toires Royaux de Bel­gi­que das MP4-Quar­tett. Clai­re Bour­det, Mar­ga­ret Her­mant (bei­de Gei­ge), Pierre Heneaux (Brat­sche) und Mer­ryl Havard (Cel­lo) haben sich seit­her der dyna­mi­schen Inter­pre­ta­ti­on gro­ßer Wer­ke der Musik­ge­schich­te verschrieben.

Zen­tra­ler Pro­gramm­punkt des Vor­mit­tags wird aber die Musik sein. Und da unter ande­rem das Streich­quar­tett in d‑Moll von Franz Schu­bert – im Volks­mund »Der Tod und das Mäd­chen« genannt. Im Alter von 20 Jah­ren hat­te sich Schu­bert bereits von einem gleich­na­mi­gen Mat­thi­as-Clau­di­us-Gedicht zu einem Lied inspi­rie­ren las­sen. Das ver­zwei­felt fle­hen­de Mäd­chen hier, der unbarm­her­zi­ge Tod dort: Die Melo­die, die der jun­ge Schu­bert dem Sen­sen­mann wid­me­te, griff sein älte­res Ich rund sie­ben Jah­re spä­ter bei der Kom­po­si­ti­on des d‑Moll-Quar­tetts noch ein­mal auf. Das Lied lie­fer­te die Basis zu die­sem Streich­quar­tett. Den Namen lieh es ihm gleich mit.

»Der Tod und das Mäd­chen« ist Aus­gangs­punkt der Spät­wer­ke Schu­berts, der im Alter von nur 31 Jah­ren starb. Auch rund 190 Jah­re spä­ter hat die­ser Aus­gangs­punkt nichts von sei­ner Inten­si­tät ver­lo­ren, vom hör­ba­ren inne­ren Auf­ruhr sei­nes Kom­po­nis­ten und von der spür­ba­ren All­ge­gen­wart des Todes, die Schu­berts Arbei­ten fort­an bestim­men soll­te. Die Inter­pre­ta­ti­on des MP4-Quar­tetts unter­streicht die­se Aspek­te eindrucksvoll.

Neben Schu­bert wird am Sonn­tag mit »J.S., my fri­end« ein Stück von Paul Pan­kert und somit von einem Lokal­ma­ta­do­ren gespielt wer­den. Hin­ter den Anfangs­buch­sta­ben ver­birgt sich ein gewis­ser Johann Sebas­ti­an. Die Rede ist von Bach, des­sen Mat­thä­us­pas­si­on als Inspi­ra­ti­ons­quel­le für Pan­kerts Werk dien­te – und aus die­ser Pas­si­on im spe­zi­el­len der Cho­ral »O Haupt voll Blut und Wun­den«. Unab­hän­gig vom Schu­bert-Quar­tett ist »J.S., my fri­end« schon in sich ein Spiel mit den Gegen­sät­zen. Bachs for­mal star­ke, tona­le, kla­re Lini­en auf der einen Sei­te, Pan­kerts Varia­tio­nen über und Spiel mit dem The­ma auf der anderen.

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»In der vor­ge­ge­be­nen unan­tast­ba­ren Struk­tur des Cho­rals habe ich für mich eine gro­ße Frei­heit ent­deckt«, sagt Paul Pan­kert. »Um den durch­struk­tu­rier­ten Teil der Kom­po­si­ti­on muss­te ich mich somit nicht mehr küm­mern, konn­te mich ganz auf die Wahl der Mit­tel und dadurch auf die Ver­än­de­rung der Form kon­zen­trie­ren.« Von Haus aus Vio­li­nist, ver­ar­bei­tet Pan­kert das gesam­te Klang­spek­trum der Strei­cher in sei­nen mikro­to­na­len Arbei­ten. Alle moder­nen Spiel­ar­ten lässt er in sei­ne Kom­po­si­tio­nen ein­flie­ßen, was sei­nen Wer­ken einen wei­ten, expe­ri­men­tel­len Hori­zont verleiht.

Eine Ver­bin­dung sei­ner Expe­ri­men­tier­freu­de mit der Selbst­ver­ständ­lich­keit Bachs schließt sich für ihn dabei kei­nes­wegs aus: »Im Lauf mei­ner Kar­rie­re habe ich natür­lich auch schon viel Barock­mu­sik gespielt. Die har­mo­ni­sche Kom­po­nen­te bei Bach übt dabei auf mich eine enor­me Fas­zi­na­ti­on aus. Ich woll­te die­ses Ele­ment mit mei­nem eige­nen Schaf­fen ver­bin­den.« Mit »J.S., my fri­end« hat Paul Pan­kert sich die­sen Wunsch erfüllt. Das Stück ist erst weni­ge Mona­te alt. Anfang März fei­er­te es sei­ne Pre­miè­re in Lüt­tich – auch sei­ner­zeit vom MP4-Quar­tett in Ver­bin­dung mit Schu­berts »Der Tod und das Mäd­chen« gespielt. Das Mati­née-Kon­zert in Eupen ist die zwei­te und abschlie­ßen­de Ver­an­stal­tung im Premieren-Kontext.

Die­ser Arti­kel erschien in gekürz­ter Fas­sung ursprüng­lich im »Grenz­echo«, der deutsch­spra­chi­gen Tages­zei­tung für Ostbelgien.

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