Vor rund 50 Jahren veränderte er die Welt des Tanzes. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe »Kollaborationen« holen das Beethovenfest Bonn und die Philharmonie Köln den amerikanischen Postmodern Dance an den Rhein.
»Also, das Allerschönste, was Füße tun können«, hat unser aller Lieblingsfrosch Kermit einmal gesagt, »ist Tanzen.« Traurigerweise muss sich ein Großteil der Menschheit mit Fug und Recht fragen lassen, wieso er nicht viel häufiger auf diesen Ratschlag unseres kleinen, schlauen, grünen Freundes hört. Hand aufs Herz, wir alle tanzen viel zu wenig. Obwohl … trügt dieser Eindruck etwa? Die Protagonistinnen und Protagonisten des Judson Dance Theaters hätten diese Frage zu ihrer Zeit sicher bejaht. Aus ihrer Perspektive tanzen wir alle ständig.
Vor etwas mehr als fünf Jahrzehnten hat dieses Kollektiv aus Choreographen, Tänzern, Komponisten und bildenden Künstlern der Welt ihre Sicht auf die Dinge eröffnet. In ihrer Idee von Postmoderne war grundsätzlich jede gewöhnliche Bewegung Teil eines schönen Tanzes, jeder Mensch somit ein Tänzer. Die Hochzeit des amerikanischen Postmodern Dance währte nicht lange. Doch in diesen wenigen Jahren zwischen den frühen 60er- und 70er-Jahren wurde nahezu jeder Grundstein für die Stilrichtungen des zeitgenössischen Tanzes gelegt. Contemporary Dance, Contact Improvisation, Modern Dance: Sie alle berufen sich auf das künstlerische Werk des Judson Dance Theaters.
Eine Würdigung im großen Stil
In diesem Spätsommer werden die Errungenschaften dieser Tanz-Avantgarde am Rhein im großen Stil gewürdigt. Mit dem Bonner Beethovenfest und der Kölner Philharmonie haben sich gleich zwei große kulturelle Player zusammengetan. Beiden passt der amerikanische Postmodern Dance gut in den Kram: Die Philharmonie feiert unter anderem mit ihm ihren 30. Geburtstag, das Beethovenfest wiederum findet in ihm ihr diesjähriges Motto »Revolutionen« wieder. Nichts anderes war das Judson Dance Theater zu seiner Zeit.
Unter dem Titel »Kollaborationen« werden in Dom- und Bundesstadt mehrere hochklassige Performances dargeboten werden – teils unter direkter Beteiligung von Judson-Ensemble-Mitgliedern. In Zusammenarbeit mit der »Next Generation« lassen diese Pionierinnen des Tanz Neues und immer noch Großes entstehen.
Schon beim Startschuss am 27. August in Köln wird deutlich, auf welchem Niveau sich diese Veranstaltung bewegt: Mit Choreographin Deborah Hay und Komponistin Laurie Anderson haben sich zwei Ikonen der amerikanischen Avantgarde zusammengetan, um dem Stockholmer Cullberg Ballet (Foto oben) mit »Figure a Sea« ein Tanzstück vor die Füße zu legen, das Bewegung und Klang in audiovisuelle Landschaften verwandelt. Mit den folgenden Events verbleiben die »Kollaborationen« zunächst in Köln. Am 3. September findet in weiten Teilen der Kölner Innenstadt der City Dance Köln statt, eine als 13-stündige Performance mitten im öffentlichen Raum angelegte Hommage an Anna Halprin, die derlei schon vor vier Jahrzehnten organisierte. In dieser Größenordnung hat das Deutschland noch nicht gesehen. Einen Tag später wirft die »Mutter der Avantgarde« einen Blick zurück auf ihr vielseitiges Schaffen während des vergangenen halben Jahrhunderts. Sängerin, Komponistin, Filmemacherin, Choreographin, Installationskünstlerin: Meredith Monk war und ist alles.
Chaotisch in Richtung Bonn
Am 10. September wandert die Veranstaltungsreihe dann den Rhein hinauf nach Bonn. Oder besser: Sie nimmt die Bahn. Mit »Splendid Chaos« bewegt sich der Tanz wieder im öffentlichen Raum, diesmal in der Straßenbahnlinie 16 zwischen den Haltestellen »Breslauer Platz« in Köln und »Universität« in Bonn.
Am selben Abend startet in der Oper Bonn dann der hiesige Teil der Veranstaltungsreihe. Und mit »Dance« (Foto) von Choreographin Lucinda Childs wird gleich ein Meilenstein der jüngeren Tanzgeschichte geboten, ein ebenso raffiniertes wie zeitloses Stück Eleganz.
Zum Abschluss verlagern sich die »Kollaborationen« dann in Richtung Kunstmuseum: zum einen mit »Sound Move«, einer bis zum 23. Oktober gezeigten Ausstellung und Würdigung der Arbeit von Postmodern-Dance-Protagonistin Simone Forti, zum anderen mit »Concert X«, einem zweiwöchigen Laborexperiment von fünf Künstlern, das die Grenzen zwischen Museum und Alltag, zwischen Tradition und Moderne verschwimmen lassen soll. Täglich präsentieren sie die Ergebnisse ihrer Experimente. Eine Abschlussperformance am 24. September zieht dann den finalen Strich unter die »Kollaborationen«.
Urpsrünglich erschien dieser Artikel im Bonner Stadtmagazin »Schnüss«. Die verwendeten Fotos entstammen dem Pressematerial zu »Kollaborationen«.