»Kulturrucksack 2013«: Abseits der üblichen Wege

Klenkes Februar 2014, Seite 10

Kul­tur, wie sie nicht auf dem Lehr­plan steht. Mit viel­fäl­ti­gen Pro­jek­ten haben sich 18 Schu­len der Städ­te­re­gi­on im Jahr 2013 an den Akti­vi­tä­ten des För­der­pro­gramms »Kul­tur­ruck­sack« betei­ligt. In die­sem Jahr wird deren Zahl noch ein­mal zunehmen.

Stolz hal­ten die Jugend­li­chen die CD in Hän­den – ihre CD. Denn die Musik, die auf dem Ton­trä­ger zu hören ist, stammt samt und son­ders von ihnen selbst. Jeweils eine Woche lang haben die bei­den Schul­bands der Real­schu­le Baes­wei­ler »Check that Sound« und »The Squir­rels« im Pink Noi­se Ton­stu­dio in Aachen ver­bracht, um dort unter pro­fes­sio­nel­ler Anlei­tung an ihren Songs zu fei­len und die­se zu ver­ewi­gen. Von den Pro­fis im Stu­dio beka­men sie Tricks und Knif­fe zum Ver­fei­nern des Arran­ge­ments und Übun­gen zur Stär­kung der Stim­me gezeigt. Am Ende ihrer jewei­li­gen Woche nahm jede Band drei Lie­der auf. Rück­bli­ckend spricht Jes­si­ca, Sän­ge­rin und Gitar­ris­tin bei »Check that Sound«, von einer tol­len Erfah­rung. »Wir haben in den weni­gen Tagen enor­me Fort­schrit­te gemacht. Und mir war vor­her über­haupt nicht klar, wie viel Arbeit in so einer CD steckt.«

Bunte Mischung

Viel? Wenig? Egal. 100 Schü­le­rin­nen und Schü­ler betei­lig­ten sich am Pro­jekt »Metro­polklän­ge« des Städ­ti­schen Gym­na­si­ums Her­zo­gen­rath. Nicht min­der enga­giert waren die neun Jugend­li­chen, die an der Sekun­dar­schu­le Nord­ei­fel in Sim­mer­ath den Song »Sum­mer­ti­me @ Rur­see« komponierten.

Krea­tiv sein, eige­ne Mög­lich­kei­ten ent­de­cken, den Hori­zont erwei­tern und Spaß dar­an haben: Erfah­run­gen wie Jes­si­ca und die ande­ren Mit­glie­der der bei­den Bands aus Baes­wei­ler haben im Lauf des ver­gan­ge­nen Jah­res zahl­rei­che Schü­le­rin­nen und Schü­ler in Aachen und der Städ­te­re­gi­on gesam­melt. Ermög­licht wur­de dies durch den »Kul­tur­ruck­sack«, ein Pro­gramm des Lan­des NRW, das sich die kul­tu­rel­le För­de­rung von Kin­dern und Jugend­li­chen auf die Fah­ne geschrie­ben hat. Zu die­sem Zweck wer­den seit 2012 jähr­lich Mit­tel an aus­ge­wähl­te Kom­mu­nen gege­ben, wo sie ver­schie­de­nen, zumeist schu­li­schen Pro­jek­ten vor Ort zugu­te kom­men. Seit dem ers­ten Tag zum Kreis die­ser aus­ge­wähl­ten Kom­mu­nen zäh­lend, bot die Städ­te­re­gi­on Aachen im Jahr 2013 inter­es­sier­ten Schu­len schon zum zwei­ten Mal eine sol­che Pro­jekt­un­ter­stüt­zung. 18 Ein­rich­tun­gen nah­men die­ses Ange­bot letzt­lich an.

Inhalt­lich stell­ten sie eine bun­te Mischung an Pro­jek­ten auf die Bei­ne. So wur­den zwi­schen Her­zo­gen­rath und Stol­berg, zwi­schen Sim­mer­ath und Als­dorf Blas- und Streich­in­stru­men­te erlernt, Orches­ter, Chö­re und eine Big Band aus der Tau­fe geho­ben, Tanz­per­for­man­ces ein­stu­diert, Kurz­fil­me gedreht, Thea­ter­stü­cke, Musi­cals und sogar eine Kin­der­oper auf­ge­führt. Rund 600 Schü­le­rin­nen und Schü­ler waren an die­ser brei­ten Palet­te von Akti­vi­tä­ten betei­ligt. Bei jedem Pro­jekt stan­den ihnen pro­fes­sio­nell Kul­tur­schaf­fen­de bera­tend und unter­stüt­zend zur Sei­te. Vom Kame­ra­mann über die Cho­reo­gra­phin bis hin zum Pro­fi­mu­si­ker war jeder ger­ne bereit, das eige­ne Wis­sen an die Teil­neh­mer wei­ter­zu­ge­ben. Als Neben­ef­fekt erhiel­ten die Jugend­li­chen inter­es­san­te Ein­bli­cke in den All­tag der ver­schie­de­nen kul­tu­rel­len Berufe.

Der Rattenfänger

Die Koor­di­na­ti­on der ein­zel­nen Pro­jek­te lag und liegt in den Hän­den des Amtes für Kul­tur und Empi­ri­sche For­schung der Städ­te­re­gi­on. Des­sen Lei­te­rin Nina Mika-Helf­mei­er sieht im »Kul­tur­ruck­sack« eine beson­de­re Mög­lich­keit, Kin­der und Jugend­li­che abseits der übli­chen Wege an Kul­tur her­an­zu­füh­ren, ihr Inter­es­se für die Mate­rie zu wecken: »Die Pro­jek­te müs­sen sich nicht an irgend­ei­nen Lehr­plan hal­ten, wie das bei­spiels­wei­se der regu­lä­re Musik­un­ter­richt muss. Dar­um wer­den bei den Jugend­li­chen krea­ti­ve Fähig­kei­ten und indi­vi­du­el­le Stär­ken geför­dert, die in der Schu­le sonst nicht zum Tra­gen kom­men. Mög­lich wird das durch enga­gier­te Leh­rer und die exter­nen Dozenten.«

Entfaltung der Persönlichkeit

War­ner Pol­and ist einer die­ser exter­nen Dozen­ten. Im all­täg­li­chen Berufs­le­ben Musi­cal Direc­tor der Nina Hagen Band und Pro­du­zent von Film­mu­sik, lei­te­te er im Herbst 2013 einen Song­wri­ting-Work­shop am Städ­ti­schen Gym­na­si­um Her­zo­gen­rath. Sechs Bands fan­den sich dort zusam­men, um mit sei­ner Hil­fe je einen eige­nen Song zu tex­ten und zu kom­po­nie­ren. Vor allem bei der musi­ka­li­schen Umset­zung ihrer Tex­te pro­fi­tier­ten die Nach­wuchs­künst­ler von sei­ner lang­jäh­ri­gen Erfah­rung. Gemein­sam mit Petra Jan­sen, Sän­ge­rin und Stu­dio-Coach, ließ er jedem ein­zel­nen die nöti­ge Auf­merk­sam­keit und, falls nötig, ein per­sön­li­ches Coa­ching zukom­men. Nach sei­ner Beob­ach­tung geht der Effekt sol­cher Pro­jek­te weit über die musi­ka­li­sche Ent­wick­lung der Jugend­li­chen hin­aus. Musi­sches und krea­ti­ves Schaf­fen hilft ihnen auch bei der Ent­fal­tung der eige­nen Persönlichkeit.

»Die Schü­ler bli­cken über Tel­ler­rän­der und den­ken ›out of the box‹. Es wer­den Tei­le des Gehirns ange­spro­chen, die von Mathe allei­ne nicht getrig­gert wer­den. Ihre Ver­än­de­rung ist spür­bar und sicht­bar.« Inner­halb weni­ger Tage, so ist War­ner Pol­and auf­ge­fal­len, wach­sen sie über sich hin­aus, ent­wi­ckeln Selbst­be­wusst­sein, gewin­nen ein völ­lig neu­es Auf­tre­ten. Ähn­li­ches mel­den auch Leh­rer und Dozen­ten ande­rer Pro­jek­te zurück. Sie berich­ten von gestei­ger­tem Gemein­schafts­ge­fühl, von Ver­ant­wor­tung, die ein­zel­ne für die Gesamt­heit über­neh­men – etwa, wenn bereits Fort­ge­schrit­te­ne den Anfän­gern unter ihren Mit­schü­lern Rat­schlä­ge geben. »Beim Musi­zie­ren braucht es vie­le Fähig­kei­ten, die auch im sons­ti­gen Mit­ein­an­der wich­tig sind. Dar­um kön­nen die Kin­der über die Musik essen­ti­el­le Din­ge für ihr gesam­tes Leben ler­nen«, bringt Frank Rebi­en die­se Erkennt­nis auf den Punkt. Im Rah­men des »Kul­tur­ruck­sacks« gehör­te der Kla­ri­net­tist zum Dozen­ten-Team der Blä­ser­klas­se an der Real­schu­le in Stolberg-Mausbach.

Inhaltlich weiter fassen

Ten­denz stei­gend. Bei der Pre­miè­re im Jahr 2012 nah­men zehn Schu­len der Städ­te­re­gi­on am »Kul­tur­ruck­sack« teil. 2013 waren es derer 18. Mit­te Janu­ar lagen für 2014 bereits 23 Bewer­bun­gen vor.

Neben Pro­ben und Work­shops kam es bei allen Pro­jek­ten auch zum krea­ti­ven Ernst­fall. An jeder Schu­le wur­den Auf­trit­te und Kon­zer­te orga­ni­siert. Man­che Grup­pen gin­gen sogar auf klei­ne Tour­nee. Die Strei­cher­klas­se des Inda-Gym­na­si­ums oder das Thea­ter­team der Elwin-Chris­tof­fel-Real­schu­le in Mon­schau prä­sen­tier­ten ihr jewei­li­ges Kön­nen an Grund­schu­len umlie­gen­der Orte. »Ins­ge­samt haben wir mit den ein­zel­nen Pro­jek­ten etwa 6.000 Men­schen erreicht«, schätzt Nina Mika-Helf­mei­er. Die Teil­neh­mer als Mul­ti­pli­ka­to­ren: Künf­tig möch­te sie den Aspekt des Wei­ter­tra­gens von Kul­tur ger­ne noch ausbauen.

Ritze Earth Band

So kann sie sich zum Bei­spiel vor­stel­len, dass Pro­jekt­teil­neh­mer als Men­to­ren an Grund­schu­len fun­gie­ren. Und auch inhalt­lich sol­len künf­ti­ge Auf­la­gen des »Kul­tur­ruck­sacks« wei­ter gefasst wer­den – in Bezug auf Ver­an­stal­tungs­tech­nik, etwa, oder Mode- und Kos­tüm­de­sign. »Dadurch kön­nen wir die­je­ni­gen Schü­le­rin­nen und Schü­ler errei­chen, die grund­sätz­lich kul­tu­rell inter­es­siert sind, sich aber an Instru­men­ten schwer tun. Unser Schwer­punkt wird wei­ter­hin auf der Musik lie­gen, aber eben auch die­se Tätig­kei­ten sind für kul­tu­rel­le Ver­an­stal­tun­gen von enor­mer Bedeu­tung.« Aktu­ell sind die Pla­nun­gen für den »Kul­tur­ruck­sack« 2014 im vol­len Gan­ge. Spä­tes­tens im Früh­jahr wer­den sich die ers­ten Schü­le­rin­nen und Schü­ler wie­der auf span­nen­den Wegen der Kul­tur nähern.

Die­ser Arti­kel erschien ursprüng­lich in der Febru­ar-Aus­ga­be des Aache­ner Stadt­ma­ga­zins »klen­kes«.

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