»Journalismus, der sich reimt«

Löhrzeichen
Foto: Kar­ney Hatch

Er ist ein Pro­test­sin­ger in der Tra­di­ti­on von Woo­dy Gut­hrie und Pete See­ger, ein poli­ti­scher Akti­vist mit Gitar­re. Seit Mit­te der 90er Jah­re befin­det sich David Rovics nahe­zu unun­ter­bro­chen auf Kon­zert­rei­se, ist auf Demos der Glo­ba­li­sie­rungs­kri­ti­ker eben­so auf­ge­tre­ten wie in den Camps der Occu­py-Bewe­gung. Aktu­ell ist der US-Ame­ri­ka­ner für zwei­ein­halb Mona­te in Euro­pa unter­wegs. Im Rah­men die­ser Tour fei­ert er sei­nen 45. Geburts­tag am heu­ti­gen Abend auf der Büh­ne des »Cent­re Jeu­nes Taboo« im bel­gi­schen Char­le­roi. Nach sei­nem Auf­tritt in Bonn am ver­gan­ge­nen Don­ners­tag hat­te David Rovics Zeit für ein kur­zes Gespräch. (Foto ver­öf­fent­licht unter cc by 2.0)

David, vie­le Dei­ner Lie­der ent­ste­hen im Zusam­men­hang mit aktu­el­len poli­ti­schen oder gesell­schaft­li­chen Ereig­nis­sen. Mein Ein­druck dabei ist, dass zwi­schen sol­chen Ereig­nis­sen und Dei­ner musi­ka­li­schen Ant­wort meist nur weni­ge Tage lie­gen. Wie bekommst Du das hin? Hast Du einen Vor­rat an Melo­dien im Hin­ter­kopf, die qua­si nur auf den pas­sen­den Anlass und Text warten?

»Nein, einen sol­chen Vor­rat habe ich nicht. Die Melo­dien ent­ste­hen genau­so frisch wie die dazu­ge­hö­ri­gen Tex­te. Mit denen fan­ge ich meist an. Zuerst steht die Hook­li­ne, die letz­te Zei­le des Refrains, in der ich mei­ne Mei­nung zu dem jewei­li­gen The­ma auf den Punkt brin­ge. Den Rest des Refrains und die Stro­phen baue ich dann um die­se Zei­le her­um, was im Schnitt einen Tag dau­ert. Für Melo­die und Akkord­fol­gen brau­che ich einen wei­te­ren Tag.«

Für einen kom­plet­ten Song benö­tigst Du also nur zwei Tage?

»Wenn es sich bei die­sem Song vor allem um eine per­sön­li­che Mei­nungs­äu­ße­rung han­delt, rei­chen zwei Tage. In ande­ren Fäl­len kann es aber auch län­ger dau­ern. Bei den Lie­dern in denen ich von his­to­ri­schen Ereig­nis­sen wie denen um das ›St. Patrick’s Batal­li­on‹ erzäh­le, zum Bei­spiel. Da ver­brin­ge ich viel Zeit mit Recher­che, bevor ich mit dem eigent­li­chen Text anfan­ge. Erst wenn ich alle rele­van­ten Fak­ten zusam­men­ha­be, geht es los. Schließ­lich möch­te ich alles mög­lichst wahr­heits­ge­mäß wiedergeben.«

War­um ist Dir die­se wahr­heits­ge­mä­ße Wie­der­ga­be so wich­tig? Als Künst­ler hät­test Du doch eigent­lich die Mög­lich­keit, Details der Geschich­ten im Sin­ne der Dra­ma­tur­gie frei­er zu beschreiben.

»Dar­an ist mir aber nicht gele­gen. Sin­ge ich bei­spiels­wei­se von einem afgha­ni­schen Dorf und schil­de­re dabei Stim­mung und Gerü­che dort, dann sol­len dies die tat­säch­li­che Stim­mung und die tat­säch­li­chen Gerü­che sein. Wenn ich über die­se Din­ge nichts weiß, wer­de ich auch nicht davon sin­gen. Ich wer­de sol­che Details nicht ein­fach erfin­den. Soll­te jemals ein Bewoh­ner die­ses Dor­fes das Lied hören, soll er sagen kön­nen: ›Ja, genau so ist das hier.‹ Dass er die­ses Lied jemals hört, ist zwar rela­tiv unwahr­schein­lich, ändert aber nichts an mei­nem Anspruch an mich selbst. Beim Erzäh­len von Geschich­ten habe ich näm­lich weni­ger einen künst­le­ri­schen als einen jour­na­lis­ti­schen Ansatz. Mein Jour­na­lis­mus ist eben einer, der sich reimt.«

Ver­folgst Du die­sen jour­na­lis­ti­schen Ansatz denn schon seit dem Beginn Dei­ner musi­ka­li­schen Karriere?

»In Grund­zü­gen schon. Im Ver­lauf der Zeit hat sich die­se Ein­stel­lung aber noch wei­ter ver­fes­tigt. Ich erin­ne­re mich an ein Foto, das mich zu einem Lied inspi­riert hat. Dar­auf sah man ara­bi­sche Men­schen, die bar­fuß bei­ein­an­der stan­den. In dem Lied zum Bild sang ich von einer Armut, die so groß ist, dass sich die Men­schen kei­ne Schu­he leis­ten kön­nen. Nach eini­ger Zeit mach­te mich jemand dar­auf auf­merk­sam, dass die Men­schen auf dem Foto beten und des­we­gen ihre Schu­he aus­ge­zo­gen haben. Ein wirk­lich pein­li­cher Moment. Aber auch ein sehr lehr­rei­cher. Denn er hat mir klar gemacht, dass ich beim Tex­ten nicht nach dem ers­ten Ein­druck gehen darf, dass ich schein­ba­re Fak­ten genau­er über­prü­fen und hin­ter­fra­gen muss. Und dar­an hal­te ich mich seitdem.«

Vie­len Dank für das Gespräch, David. Und eine schö­ne Resttour.

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