Im vergangenen Herbst gegründet, hat sich die In Situ Art Society die Förderung von Kultur auf die Fahne geschrieben. Das Hauptaugenmerk liegt dabei aktuell auf unterrepräsentierten Musikformen.
Das Café Lieblich an einem Donnerstagabend: Keine Spur von den Tischen, an denen sonst Kaffee und Kuchen serviert werden. Peu à peu füllen sich die Reihen aus Stühlen und Sesseln, die an ihrer Stelle aufgebaut wurden. Hinter dem Notenständer ganz vorne stimmt ein Mann seine Gitarre. »In etwa zwei Wochen werde ich die Musik, die ich gleich spiele, in einem Studio aufnehmen«, erklärt er auf Englisch. »Den heutigen Abend hielt ich für eine gute Gelegenheit, sie einmal vor Menschen auszuprobieren. Ich möchte einfach sichergehen, dass sie niemanden tötet.«
Bukowski auf der Gitarre
Scott Fields heißt der Mann mit dem weißen Bart und dem offensichtlichen Hang zur Selbstironie. Seit den frühen 1970ern aktiv, gehört der Gitarrist und Komponist aus Chicago in der Gegenwart zu den Größen des Avantgarde-Jazz, spielt Konzerte in aller Welt. An diesem Abend gibt er eine Quasi-Weltpremiere ausgerechnet in der beschaulichen Bonner Südstadt – nur eine Armlänge vom Publikum entfernt.
Für sein neues Album hat Fields rund ein Dutzend Gedichte seines Landsmanns Charles Bukowski in Gitarrenklänge übersetzt. Teile dieser Kompositionen präsentiert er den etwa 20 Zuhörerinnen und Zuhörern. Eine Dreiviertelstunde später sind alle noch am Leben und um eine außergewöhnliche musikalische Erfahrung reicher: Schönheit existiert auch außerhalb des allgemeinen Musikverständnisses.
Ermöglicht wurde diese Erfahrung durch die In Situ Art Society. Seit er im vergangenen Herbst aus der Taufe gehoben wurde, organisiert der gemeinnützige Verein in Bonn Konzerte mit Künstlern jenseits des Mainstream. »In unserer Satzung haben wir die Förderung aktueller Kunst jedweder Form als Vereinszweck verankert«, sagt der Musiker Georges Timpanidis, der die Gründung gemeinsam mit Filmemacher Pavel Borodin maßgeblich vorangetrieben hatte. »Unser Schwerpunkt liegt dabei zunächst auf solchen Formen der Musik, die im regulären Konzertbetrieb nur eine marginale Rolle spielen. Wir möchten diese unterrepräsentierten, zumeist nicht kommerziell orientierten Formen einem größeren Publikum zugänglich machen.«
Darum steht vom ersten Tag an die Konzertreihe »The Dissonant Series« im Mittelpunkt der Vereinsaktivitäten. Obwohl erst wenige Monate zusammen, hat die In Situ Art Society im Rahmen dieser Reihe bereits verschiedene international renommierte Gastmusiker aus den Bereichen Jazz, improvisierte Musik, aktuelle elektronische Musik und Neue Musik für Auftritte in die Bundestadt locken können. Gastmusiker wie eben Scott Fields, wie den New Yorker Multiinstrumentalisten Elliott Sharp oder die japanische Koto-Spielerin Naoko Kikuchi.
Zunehmende Planungssicherheit
Fehlende Erfahrung in Bezug auf Veranstaltungsmanagement macht das international aufgestellte Team – die Gründungsmitglieder kommen aus Deutschland, Russland, der Ukraine und Griechenland – mit riesigem Élan und Willen wett. »Aufbau, Künstlerbetreuung, Thekendienst: Was die Organisation der Konzerte angeht, macht bei uns jeder eigentlich alles«, lacht Pavel Borodin. Die Erfahrung kommt zwangsläufig beim Machen.
War etwa die Suche nach möglichen Auftrittsorten zu Beginn noch sehr von kurzfristigen Entscheidungen geprägt, besteht gerade in dieser Hinsicht mittlerweile größere Planungssicherheit. In der Ermekeil-Initiative, dem Dialograum Kreuzung an Sankt Helena und der Fabrik45 hat der Verein verlässliche Ansprechpartner gefunden. Die Folgen sind an simplen Zahlen ablesbar. Pavel Borodin: »Zu Beginn haben wir gerade einmal ein Konzert pro Monat gestemmt. Alleine im März waren es dagegen schon vier.«
Und die Resonanz bei diesen Konzerten wischt die Annahme vom Tisch, dass sich in Bonn für Avantgarde-Musik kein Publikum finden ließe. Für einige Auftritte konnten bis zu 70 Tickets abgesetzt werden. Den regelmäßig versandten Newsletter der In Situ Art Society haben sogar mehr als 300 interessierte Musikfreunde abonniert.
Ausweitung der Aktivitäten
Die Vereinsmitglieder nehmen dies als sicheres Indiz, dass ihre ehrenamtliche Arbeit ankommt, dass es genug neugierige Kunstliebhaber in der Stadt gibt. Für sie reicht das als Anreiz, die eigenen Aktivitäten künftig über die Musik hinaus auszuweiten.
So wird es ab dem kommenden Herbst Rahmenprojekte mit bildender Kunst und Fotografie, sowie Lesungen und Diskussionsrunden geben. Filmvorführungen finden bereits jetzt vereinzelt statt. Eine Zusammenarbeit mit Schulen und sozialen Einrichtungen, etwa in Form von Workshops, ist konkret noch nicht angestoßen, potentielle Möglichkeiten werden von den Mitgliedern aber bereits diskutiert. Die Arbeit hat also gerade erst begonnen.
In der Woche nach Ostern organisiert die In Situ Art Society im Rahmen ihrer »Dissonant Series« zwei Konzerte mit dem US-amerikanischen Schlagzeuger Tim Daisy und dem Kontrabassisten/Saxophonisten Georges Paul. Weitere Informationen finden sich auf der Facebook-Seite der Society.
Dieser Artikel erschien ursprünglich in der April-Ausgabe des Bonner Stadtmagazins »Schnüss«.
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