»Lit.Eifel«-Lesung in Eupen: Im Auge des Elektro-Sturms

Grenzecho 15. September 2015, Seite 18

Autor Rüdi­ger Esch und Ex-Kraft­wer­ker Wolf­gang Flür erzäh­len von jenen Tagen, als man in Düs­sel­dorf die elek­tro­ni­sche Musik erfand.

»Ach, Düs­sel­dorf!«, schnaubt es von Köln aus bis­wei­len ver­ächt­lich den Rhein hin­un­ter. »Da glit­zert immer alles.« Tat­säch­lich wird Nord­rhein-West­fa­lens Lan­des­haupt­stadt ger­ne ein­zig als Ort der Rei­chen und Schö­nen, der Models und Wer­be­agen­tu­ren ver­kannt. Dabei hat Düs­sel­dorf weit mehr zu bie­ten als gül­de­nes Geschmei­de und prot­zi­ge Luxus­ka­ros­sen: nicht zuletzt eine gan­ze Men­ge Kul­tur. Auf Anhieb las­sen sich von Joseph Beuys bis Sig­mar Pol­ke, von Jörg Immendorff bis Ger­hard Rich­ter etli­che gro­ße deut­sche Gegen­warts­künst­ler benen­nen, die von hier aus wirk­ten und wir­ken. Und dann ist da ja auch noch die Musik, die elek­tro­ni­sche Pop­mu­sik, um exakt zu sein. Musik­his­to­risch betrach­tet, ist Düs­sel­dorf der Geburts­ort der elek­tro­ni­schen Musik, das Mis­sis­sip­pi­del­ta des Tech­no, sozu­sa­gen. Die elek­tri­sche Stadt. Electri_City.

In sei­nem 2014 erschie­ne­nen Buch »Electri_​City« erzählt Rüdi­ger Esch von den Geburts­stun­den die­ser Musik eben in Düs­sel­dorf, von der Ent­wick­lung der loka­len Sze­ne zwi­schen der Kunst­hal­le und Läden wie dem »Cream­cheese« oder spä­ter dem »Ratin­ger Hof«, von Quer­ver­bin­dun­gen zwi­schen Punk, Wave und den ana­lo­gen Elek­tronik­pio­nie­ren, von Pro­du­zen­ten­le­gen­de Con­ny Plank, von Bands wie Kraft­werk, Neu!, Pro­pa­gan­da, La Düs­sel­dorf, DAF oder Der Plan. Kurz: von der Düs­sel­dor­fer Zeit zwi­schen dem Beginn der 70er und der Mit­te der 80er Jahre.

Im Rah­men der »Lit.Eifel« prä­sen­tie­ren Chu­do­sc­nik Sun­er­gia und Mea­kus­ma am kom­men­den Frei­tag, 18. Sep­tem­ber, eine Lesung des Buchs. Ab 20 Uhr wird Rüdi­ger Esch im Kul­tur­zen­trum Alter Schlacht­hof aus jenen Tagen berich­ten, als Kraft­werk im Kling Klang Stu­dio an Klas­si­kern wie »Auto­bahn« und »Wir sind die Robo­ter« tüf­tel­te oder DAF den Sequen­zern das Schwit­zen bei­brach­te. Damals, als sich von Düs­sel­dorf aus die musi­ka­li­sche Welt ver­än­der­te und die Stadt für eini­ge Zeit die nicht wirk­lich heim­li­che Kul­tur­haupt­stadt der alten Bun­des­re­pu­blik war.

Dass »Electri_​City« [Part­ner­link] ein Stück leben­dig erzähl­te Geschich­te ist, liegt an der Nähe des Autors zu sei­nem The­ma. Esch hat die Ent­wick­lung vor Ort ab den frü­hen 80er Jah­ren als Fan und Musi­ker selbst mit­er­lebt, war spä­ter unter ande­rem Bas­sist bei Die Krupps. Über die eige­nen Erin­ne­run­gen hin­aus lässt er in sei­nem Buch zudem etli­che Zeit­zeu­gen zu Wort kom­men: die­je­ni­gen, die unmit­tel­bar dabei waren und die­se Ära maß­geb­lich mit­ge­prägt haben, aber auch die­je­ni­gen, die sich außer­halb Deutsch­lands von den sei­ner­zeit in Düs­sel­dorf gesche­hen­den Din­gen inspi­rie­ren lie­ßen. Der bri­ti­sche 80er-Syn­thie­pop mit OMD oder Ultra­vox, zum Bei­spiel, wäre ohne Düs­sel­dorf undenk­bar gewe­sen. Glei­ches gilt für die Ber­li­ner Peri­ode von David Bowie.

Einer die­ser Zeit­zeu­gen wird Rüdi­ger Esch auf sei­ner Lese­rei­se nach Eupen beglei­ten, ein wasch­ech­ter Elek­tro-Pio­nier: Wolf­gang Flür war ab 1973 fes­tes Mit­glied von Kraft­werk und als sol­ches der Erfin­der des aller­ers­ten elek­tro­ni­schen Schlag­zeugs. Zur Lesung wird er das Vor­wort des Buchs bei­tra­gen. Gemein­sam mit Esch dürf­te er außer­dem eine gan­ze Men­ge erzäh­lens­wer­ter Erin­ne­run­gen im Gepäck haben – Geschicht­chen und Anek­do­ten qua­si direkt aus dem Auge des Elek­tro-Sturms, der sei­ner­zeit her­auf­zog. Sound- und Video­ani­ma­tio­nen erwei­tern das Erleb­nis die­ser Lesung. Im Anschluss dar­an schla­gen eine Live-Per­for­mance und ein DJ-Set den Bogen vom Buch ins Jetzt.

Nach 460 Sei­ten endet »Electri_​City« im Jahr 1986 mit dem Ende der ana­lo­gen Pha­se. Düs­sel­dorf blieb auch danach mit Bands wie den frü­hen Mou­se On Mars, Sta­bil Éli­te oder Kreid­ler rele­vant. Tho­mas Klein, ali­as Solyst, ist Schlag­zeu­ger bei Kreid­ler. Sein Solo-Pro­jekt zwi­schen Dub, Elek­tro­nik und archai­scher Rhyth­mik ver­deut­licht, wie sich das, was Anfang der 70er begann, bis ins Jahr 2015 ent­wi­ckelt hat. Das DJ-Set des Schwei­zers Marc Mat­ter (»Mr. Mück«) zeigt wie­der­um, welch inter­na­tio­na­le Krei­se der Stein gezo­gen hat, den man damals in Düs­sel­dorf in den Rhein gewor­fen hat. Dort, wo alles immer glitzert.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich im »Grenz­echo«, der deutsch­spra­chi­gen Tages­zei­tung für Ostbelgien.

Der im Text mit [Part­ner­link] mar­kier­te Ver­weis wur­de von mir im Rah­men mei­ner Teil­nah­me am Part­ner­pro­gramm der Ama­zon EU S.à r.l. gesetzt. Wei­te­re Hin­wei­se dazu fin­den sich im Impres­sum die­ser Seite.

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