Jacinta Nandi bei der »Lit.Eifel«: Sagenhafter Groschenroman

Jacinta Nandi (Foto: privat)
Foto: privat

Im Rah­men der »Lit.Eifel« kommt mit Jac­in­ta Nan­di eine bri­ti­sche Ber­li­ne­rin nach St. Vith, um aus ihrem Debüt­ro­man »Nichts gegen bla­sen« zu lesen – einem ein­zig­ar­tig tra­gi­ko­mi­schen Blick auf das Leben mitt­drei­ßig­jäh­ri­ger Sin­gles in der Großstadt.

Herr­lich ist der Nach­mit­tag, den Jac­in­ta mit ihrem Freund Peter auf einer Hoch­zeit ver­bringt. In sei­ner Rol­le als Trau­zeu­ge hat er gera­de eben eine wun­der­vol­le Rede gehal­ten. Von Roman­tik über­mannt, kommt es auf der Toi­let­te zum Oral­sex und im Anschluss zu einem Hei­rats­an­trag Jac­in­tas. Unge­fähr an die­ser Stel­le gleich zu Beginn von »Nichts gegen bla­sen« ist es dann aber auch schon vor­bei mit Roman­tik. Denn Peter sagt nicht nur Nein, er macht in einem auch noch Schluss.

Auf den fol­gen­den rund 280 Sei­ten schickt Jac­in­ta Nan­di ihre Prot­ago­nis­tin auf die Jagd – nach Halt, nach Inte­gra­ti­on, nach einer Zukunfts­per­spek­ti­ve und auch nach der Lie­be. Ihr Debüt­ro­man trans­por­tiert die Hel­den­rei­se alter Sagen in unse­re ver­gleichs­wei­se bit­te­re Gegen­wart. Was einst der Gral war, sind heu­te Bestän­dig­keit und jemand, der bleibt, auch wenn es schwie­rig wird: Etli­che Men­schen suchen danach. Nie­mand wird wirk­lich fündig.

Nein, »Nichts gegen bla­sen« [Part­ner­link] ist bei­lei­be kein Lie­bes­ro­man, son­dern aus Sicht die­ser etli­chen Men­schen ein Lite­ra­tur gewor­de­nes Stück Rea­li­tät. Ein Spot­light auf das Leben mitt­drei­ßig­jäh­ri­ger Sin­gles in der Groß­stadt, die ihre Ein­sam­keit mit Online-Dating-Por­ta­len und por­no­mä­ßi­gem Sex nur über­schau­bar gut kom­pen­sie­ren. Und ein Stück weit auch ein moder­ner Groschenroman.

Jacinta Nandi - Nichts gegen blasenWie auto­bio­gra­phisch ist aber ein sol­cher Roman, in dem die Hel­din den­sel­ben Namen trägt wie die Autorin? »Fast 50 Pro­zent ist erfun­den«, schätzt Jac­in­ta Nan­di, »abge­se­hen von den Tat­sa­chen eigent­lich alles.« Das fami­liä­re Set­ting bei­der Jac­in­tas, etwa, ist eine sol­che Tat­sa­che, die über­ein­stimmt: kran­ke Mut­ter, Trans­gen­der-Stief­va­ter, allein­er­zie­hend mit Sohn in Ber­lin. Im Jahr 2000 zog es die damals 20-Jäh­ri­ge in die deut­sche Haupt­stadt. Im Osten Lon­dons gebo­ren, kam sie als Stu­die­ren­de und blieb. Irgend­wann begann sie zu schrei­ben – als Kolum­nis­tin, Blog­ge­rin und Mit­glied gleich zwei­er Ber­li­ner Lese­büh­nen erzählt sie von ihrem All­tag in Ber­lin. Ein­zig­ar­tig sind dabei ihr Sprach­mix aus Eng­lisch und Deutsch, ihr rasan­tes Erzähl­tem­po, ihre Krea­ti­vi­tät beim Schöp­fen neu­er Wor­te, ihr Hang zu absur­den Dia­lo­gen und dazu, Komik und Tra­gik eng mit­ein­an­der zu verknüpfen.

Und wenn man Jac­in­ta Nan­di eines nicht nach­sa­gen kann, dann ist es unein­deu­tig zu sein. Ganz im Gegen­teil: Ihre Kolum­nen, Lese­büh­nen­ge­schich­ten und auch ihr Roman sind gespickt mit expli­zi­ten Beschimp­fun­gen, Flü­chen und sexu­el­len Ein­deu­tig­kei­ten. »Ich kom­me aus der bri­ti­schen Arbei­ter­klas­se, da wird viel geschimpft«, erklärt Nan­di die rabia­te Spra­che in ihren Wer­ken. Wer sich auf die­se Derb­heit ein­lässt, ent­deckt zwi­schen all den »Bas­tards« und »Arsch­lö­chern«, zwi­schen »bla­sen« und »ficken« klei­ne, eben­so trau­ri­ge wie schlaue Sich­ten auf Ver­zweif­lung, auf Ent­wur­ze­lung oder auf das Stre­ben nach Per­fek­ti­on. Denn eben per­fekt soll sie heut­zu­ta­ge sein, die Lie­be – ein fast hoff­nungs­lo­ses Unterfangen.

»Das Leben wird nicht bes­ser. Aber es geht weiter.«

In die­sem Zusam­men­hang ver­steht die Autorin ihr Buch ein wenig als The­ra­pie. Die abrup­te Tren­nung nach lan­ger Bezie­hung ist eine wei­te­re Tat­sa­che, die in »Nichts gegen bla­sen« auto­bio­gra­phisch ange­haucht ist. »Das Leben wird nicht bes­ser. Aber es geht wei­ter«, ver­passt sie ihrem Werk eine fast apo­ka­lyp­tisch anmu­ten­de Zusam­men­fas­sung. Dem Unter­hal­tungs­wert ihres Buchs tut dies jedoch kei­nen Abbruch. Noch ein­mal gestei­gert wird die­ser Unter­hal­tungs­wert, wenn Jac­in­ta Nan­di selbst dar­aus vor­trägt. Unge­heu­er leben­dig erzählt die Autorin, natür­lich auch expli­zit und derb, was aber durch ihren vor­nehm anmu­ten­den bri­ti­schen Akzent auf fast wun­der­sa­me Wei­se abge­mil­dert wird.

Und durch etli­che Aben­de auf Lese­büh­nen gestählt, weiß sie genau, was es braucht, ein Publi­kum im Griff zu haben. Wer sich davon selbst über­zeu­gen möch­te, soll­te den 12. Novem­ber vor­mer­ken. Dann näm­lich kommt Jac­in­ta Nan­di nach St. Vith zu einer Lesung im Café Trot­ti­net­te im Tri­an­gel. Die Ver­an­stal­tung fin­det im Rah­men der »Lit.Eifel« statt.

Ursprüng­lich erschien die­ser Arti­kel im »Grenz­echo«, der deutsch­spra­chi­gen Tages­zei­tung für Ost­bel­gi­en. Das Bild der Autorin wur­de mir von Sei­ten ihres Ver­lags als Pres­se­ma­te­ri­al zur Ver­fü­gung gestellt.

Der im Text mit [Part­ner­link] mar­kier­te Ver­weis wur­de von mir im Rah­men mei­ner Teil­nah­me am Part­ner­pro­gramm der Ama­zon EU S.à r.l. gesetzt. Wei­te­re Hin­wei­se dazu fin­den sich im Impres­sum die­ser Seite.

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